Bergedorf. Mit der Geschäftsgründung im damaligen Sande sollte die Existenz der Familie gesichert werden. Der Inhaber geht mit einer Warnung.

Es ist eine Zeit des Umbruchs für Claudia und Wido Schüttfort. Nach 111 Jahren haben sie ihr Familienunternehmen in dritter Generation geschlossen und mit dem Schuhhaus Höber Nachfolger für das Stammhaus im Sachsentor 75 gefunden. Zwei Anliegen bewegen den nun Ex-Chef derzeit. Seinen Nachfolgern wünscht er, dass seine Kundschaft den neuen Inhabern die Treue halten. „Das sind junge Leute, die Erfahrung in der Führung eines Unternehmens haben“, sagt Wido Schüttfort.

Das zweite Anliegen des streitbaren Kaufmanns gilt „seinem“ Bergedorf. Seine Warnung: „Das zentrale Problem ist die Erreichbarkeit unserer City mit dem Auto“, sagt der 67-Jährige. Und mit dem für 2024/25 abgekündigten Abriss des Parkhauses an der Bergedorfer Schlossstraße verschlechtere sich die Erreichbarkeit weiter.

Schuhhaus Schüttfort ist Geschichte: Abschied mit etwas Wehmut

So droht aus seiner Sicht der Abfluss von weiterer Kaufkraft. Ein Problem, mit dem die Bergedorfer Innenstadt ohnehin zu kämpfen habe: „Wenn man sich verbessern will, muss man etwas tun“, sagt der gebürtige Bergedorfer. Stillstand bedeute Rückschritt. „Die Innenstadt lebt davon, dass Menschen initiativ werden“, so der Schuhhändler. Das Problem der fehlenden Parkplätze darf aus seiner Sicht bei allen Überlegungen zur City der Zukunft nicht aus den Augen verloren werden.

Claudia und Wido Schüttfort: Demnächst geht es in den Urlaub nach Schweden, wohin es familiäre Bindungen gibt.
Claudia und Wido Schüttfort: Demnächst geht es in den Urlaub nach Schweden, wohin es familiäre Bindungen gibt. © Privat | Privat

Ein bisschen Wehmut ist schon zu spüren bei den Schüttforts, die ihr Leben lang in der Unternehmensleitung tätig waren, wenn es um die Geschichte des Schuhhauses geht. Kurz vor seinem 20. Geburtstag, am 1. Juli 1911, hatte Widos Großonkel Friedrich Vincent Konrad Schüttfort, der nur Fritz gerufen wurde, das Schuhhaus gegründet. Als Kleinkind war er aus Dortmund zu Onkel und Tante nach Hamburg gekommen. Mit dem Schuhhaus im damaligen Sande sollte die Existenz der Familie gesichert werden.

1926 erfolgte der Standortwechsel ins Sachsentor nach Bergedorf

Blumen an den Fenstern gehörten 1961 zum Erscheinungsbild des Schuhhaus Schüttfort. .
Blumen an den Fenstern gehörten 1961 zum Erscheinungsbild des Schuhhaus Schüttfort. . © Privat | Privat

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik mit Weltwirtschaftskrise waren schwierige Zeiten, durch die Fritz Schüttfort das Unternehmen mit Geschick führte. Der Beitritt zu einer Schuh-Einkaufsgemeinschaft 1919 und der Standortwechsel 1926 ins Sachsentor mit dem Kauf des Stammhauses Sachsentor 75 erwiesen sich als wichtige unternehmerische Entscheidungen.

Fritz Schüttfort war übrigens auch ein künstlerisch veranlagter Mensch. Er beschäftigte sich in seiner Freizeit nicht nur mit der Malerei, sondern war auch ein passionierter Fotograf. Die Geschichte des Unternehmens ist in Schrift und Bild gut dokumentiert.

Friedrich Schüttfort kam 1947 aus Kriegsgefangenschaft nach Bergedorf

Eine damals höchst ungewöhnliche Reise per Flugzeug von Fritz Schüttfort 1925 zur Taufe seines Neffen nach Dortmund führte 22 Jahre später zu einer schicksalhaften Entwicklung. Der Täufling von damals stand 1947 als abgemagerter Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft vor der Tür. Friedrich Schüttfort, genannt Friedel, wurde aufgenommen, ins Unternehmen integriert und übernahm nach dem Tod von Fritz Schüttfort 1969 die Leitung.

Werbung gehört zum Handwerk: Wido Schüttfort (l.) mit der Fußball-Legende Timo Konietzka. 
Werbung gehört zum Handwerk: Wido Schüttfort (l.) mit der Fußball-Legende Timo Konietzka.  © Privat | Privat

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Schuhhaus Schüttfort kontinuierlich fort. Das Nebengebäude Sachsentor 77 wurde gekauft, das Haupthaus abgerissen und neu gebaut, was sich zu einer Herkulesaufgabe entwickelte, die Verkaufsräume damit erweitert. 2015/16 wurde wieder gebaut, die an der Chrysanderstraße hinter den Häusern stehenden alten Kornspeicher abgerissen. Es entstand ein Gebäude mit Räumen im Parterre für das Schuhgeschäft und darüber für Büros, heute unter anderem Sitz der Bergedorfer Zeitung. 1982 war Wido Schüttfort, ältester Sohn von Gertrud und Friedrich Schüttfort, nach einem Betriebswirtschaftsstudium und einer Trainee-Zeit ins Unternehmen eingestiegen. Er trieb die Expansion wesentlich voran.

Jetzt geht es in den lange ausgeschobenen Urlaub nach Schweden

Und nun? Die Abwicklung des Schuhhauses wird Wido Schüttfort noch bis zum Ende des Jahres beschäftigen. Außerdem kümmert er sich um die Schüttfort-Immobilienfirma, zu der auch das alte Stammhaus samt seiner Erweiterungen an der Ecke Chrysanderstraße und Sachsentor gehört.

Claudia Schüttfort hat für die neue Freiheit schon konkrete Pläne. Einst hatte sie Kommunikationsdesign studiert, dann die Marketingaktivitäten des Schuhhauses geprägt und auch die Jubiläumsschrift zum 100-jährigen Bestehen 2011 gestaltet. Sie will sich wieder dem Künstlerischen widmen.

Doch erst einmal wird Urlaub gemacht, in Schweden, wohin es familiäre Bindungen gibt. Der Besuch war immer wieder verschoben worden. „Wir waren nie länger als 14 Tage weg, und ich musste binnen zwölf Stunden zurück sein können“, so Wido Schüttfort.