Reinbek. Thema Tod ist in Corona-Zeiten ein täglicher Begleiter. Ein Interview mit der hauptamtlichen Koordinatorin des Hospizdienstes Reinbek.

Das Thema Tod ist in Zeiten einer Pandemie ein täglicher Begleiter. Sterbende und Trauerende treffen die Auswirkungen der Corona-Krise besonders – Menschen fürchten sich davor, ihre letzten Tage in Einsamkeit zu verbringen. Und auch für Hospizbegleiter ist diese Zeit eine Herausforderung. 2020 haben die mehr als 40 Sterbe- und Trauerbegleiter in Reinbek und in Bergedorf wegen der Corona-Beschränkungen nur etwa die Hälfte der üblichen Anzahl von Menschen betreuen können. Zum Totensonntag haben wir mit der hauptamtlichen Koordinatorin des Ambulanten Hospizdienstes Reinbek, Susanne Ritter (62), über die Herausforderungen der Arbeit des Vereins gesprochen.

Wie funktioniert die Hospizarbeit eigentlich in Zeiten von Corona?

Der Hospizdienst besteht aus zwei Säulen: Aus der Begleitung der schwerkranken Menschen und aus der Trauerarbeit. Bei der Trauerarbeit ist es so, dass wir zusammen mit dem Hospizdienst Bergedorf ein Trauercafé betreiben. Dieses Café ist seit März bis auf Weiteres geschlossen. Die Menschen können einen Gesprächstermin vereinbaren und dann beraten wir sie, entweder vor Ort, am Telefon oder während eines Spaziergangs. Dasselbe gilt für Bergedorf. Gruppenveranstaltungen gehen im Moment nicht. Auch die Gemeinschaft der Ehrenamtlichen leidet darunter.

Und wie sieht es mit der Begleitung der Sterbenden aus?

Sterbende begleiten wir trotzdem. Es ist so, dass die Senioren- und Pflegeheime im Moment noch sehr starke Auflagen haben. Wir dürfen nur Begleitungen fortführen, die schon vor Ausbruch der Pandemie aktiv waren. Wenn wir die Menschen etwa seit Januar begleitet haben und sie sterben jetzt, dann dürfen wir auch zu ihnen. Ansonsten fand der Kontakt telefonisch statt oder per Post. Neue Begleitungen bekommen wir aus den Heimen sehr wenig, aber in Privathaushalten sind wir durchaus aktiv.

In Pflegeheimen und Krankenhäusern ist die Ansteckungsgefahr auch für Sterbebegleiter hoch. Wie schützen diese sich vor dem Virus?

Die Sterbebegleiter tragen Schutzkleidung, sie haben auch FFP2-Masken und Handschuhe. Sie achten natürlich auch darauf, dass sie selbst gesund sind und keine Risiko-Begegnungen hatten. Wenn Sorge um mögliche Kontakte besteht, bleiben sie zu Hause.

Was tun Sie, wenn ein an dem Coronavirus Erkrankter Ihre Hilfe aufsuchen möchte?

Corona-Erkrankte haben unsere Hilfe noch nicht aufgesucht. Der Vorstand des Hospizdienstes müsste damit einverstanden sein, dass wir so eine Begleitung machen. Mit allen Schutzvorrichtungen könnte ich mir das schon vorstellen.

Was sind die Ängste von Sterbenden und ihren Angehörigen in der Corona-Pandemie?

Es wird sich Sorgen gemacht, allein gelassen zu werden. Persönliche Kontakte, Umarmungen, das Halten von Händen und Augenkontakt fehlen. Man kann nichts dagegen tun, nur versuchen, in Verbindung zu bleiben. Es ist eine schwere Zeit für alle, aber vor allem für Sterbende. Auch die Angehörigen haben ihre Probleme damit, nur begrenzt zu ihren schwerkranken Menschen gehen zu dürfen. Sie machen sich auch Gedanken, wie eine Beerdigung stattfinden kann.

Wie geht der Hospizdienst mit den Sorgen der Menschen um?

Wenn wir es dürfen, sind wir da. Durch unsere Anwesenheit versuchen wir, den Menschen zu helfen oder per Telefon zu beraten. Wir sprechen ihnen Mut zu, die Angebote, die wir bieten, anzunehmen. Wir haben auch mit den Leitungen der Heime telefoniert, um zu signalisieren, wir sind da und wir sind gesprächsbereit – nicht nur für die Kranken und ihre Angehörigen, auch für das Personal.

Was können Angehörige tun, um für Sterbende in Einrichtungen da zu sein?

Viel anrufen und Briefe schreiben, sehen, dass sie eine Verbindung halten. Manche haben auch über Videotelefon den Kontakt gehalten.

Wie stellen die Menschen sich ihren Tod idealerweise vor?

Viele sagen: „Am besten wache ich gar nicht mehr morgens auf.“ Das wichtigste ist wohl, dass sie keine Schmerzen haben wollen und mit ihren Angehörigen zusammensein möchten.

Haben Sie sich auf Ihren Tod vorbereitet? Wie würden Sie gerne sterben?

Ich beschäftige mich von Berufswegen viel mit dem Tod. Ich möchte, dass die Leute in meinem Umfeld und auch die Ärzte offen mit mir umgehen. Noch bin ich ein gesunder Mensch und ich möchte mich auf eine Situation vorbereiten, in der ich noch viel wahrnehme und mit den Menschen um mich herum sprechen kann. Ich würde gerne bis zum Schluss zu Hause bleiben, mit allen Unterstützungen, die es gibt. Wenn das nicht geht, würde ich auch in ein Hospiz gehen, weil da auch eine sehr gute Betreuung gewährleistet ist.

Sie arbeiten seit 2010 hauptamtlich für den Hospizdienst, wie sind Ihre Erfahrungen und gehen Sie heute anders mit dem Tod um?

Ich mache immer Erstbesuche bei den Menschen, die Hilfe suchen. Da wird mir unheimlich viel Offenheit entgegengebracht und Dankbarkeit. Ich finde es immer wieder faszinierend, dass Menschen sich einem Fremden öffnen und so viel Vertrauen haben. Das bereichert mich sehr. Ich habe natürlich auch Ängste vor dem Tod, aber vielmehr vor der Zeit davor, obwohl ich weiß, dass es viele Möglichkeiten gibt, mir zu helfen. Es ist eine Situation die nicht planbar ist, jedenfalls nicht bis ins kleinste Detail. Mit dem Thema an sich habe ich mich schon vorher beschäftigt. Ich bin eigentlich Krankenschwester und war viele Jahre im Adolf-Stift auf der Intensivstation tätig. Dadurch war ich immer wieder mit dem Tod konfrontiert.

Der Hospizdienst in Reinbek ist auch in Glinde, Oststeinbek, Barsbüttel und im Herzogtum Lauenburg tätig. Jeden Dienstag ist eine Trauersprechstunde eingerichtet: 0152/51 81 73 75. Der Hospizdienst informiert zudem unter 040/78 08 98 60 über Angebote wie den Trauerspaziergang in Bergedorf. Im Januar bildet der Verein wieder Ehrenamtliche zum Sterbebegleiter aus. Infos: www.hospizdienst-reinbek.de .