Hamburg. Das Juzena in Neuallermöhe kämpft seit Monaten gegen die Nagetiere – ohne Erfolg. Welche Optionen nun diskutiert werden.
Bergedorfs Bürgerschaftsabgeordnete haben es geschafft, 450.000 Euro aus dem investiven Quartiersfonds für den maroden Jugendclub Clippo Boberg zu sichern. Das weckt Begehrlichkeiten, denn auch das Juzena am Sophie-Schoop-Weg steht längst auf der kommunalen Liste sanierungsbedürftiger Gebäude, sagt Leiterin Carola Kludasch. Und nicht nur das: Seit Monaten kämpft das Haus der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit einer Rattenplage. Laut Bezirksamt ist die sehr hartnäckig.
Dass das Haus nach den Sommerferien 2021 vom Amt geschlossen wurde, habe einen „ober-ekligen“ Grund: Wegen der Rattenplage sei bereits vor einem Jahr ein Kammerjäger gerufen worden. Sein Erfolg fiel indes anders aus als erhofft. Zwar verendeten einige Ratten, die überlebenden Nager räumten jedoch nicht das Feld. Allein drei tote Ratten wurden in der Küche, hinter dem Kühlschrank, gefunden. Andere in den Lüftungsanlagen des Büros. „Der zweite Kammerjäger sagte uns dann, dass sich die meisten wohl unterm Haus befinden, wo es kein richtiges Fundament gibt.“
Gesundheitsgefahr: Rattenplage und Verwesungsgeruch im Jugendzentrum
Bei Dienstantritt werden nun also erstmal eine Stunde lang die Fenster geöffnet, denn schlimm sei vor allem der Verwesungsgeruch – auch im Heizungsraum, bei den Toiletten und im Sicherheitsraum, wo die Waschmaschine steht. Alles Schrubben habe nicht geholfen. „Das ist seit sieben Monaten eine absolute Zumutung. Eigentlich müssten die Lüftungsschächte aufgerissen und gesäubert werden und aus den Aluwänden die Dämmwolle ausgetauscht werden“, meint Carola Kludasch.
Aus ihrer Sicht hätte längst etwas getan werden müssen: „Seit zwölf Jahren höre ich, das Juzena stehe im kommenden Jahr ganz oben. Aber es passiert nichts, das Amt hält uns nur hin. Wahrscheinlich waren die Boberger einfach lauter.“
Gutachten bestätigt: Für eine Sanierung sind 800.000 Euro erforderlich
Dabei ist auch im Bergedorfer Rathaus längst bekannt, dass es mit Elektrik und der alten Heizung große Probleme gibt, so Kludasch: „Regelmäßig regnet es im Foyer und im offenen Bereich durch die Lampen, zuletzt auch im Büro, direkt bei der Telefonanlage und den Steckdosen. Zudem hat der Regen den Fußboden im Musikraum total aufgelöst, kommt es seit knapp 16 Jahren häufiger zum Kurzschluss, gibt es nur noch Dämmerlicht.“
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Vor zwei Jahren habe ein Gutachten bestätigt, dass eine Sanierung für 800.000 Euro erforderlich wäre: „Vielleicht wäre ein Neubau sogar sinnvoller“, meint die Sozialpädagogin, für die feststeht: „Elektrik, Wasser und Kinder passen nicht zusammen. Die Verantwortung wollte ich nicht mehr tragen.“ Seither ist das Haus dicht.
Paradies für Ratten: die Nähe zum Fleet, dazu dichtes Gestrüpp und viel Müll
Ganz aussichtslos sieht das Bezirksamt die Sache indes nicht – wenn auch ein Neubau nicht in Planung ist: Für eine Sanierung stünden jetzt immerhin 500.000 Euro aus dem investiven Quartiersfonds bereit, sagt Rathaussprecher Lennart Hellmessen: „Weitere 500.000 Euro aus dem Rise-Programm zur Stadtentwicklung können für Erweiterungen des Komplexes eingeplant werden.“ Ein Gutachten, das auch Klimaverbesserungen berücksichtigt, werde „schnellstmöglich in Auftrag gegeben“.
Das Problem mit den Ratten wird sich so jedoch kaum lösen lassen. Die Nähe zum Fleet, dazu dichtes Gestrüpp und viel Müll, sind für Ratten ein Paradies.
Als Interimslösung sind die Jugendlichen nun viel im benachbarten Skatepark der TSG, machen Stadtspaziergänge oder Ausflüge – eine Art „Event-Straßensozialarbeit“ der Betreuer. Wie aber geht es weiter? „Die Kids drehen langsam durch, wenn wir nicht bald wieder richtig öffnen dürfen“, meint Sozialpädagogin Kludasch: „Immerhin stellen wir jetzt den Kicker und den Billardtisch in den Saal. Das geht, wenn es nicht regnet.“
Ratten vermehren sich rasant und sind meldepflichtigRatten können mit einem Biss mehr als 100 Krankheiten übertragen. Zudem gehen sie an Vorräte, werden von Vogel- und Hühnerfutter angelockt. Wie viele Ratten in Städten leben, darüber herrscht Uneinigkeit, manche Experten halten zwei Tiere je Einwohner für realistisch. Als sicher gilt: Die bei uns verbreiteten Wanderratten sind nach drei Monaten geschlechtsreif und können je Wurf 20 Junge bekommen. 106 Bergedorfer Grundstückseigentümer meldeten dem zuständigen Institut für Hygiene und Umwelt (HU) 2020 einen Rattenbefall, mehr als 2018 und 2019. Im vergangenen Jahr waren es etwas weniger (77). Möglicher Grund: Grundstückseigentümer wissen nicht, dass jede gesichtete Ratte meldepflichtig ist. Oder sie scheuen die Kosten. Ratten sind nach dem Infektionsschutzgesetz bekämpfungspflichtig. Eigentümer wie Mieter müssen den Befall melden: schaedlingsbekaempfung@hu.hamburg.de oder Telefon 040/428 45 79 72. |