Boberg. Nach Polizeieinsätzen am Boberger See gegen Exhibitionisten gibt es Aufregung in der Schwulen-Szene. Die Beamten beruhigen.
Mal standen die Männer halb im Wasser, als sie sich vor den Frauen am Strand entblößten. Und mal täuschten die Sextäter „Gymnastikübungen“ vor, während sie an sich herumspielten: Insgesamt 17 Fälle von Exhibitionismus am Boberger Badesee sind in diesem Jahr bereits am Bergedorfer Polizeikommissariat 43 aktenkundig geworden. Zum Vergleich: In 2020 waren es „nur“ fünf.
Doch die neue Polizeipräsenz mit Polizistinnen als Lockvögeln, mit Zivilbeamten und auch mal der Pferdestaffel begeistert nicht alle: In der Community der Homosexuellen, die sich gern im südwestlichen Bereich des Badesees trifft, gibt es offenbar Sorge um die angestammten Treffpunkte – und auch vor Diskriminierung.
Sorge um Treffpunkt: Polizeipräsenz am Boberger See ärgert Schwule
Der „Pinkchannel“, ein Radiosender von und für Schwule und Lesben, lud deshalb jetzt den Vize-Chef des PK 43, Bernd Kies, zum Interview ein. Kies sowie Marco Burmester-Krüger (Ansprechpartner bei der Polizei für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen) stellten sich den Fragen des Redakteurs Wolfgang Krömer.
Seit Langem ist der südwestliche Bereich des Badesees ein Treffpunkt für FKK-Fans, aber auch für Schwule, die sich zum „Cruising“ – also auch zum Suchen eines Sexpartners – dort treffen. Das wird zwar geduldet, doch der Grat zur öffentlichen Belästigung kann schmal sein. Denn der Boberger See ist ein beliebtes Ausflugsziel, auch Familien mit Kindern nutzen ihn.
Sex in der Öffentlichkeit erlaubt? Nur wenn es keiner sieht
Und so wollte Redakteur Wolfgang Krömer unter anderem wissen, welche Handlung denn bei so einem Polizeieinsatz überhaupt „zu Anstoß führen könne“. Die Polizisten stellten dabei klar: Homosexuelle stehen keinesfalls im Fokus der Polizeiarbeit. Ganz unabhängig von der sexuellen Orientierung gelte: Wenn es zu sexuellen Handlungen komme, die ein anderer nicht sehen wolle, könne die Polizei einschreiten.
„Jeder kann sich öffentlich verhalten wie er will – solang er niemanden stört“, bekräftigt Bernd Kies auch gegenüber unserer Zeitung. Tatsächlich habe es durch die Polizeimaßnahmen auch keinerlei Beschwerden aus der Schwulen-Community gegeben. Wohl aber gebe es offenbar eine diffuse Sorge um den Schwulen-Treffpunkt durch die Polizeipräsenz.
Bereits 17 Anzeigen und Beschwerden wegen Exhibitionisten
Doch die Sorge sei unbegründet, betont die Polizei. Die Ausgangslage ist eine andere und habe nichts mit dem Ort selbst und seiner Nähe zum Schwulen-Treffpunkt zu tun: Schon länger habe es, so Kies, „viele Anzeigen von Frauen“ gegeben, die sich durch Exhibitionisten am Badesee belästigt fühlten. Mit insgesamt 17 Fällen (Beschwerden und Anzeigen) liegt dieses Jahr erkennbar weit über dem Wert von 2020 mit fünf Fällen. Solchen Belästigungen – also Handlungen ohne Einvernehmen – galt das Augenmerk bei den Kontrollen. Denn das sind Straftaten.
Und der Erfolg gibt der Polizei Recht: An einem einzigen Tag im Juli konnten die Beamten, wie berichtet, vier Sextäter am Badesee festnehmen. Insgesamt gab es 2021 bereits zwölf Festnahmen; in den anderen Fällen laufen die Ermittlungen. Alle Festgenommen waren „neue“ Täter, es war also nicht etwa die Serie eines Einzelnen.
Polizei will weiter am Boberger See Präsenz zeigen - auch in Zivil
Die hohe Fallzahl habe die Polizei „auch überrascht“, so Bernd Kies. Offenbar gibt es ein handfestes Problem an dem Badesee mitten im Naturschutzgebiet. Und so werde die Polizei auch weiterhin am See präsent sein – in Zivil oder auch mal mit der Pferdestaffel. Inzwischen ist das bei den Exhibitionisten offenbar auch angekommen: Seit Längerem habe es keine Anzeige mehr gegeben, sagt Bernd Kies.