Bergedorf. Nicht nur viele Menschen sollen eines Tages in Oberbillwerder leben, sondern auch einige Tiere.
Nicht nur bis zu 15.000 Menschen sollen spätestens Ende der 2030er-Jahre im dann komplett fertiggestellten Oberbillwerder leben. Die bauverantwortliche Projektgesellschaft IBA Hamburg steckt derzeit nicht nur in den Feinarbeiten der Planungsphase, sondern bedenkt dabei auch, welche tierischen Bewohner im neuen Stadtteil leben wollen. Eine erste Vorauswahl sieht dabei 20 Tierarten vor, die sich im Stadtteil der Zukunft ansiedeln sollen.
Wie das funktionieren soll und wer dort beste Lebensbedingungen vorfindet, dazu forscht das Planungsbüro „Studio Animal Aided Design“ (AAD) – das steht für „Integration von Tieren in die Planung und Gestaltung“ von Oberbillwerder. Die Forschung ergründete anderenorts bereits die Rolle von Tieren bei der Gestaltung von urbanen Räumen. Zunächst hat AAD unter anderem bestehende Landschaften und Biotope in Oberbillwerder analysiert und ausgewertet, daraus wiederum ergibt sich dann die Benennung von „Zielarten“.
Das Mega-Bauprojekt soll Ende der 2030er-Jahre fertig sein
Insgesamt gab es zunächst nach Auskunft von Lisa Brunnert, Projektmanagerin Freiraumplanung bei der IBA, die Auswertung des lokalen Artenbestands. In einem Radius von 20 Kilometern um die künftige Retorten-Stadt wurden 165.955 Sichtungen von Tieren verzeichnet. Die Tierarten, die am häufigsten angetroffen wurden: 284 verschiedene Vogelarten, dann 281 Schmetterlinge-Vertreter sowie 54-mal Säugetiere inklusive Fledermäuse.
Daraus ergibt sich folgende Zielartenauswahl für Oberbillwerder: 12-mal Vögel, dreimal Säugetiere, dreimal Fisch/Molch/Frosch und zweimal Insekten sind darauf vertreten. Diese Liste sei „flexibel“, betont die IBA-Planerin, und weist auf die „Schlepptauarten“ hin, also Arten, die möglicherweise durch die Nischenräume der Zielarten ebenfalls passenden Lebensraum vorfinden.
Wo sich Maskenbiene und Teichrohrsänger wohl fühlen können
Zur Arbeit des Planungsbüros gehört insofern auch die Grundlagenermittlung. Das bedeutet: Welchen Lebensraum könnten die unter anderem ausgewählten Dorngrasmücken, Teichrohrsänger oder Maskenbienen idealerweise in dem Gebiet vorfinden?
Mit 28 Hektar Grün- und Freiflächen der insgesamt verfügbaren 118 Hektar scheinen genug Habitate zu bestehen. Etwa eignen sich Gräben und Kanäle Oberbillwerders bestens für Grasfrosch, Teichhuhn oder den Neunstacheligen Stichling. Der Grüne Loop, also das durchgängige grüne Gewissen des Stadtteils, wiederum für Eichhörnchen und Zitronenfalter. Ebenfalls als Lebensräume für Tiere kommen Dächer, Gärten und Höfe in Frage.
Forscher erstellen die möglichen Artenprofile für das Mega-Bauprojekt
„Nun geht es daran, sogenannte Artenprofile zu erstellen“, ergänzt Lisa Brunnert. Ein Beispiel wurde zuletzt von ihr im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt für das Rotkehlchen. Für den Singvogel wurden verschiedene Standortfaktoren nach Lebensphasen aufgezeigt. Wo finden diese Vögel ideale Bedingungen zum Brüten, Nisten oder zum Überwintern vor?
Karen Pein, IBA-Geschäftsführerin, erklärt den Mehrwert des AAD anhand eines Beispiels der Fischbeker Reethen, einem weiteren IBA-Wohnprojekt: „Wir konnten dort beispielsweise die Fledermaus als wesentliche Zielart definieren. Dort soll es lange Baumallein geben.“
Gegner des Mega-Bauprojekts wollen demonstrieren
Ob das AAD die Gegner Oberbillwerders, die jegliche Bebauung und Versiegelung der Kulturlandschaften nördlich von Neuallermöhe ablehnen und befürchten, dass durch den Innovationsstadtteil Lebensraum für geschützte Pflanzen- und Tierarten zerstört wird, milde stimmt, scheint ausgeschlossen. Für Ende September ist die Protestaktion „Oberbillwerder stoppen“ einer Initiative geplant.