Hamburg. Das Personal auf den Intensivstationen fordert vom Vorstand der Uniklinik Entlastung – und kündigt Maßnahmen gegen Arbeitsdruck an.

Es ist die nächste Stufe auf dem Weg zu einer drohenden Eskalation: Pflegende der Klinik für Intensivmedizin am Uniklinikum Eppendorf (UKE) fordern in einem Brief an Pflegedirektor und Vorstandsmitglied Joachim Prölß erneut, dass eine Entlastungsvereinbarung abgeschlossen wird – und sie kündigen an, notgedrungen bis Ende des Jahres selbst Vorkehrungen gegen die „ständige Überlastung“ zu treffen.

Der hohe Arbeitsdruck führe dazu, dass viele Pflegende die Klinik für Intensivmedizin verlassen und es immer wieder zu Situationen komme, in denen Patienten „nicht mehr ausreichend pflegerisch versorgt werden und dadurch immens gefährdet“ seien, heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt.

Eine Pflegekraft könne und sollte maximal zwei Patienten versorgen. Der UKE-Vorstand habe diesen Betreuungsschlüssel zwar nie in Frage gestellt. Tatsächlich erreicht worden sei eine 1:2-Betreuung auch nach einer vorübergehenden Reduzierung der Kapazitäten der Intensivstationen im UKE allerdings „bei weitem nicht“.

Brandbrief: Was UKE-Pfleger von der Klinikspitze einfordern

Seit Oktober, so schreiben die Pflegenden, forderten sie vom UKE-Vorstand eine verbindliche Regelung zum Schutz vor Überlastungssituationen. Trotz einer mündlichen Zusage, eine Dienstvereinbarung mit dem nichtwissenschaftlichen Personalrat auszuhandeln, habe der Vorstand „bisher nur ausweichend agiert“, heißt es in dem Brief.

„Wir können nicht länger warten, wir brauchen jetzt eine Entlastung auf den Intensivstationen. Wenn der Vorstand nicht handelt, müssen wir uns selbst schützen: Warum sollten wir freiwillig weitere Dienste übernehmen, die für uns im Voraus nicht geplant sind? Warum sollten wir unsere Überlastung weiter befeuern?“

Dem Schreiben zufolge übernehmen oft bei Engpässen kurzfristig Pflegende, die eigentlich frei haben, zusätzliche Schichten. „So wird es nicht weitergehen, wenn unser Entgegenkommen nur dazu führt, dass eine Entlastungsvereinbarung „verschleppt“ wird“, heißt es in dem Brief. Deshalb seien sie vom 17. bis 31. Dezember nicht mehr bereit, aus dem Dienstfrei einzuspringen, so die Pflegenden.

UKE-Brandbrief: Ver.di stützt Pflegekräfte

Stefanie Ullmann, bei der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg zuständig für Krankenhäuser, erklärte am Dienstag anlässlich des Briefes, aus dem UKE berichteten Pflegende der Gewerkschaft „von einer immer stärkeren Belastung“. Ullmann zufolge ziehen deshalb Pflegende „immer häufiger die Flucht aus dem Beruf in Betracht“.

Dienstpläne müssten verbindlich sein, „damit Erholung sicher gestellt ist und die Arbeitsbelastung nicht ins Unermessliche steigt“, so Ullmann. „Wir erwarten, dass der Vorstand des UKE dieses Signal erkennt und sich mit Nachdruck und Ernsthaftigkeit für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzt.“

UKE: Tägliche Abstimmung zwischen Ärzten und Pflegenden

Die Pressestelle des Universitätsklinikums teilte auf Abendblatt-Anfrage mit, es hätten zum Thema Entlastung bereits Gespräche stattgefunden. „Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und die Versorgung unserer Patient:innen stehen dabei klar im Vordergrund.“

Es finde eine tägliche Abstimmung zwischen Ärzten und Pflegenden statt, „um die Belegung situativ anzupassen“, so das UKE. „Dadurch konnten wir bereits seit dem Sommer die durch die Versorgung der Covid-19-Patient:innen bestehende Belastung in der Intensivpflege reduzieren. Die Pflegepersonaluntergrenzen halten wir in der Intensivpflege im geforderten Monatsdurchschnitt ein. Wir berücksichtigen bei der Dienstplanung die Wünsche der Mitarbeitenden und die betrieblichen Aspekte.“

Das UKE werde „auch weiterhin in gemeinsamen Gesprächen Lösungen erarbeiten, um die Wünsche der Mitarbeitenden und die betrieblichen Aspekte in eine gute Balance bringen“.

Hamburgs Linke fordern Pflegebonus

Unterdessen steht die drohende Überlastung der Intensivstationen auch auf der politischen Agenda. Am Mittwoch wird die Linksfraktion einen Antrag zur Unterstützung der Pflegekräfte in die Bürgerschaft einbringen. „Pflegekräfte sind am Ende ihrer Geduld und auch jeder Hoffnung, dass sich ihre Arbeitsbedingungen verbessern“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Deniz Celik.

„Viele fliehen geradezu aus dem Beruf, den sie eigentlich lieben und den sie gerne weiter ausüben würden – wenn denn die Arbeitsbedingungen besser wären.“ Gerade angesichts der vierten Welle innerhalb der Corona-Pandemie sei diese Situation „fatal“, so Celik: „Wir dürfen nicht noch mehr Pflegekräfte verlieren – im Gegenteil: Wir müssen sie zurückgewinnen. Dafür muss die Stadt Hamburg als Arbeitgeberin jetzt alle Register ziehen, und sich stark machen für verbindliche Entlastungsvereinbarungen im UKE und bei Asklepios.“ Es sei nun ander Zeit für einen Pflegebonus: „Und das heißt für uns: Brutto = Netto bis zum Ende der Pandemie.“