Es war am 27. Juni in der Komödie Winterhuder Fährhaus. Kurt A. Körbers Augen hinter der schmalrandigen Brille blitzten, ein verschmitztes Lächeln spielte um seinen Mund. Zielsicher steuerte Körber auf die junge Angela Denohe zu, die eben mit einer Arie aus "Figaros Hochzeit" zu Ehren von Helmut und Hannelore Schmidt brilliert hatte. Ein junges Talent, ein hübsches. noch dazu - wie hätte das Kurt A. Körber entgehen können.
Diese Szene mag vielen banal erscheinen. Mal abgesehen davon aber, daß es kaum faßbar scheint, diesen agilen, gepflegten 82jährigen an jenem Sonnabend zum letztenmal gesehen zu haben - die Begegnung Körber-Denohe ist schon typisch für diesen Mann. Sein sicheres Gespür für Talente, seine Lust daran, sie zu fördern, seine Liebe zur Kultur und eine fast kindliche Eitelkeit spiegeln sich hier wider.
Beobachtungen, die es nun nicht mehr geben wird. Ein kleiner Mosaikstein in dem Versuch, Kurt A. Körber zu beschreiben. Einen Mann, der sein Leben unter das Motto stellte "Den Jahren Leben geben und nicht dem Leben Jahre".
Die Jahre, denen Körber Leben gab, begannen in Berlin, wo Körber 1909 geboren wurde. Schon mit 15 Jahren bekam er für eine automatisch gesteuerte Radiosender-Ableseskala sein erstes Patent, über 200 sind es schließlich geworden. Er studierte Elektrotechnik und war schon mit 30 Jahren technischer Direktor der Universelle-Werke in Dresden.
1946 kam Körber nach Hamburg, die Stadt, die ihn im April 1991 zum Ehrenbürger machte. Körber baute mit 20 Mann die "Hanseatische Universelle" (Hauni) auf und entwickelte die erste Maschine für Filterzigaretten, für die er weltweit das Monopol bekam. Das war der Startschuß für die Körber-Gruppe, die heute weitverzweigt im Inund Ausland arbeitet.
Stationen eine 3 Industriellen- Lebens, das allein schon Bände füllen würde. Sie zu raffen heißt aber, Platz zu schaffen für den Mäzen Kurt A. Körber. Die beiden ineinander verschlungenen Ringe als Firmensymbol sollen die Körbersche Verwobenheit von Wirtschaft und Kultur symbolisieren.
Und wieder steht über allem ein Leitsatz: "Wer in der modernen Industriegesellschaft Erfolg hat, ist der Allgemeinheit verpflichtet." Daraus wurde ein so vielfältiges kulturelles Engagement, daß eine Aufzählung nur unvollständig sein könnte.
Daraus wurde aber auch die Körber-Stiftung, in die der Unternehmer zu Lebzeiten die eine Hälfte seines Vermögens einbrachte. Die zweite wird nun, nach seinem Tod, denselben Weg gehen. Körber selbst hielt den Bergedorfer Gesprächskreis für eine seiner besten Erfindungen. Hier brachte er die Mächtigen und die Wissenden zusammen, um gemeinsam über die Welt nachdenken zu können. Der Gesprächskreis tagte im Weißen Haus, im Kreml und im Vatikan. Eines von Körbers letzten gro- ßen Engagements schließlich war die Manager-Ausbildung in der ehemaligen Sowjetunion. Dieser Brückenschlag zwischen Ost und West wurde von der Sorge getrieben, daß die Perestroika scheitern könnte.
Für den Lohn der Mühen, die öffentliche Anerkennung, war Körber durchaus empfänglich. Die Universitäten Dresden und Erlangen-Nürnberg machten den Stifter, Anstifter und Unruhestifter zum Ehrendoktor, die Universitäten Hamburg und Richmond (USA) zum Ehrensenator.
An einem Punkt allerdings ließ Körber die Neugierigen, für die er, weil selbst von der Neugierde getrieben, sonst so viel Verständnis hatte, draußen. Das Privatleben war tabu. Seine Frau Anna Katharina ("Körber: ?Meine erste Mädchenbekanntschaft, und bei der blieb es dann auch") lag in angenehmer Bescheidenheit die Rolle der Unternehmersgattin nicht. Im November vergangenen Jahres mußte Körber nach fast 60 Jahren endgültig von ihr Abschied nehmen. Kinder hatten beide nicht.
Szenen wie mit der jungen Musikhochschülerin Angela Denohe sind die eine Seite von Kurt A. Körber. Szenen wie diese, im März 1990 in Dresden notiert, die andere.
Da stand eher unauffällig und ohne große Begleitung der Unternehmer aus Hamburg, Baulastwagen, Fassadenputzmaschinen und Material von- Millionenwert im Gepäck, und sagte den Bürgern der sächsischen Elbmetropole, warum er das tat: "Ich möchte ein Beispiel geben, nicht erst langwierig verhandeln und abwarten müssen, sondern euch Dresdnern sofort zeigen, daß etwas in Bewegung kommt."
So sehr Körber bewußt über sein Mäzenatentum hat reden lassen, so still nahm er sich dieser Stadt an, seinem Dresden, in dem er "die schönsten Jahre und die schauerlichsten Stunden" seines Leben verbracht hatte. Körber hatte enge Kontakte zu
dem berühmtesten Wissenschaftler der DDR, Manfred von Ardenne, und übernahm 1986 die Produktion eines von ihm erfundenen Gerätes für die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie.
Gleich nach der Wende siedelte Körber eine Dependance seiner Stiftung in Dresden an. Doch so sehr er sich auch einsetzte für Hamburgs geschundene Partnerstadt, Nachahmer fand er kaum.
Dennoch hatte Körber offensichtlich vor, noch viele Jahre weiterzustreiten für das Miteinander von Wirtschaft und Wohltat. Als die Staatsoper ihm zu seinem 80jährigen Geburtstag mit einer glanzvollen Gala gratulierte, fragte der Jubilar am Ende nämlich gelassen: "Und was macht ihr zu meinem Hundertsten?"