Hamburg. Viele Jahre hat Rolf Becher die Abteilung im Bergedorfer Krankenhaus geleitet, war Ärztlicher Direktor. Was ihn jung gehalten hat.
Auf die Frage, wie man es schafft, 100 Jahre alt zu werden, hat Dr. Rolf Becher eine einfache Antwort: „Ich hatte mein Leben lang vor allem mit Frauen und Kindern zu tun.“ Und das gilt noch immer: Jetzt organisiert Ehefrau Brunhild (86) den Alltag des langjährigen Chefarztes der Frauenklinik im Bethesda Krankenhaus, der in den letzten fünf Jahren vor seiner Pensionierung 1989 auch Ärztlicher Direktor der ganzen Klinik war. Das Paar lebt noch immer im kleinen Bungalow, den es sich kurz nach der Hochzeit vor 57 Jahren am Gojenbergsweg für die später fünfköpfige Familie baute.
Am heutigen Freitag, 6. Mai, feiert Rolf Becher zu Hause seinen 100. Geburtstag. „Ein kleines Fest“, sagt der Jubilar, der natürlich weiß, dass die Familie nicht unter sich bleiben wird. Unter anderem wird die Chefetage „seines“ Bethesda Krankenhauses erwartet. Schließlich hat Dr. Becher seit seinem Wechsel vom Bonner Johanniter-Krankenhaus nach Bergedorf 1960 fast 30 Jahre die Geschicke der Klinik am Glindersweg gelenkt.
Dr. Rolf Becher ist „Vater“ unzähliger Bergedorfer
Mindestens 20.000 Kindern hat er in dieser Zeit geholfen, hier das Licht der Welt zu erblicken. Er ist also „Vater“ unzähliger Bergedorfer, die heute zwischen 33 und 57 Jahre alt sind. Zudem haben etliche der heute im Bethesda beschäftigten Pflegekräfte ihre Examen vor einem Ausschuss abgelegt, den Becher leitete. Bis 2000 war er zudem ehrenamtlicher Vorsitzender der Prüfer der Gesundheitsbehörde.
Dass Becher die Geschicke des Bethesda prägen, dass er überhaupt seinen Traumberuf Arzt ergreifen konnte, war dem gebürtigen Berliner nicht in die Wiege gelegt. Zwar schrieb er sich in der Hauptstadt zum Medizinstudium ein, doch dann wurde er im längst wütenden Zweiten Weltkrieg als Soldat eingezogen und musste an die Ostfront.
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Medizinstudium in Bonn
Nach Kriegsgefangenschaft unversehrt zurückgekehrt, galt er vielen Universitäten als zu alt. Ihm wurde empfohlen, wie in seiner Militäreinheit weiter als Krankenpfleger zu arbeiten. Doch Rolf Becher gab nicht auf. Er bewarb sich an fast allen Universitäten mit medizinischen Fakultäten, die es in der jungen Bundesrepublik gab – und bekam im Johanniter-Krankenhaus in Bonn seine Chance.
Hier brachte er es bis zum Oberarzt, lernte sogar Bundeskanzler Adenauer persönlich kennen, dessen Enkel er in der Bonner Frauenklinik entband. Und Becher traf seine spätere Ehefrau Brunhild, die als Medizinisch-Technische Assistentin im Labor der Klinik arbeitete.
1200 Geburten pro Jahr waren üblich
Nach dem Wechsel ins Bethesda Krankenhaus wartete viel Arbeit auf den damals 38-Jährigen: Die Frauenklinik hier hatte 72 Betten, gut dreimal so viele wie heute. „Damals blieben die Mütter mit ihren Kindern bis zu zehn Tage, weshalb angesichts von rund 1200 Geburten pro Jahr schnell 30 oder mehr Babys auf einmal in den Bettchen des sogenannten Säuglingszimmers lagen“, erinnert sich der Jubilar, der täglich aufmerksam verfolgt, wie es der Klinik geht. „Ich freue mich, dass das Bethesda einen ausgezeichneten Ruf hat, der weit über Bergedorfs Grenzen hinaus reicht.“
Dass Dr. Becher bis heute sehr nah an der Klinik wohnt, liegt übrigens an seinem damaligen Arbeitsvertrag: „Dort stand wörtlich drin, dass ich als Chefarzt bei Notfällen innerhalb von acht Minuten zu Fuß im Bethesda sein muss. Auch nachts bei Schnee und Eis.“ Er sei aber „nicht so oft“ alarmiert worden. Doch da widerspricht die Ehefrau: „Das Telefon klingelte mindestens jede dritte Nacht. Ich habe immer wach gelegen, bis er zurück war.“