Nach einem Sprung in den Stadtparksee ist Sascha Schrön querschnittgelähmt. Mit seinem Schicksal will er andere warnen.
- Der Neuallermöher Sascha Schrön sprang im Mai 2008 kopfüber von einer Mauer in den Hamburger Stadtparksee und brach sich das Genick
- Wenige Monate nach dem schweren Unfall war klar: Schrön wird querschnittgelähmt bleiben
- Heute engagiert er sich für andere Verletzte
Wenn Sascha Schrön heute an den Tag denkt, der sein Leben für immer verändern sollte, dann wundert er sich über vieles. Er wundert sich über die Vorfreude, mit der auf diesen Tag blickte. Und über die Sorglosigkeit, die ihn antrieb. Er wundert sich auch über das fehlende Gefühl der Gefahr. Und kämpft heute dafür, dass andere sorglose Menschen genau diese Gefahr nicht vergessen oder verdrängen.
Eine Woche vor dem Tag, der sein Leben verändern sollte, war Sascha Schrön von einer Mauer in den Hamburger Stadtparksee gesprungen, zwei Freunden hinterher. „Ich dachte damals: ,Oh, das ist jetzt aber ganz schön flach gewesen’“, erinnert sich der Neuallermöher. Trotzdem freut sich der damals 23-Jährige danach die ganze Woche darauf, es noch mal mit einem Flachköpfer zu versuchen – eine Herausforderung, die er aus „Werner“-Filmen kannte, wie er sagt. So nimmt das Drama am 31. Mai 2008 seinen Lauf.
Querschnittgelähmt: Genick gebrochen im Stadtparksee
Nach einem Partyabend mit Freunden springt Sascha Schrön kopfüber in den See, der an dieser Stelle nur etwa 1,60 Meter tief ist. „Ich bin mit dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen und habe mir das Genick gebrochen, den sechsten Halswirbel“, erzählt er heute im sachlichen Tonfall. Er erinnert sich, dass ein Mann, der auf dem Steg saß, ihn herauszog. Und er erinnert sich, dass Fremde Fotos von ihm machten, als er so weitgehend bewegungsunfähig und hilflos dalag.
Sascha Schrön wird damals direkt ins Boberger Unfallkrankenhaus gebracht. Die BG-Klinik hat mit ihrem Querschnittgelähmtenzentrum einige der besten Ärzte auf diesem Fachgebiet. Schrön wird noch in derselben Nacht operiert, verbringt dann mehrere Wochen auf der Intensivstation und anschließend fünf Monate in der Rehabilitation. Und doch ist kaum Zeit, um das Unfassbare zu begreifen: Sascha Schrön wird querschnittgelähmt bleiben, auf Hilfe angewiesen sein, nicht mehr laufen können. „Unbewusst habe ich es geahnt, aber ich wollte es nicht wahrhaben“, erzählt der Neuallermöher, dessen Tochter damals erst drei Jahre alt war.
Kaum Kontakt zur Familie, Freunde bleiben plötzlich weg
Schließlich dringt das Wissen, dass ein Leben im Rollstuhl vor ihm liegt, durch. Schrön weint „zwei Wochen lang“. Es folgt eine Phase tiefer Depression, auch weil er kaum Kontakt zur Familie hat und Freunde plötzlich wegbleiben. „Ich habe mich einsam gefühlt“, sagt er.
Doch Schrön kämpft sich ins Leben zurück. Und setzt sich heute dafür ein, dass andere Verletzte nicht in dasselbe Loch fallen wie er. Als Peer Counselor der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e. V. (FGQ) bietet der 38-Jährige Patienten im Boberger BG Klinikum Beratung und Unterstützung im Umgang mit ihrer Verletzung und deren Folgen an. „Ich quatsche mit Frischverletzten, bringe Unterlagen oder gebe Tipps“, sagt er. Etwa einmal wöchentlich ist er in der Klinik.
„Alles abnehmen können wir nicht“, stellt der 38-Jährige fest
Denn Fälle wie seiner sind bei Weitem keine Ausnahme. „Badeunfälle sind bei Hochgelähmten der Klassiker“, stellt er fest. Daten aus der BG Uniklinik Bergmannsheil in Bochum von 2021 spiegeln das wider: Laut einer Studie wurden dort in den vergangenen 18 Jahren 60 Menschen behandelt, die nach einem Kopfsprung eine Rückenmarkverletzung erlitten hatten. 98,7 Prozent von ihnen waren Männer. Es könne nicht genug gewarnt werden, meint auch Sascha Schrön – und teilt in einem Blog und auf seinem YouTube-Kanal Tetrastyle seine Geschichte und Erfahrungen, gibt Tipps.
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Er weiß, dass sich Frischverletzte nicht nur mit der Frage nach dem Warum und mit Selbsthass quälen – sondern auch mit ganz alltäglichen Fragen wie der, wie die Wohnung barrierefrei gestaltet werden kann. Oder wie man einen Katheter spült. Sascha Schrön und andere Helfer geben gern Hilfe zur Selbsthilfe, „aber alles abnehmen können wir nicht“, stellt der 38-Jährige fest. Und das sei auch nicht zielführend, denn der Patient soll sich ja auch selbst kümmern und in sein Leben finden.
Gelähmt nach Badeunfall in Hamburg: Schrön setzte sich neue Ziele
Auch Sascha Schrön hat seinen Weg gefunden, indem er irgendwann mit der Vergangenheit abschloss und aufhörte, sich selbst Vorwürfe zu machen. Er setzte sich stattdessen neue Ziele, „zum Beispiel, wieder arbeiten zu gehen“. Heute ist er Mitarbeiter beim telefonischen Hamburg Service, hat eine „geile Wohnung, die richtige Frau an der Seite“ und alte/neue Hobbys wie das Mixen von DJ-Tapes.
Mit seiner GoPro-Kamera und dem iPhone dreht er die Filme , die er bei YouTube hochlädt – und hat so immer neue Projekte. „Es ist noch nicht alles perfekt“, sagt er. „Und natürlich habe ich auch mal eine Woche, in der ich mich schlecht fühle. Aber ich habe nie aufgegeben.“