Bergedorf. Julia Weissenhorner (54) und Janka Davids sind wohlbehalten aus Rom zurück. Worauf sie sich am meisten gefreut haben.

Die Rucksäcke sind ausgepackt, die Wanderschuhe weggestellt, und „Emil“, ihr Zelt, ist im Keller verstaut: Die beiden Pilgerinnen Julia Weissenhorner (54) und Janka Davids (49) sind glücklich und gesund wieder zurück in Bergedorf. Am Dienstagabend haben sie ihre Ehemänner nach drei Monaten und 2000 gegangenen Kilometern von Stade nach Rom auf dem Bahnsteig in Bergedorf endlich wieder in die Arme schließen können.

„Nach Hause kommen und ein Zuhause haben sind ein großes Glück“, sagen beide. Ihre Liebsten haben sie sehr vermisst. Genauso wie die Gespräche. „Das erste Schwarzbrot mit Käse vom Markt und die erste Nacht im eigenen Bett waren ein Traum“, sagt Janka Davids. Darauf habe sie sich schon die ganze Zugfahrt über gefreut.

Pilgerinnen aus Bergedorf sind wieder zurück aus Rom

Die Rückfahrt nach Hamburg war für beide noch einmal sehr emotional. Es tauchten viele Erinnerungen auf. Die Strecke, die sie zwölf Wochen zu Fuß gegangen waren, flog innerhalb von Stunden an ihnen vorbei. „Das war wie im Zeitraffer und fühlte sich viel zu schnell an. Da kommt das eigene Erinnerungsvermögen kaum hinterher“, sagt Janka Davids ein wenig wehmütig. Um so mehr gehe es jetzt darum, sich ein Teil des entschleunigten Lebensgefühls im Alltag zu bewahren: „Ich habe mir vorgenommen, öfter mal nichts zu tun, mich treiben zu lassen, mehr abzugeben und weniger Überstunden zu machen“, sagt Grafikdesignerin Julia Weissenhorner.

„Ich bin gespannt, ob mir das gelingt.“ Bis sie und die Polizistin Janka Davids die Arbeit im November wieder ruft, haben die beiden Frauen keine Termine, keine Verpflichtungen: „Nur ein bisschen mit unseren Männern spazieren gehen, engste Familie und wenige Freunde treffen, Tee trinken, Musik hören und faul in der Badewanne liegen“, sagt Julia Weissenhorner. Darauf und auf ihre elektrische Zahnbürste hat sie sich schon besonders gefreut. „Ansonsten aber braucht der Mensch gar nicht so viel“, ist die 54-Jährige überzeugt und war selbst über all den Platz und die Dinge in ihrem Haus erstaunt.

Pilgern ist beten mit den Füßen – und von Gott getragen werden

Der Apennin bietet den Pilgerinnen lehmige Böden bis zum Gipfel.
Der Apennin bietet den Pilgerinnen lehmige Böden bis zum Gipfel. © Privat | Privat

Die Pilgerreise hat viel in Bewegung gesetzt – in ihnen und bei anderen. „Meine Kinder haben sich auch auf den Weg gemacht. Meine Tochter tourt gerade mit Interrail quer durch Europa. Mein Sohn pilgert auf dem Camino Primitivo, einem anspruchsvollen Teil des Jakobswegs in Spanien“, erzählt Janka Davids. Immer wieder sind ihnen Menschen begegnet, die von ihrem Mut beeindruckt waren und angeregt wurden, ihre eigenen Wünsche noch einmal zu überdenken.

Sie sind dankbar und glücklich, so viele Spuren auf ihrem Weg hinterlassen zu haben. Die Novemberzeit wollen sie nutzen, um den Blick weiter nach innen zu richten und um Erinnerungen an die Reise und die vielen wunderbaren Begegnungen und Naturerlebnisse wach zu halten: „Wir haben durchweg nur gute Erfahrungen gemacht. Damit hätte ich tatsächlich nie gerechnet. Mein Blick auf Menschen hat sich verändert. Wir alle lieben zu geben – auch an fremde Pilgerinnen. Nehmen erscheint zweitrangig. Wir mussten das Annehmen erst einmal lernen“, sagt Julia Weissenhorner.

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Zweifel an einem guten Ausgang hatte die gläubige Christin Janka Davids zu keinem Zeitpunkt ihrer Reise: „Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, von Gott getragen zu werden.“ Pilgern sei Beten mit den Füßen, egal wo man geht. Pilgern können sie jedem empfehlen – Gläubigen und Nichtgläubigen. Ihren Pilgerweg, die Via Romea von Stade nach Rom, legen sie jedem nah, der es einsam mag. Und jeder, der immer schon mal Deutschland anders und besser kennenlernen wollte, sollte seinen Rucksack schultern, die Wanderschuhe schnüren und sich auf diesen Weg machen.