Bergedorf. Mehr Befragungen, Versammlungen, Teilhabe: Die Jugend muss bei Beschlüssen stärker einbezogen werden - schon von Gesetzes wegen.

Das Kinderhaus am Grasredder macht es vor: „Wir sind gerade dabei, ein Jugend-Parlament aufzubauen und müssen gucken, welche Mitgestaltung möglich ist“, erzählte Leiterin Kathrin Hettwer dem Bergedorfer Jugendhilfe-Ausschuss. Auch da hat sich längst herumgesprochen, dass „ein Recht auf Kindheit und Jugend“ im Sozialgesetzbuch fest verankert ist. Doch die wenigen Versuche, im Bergedorfer Rathaus ein Jugend-Parlament einzurichten, waren nicht sehr erfolgsverwöhnt. Es ist schwierig, meint Ausschuss-Vorsitzender Stefan Thomsen: „Vielleicht sind drei engagiert, aber dann verlieben sie sich oder bekommen eine Lehrstelle.“

Auch bei der Oberbillwerder-Planung sollte die Jugend mitreden

Ein Jugend-Parlament dürfe keine Worthülse sein, „kein scheindemokratisches Palaver“: Mehr Ernsthaftigkeit fordert Prof. Dr. Gunda Voigts ein, die an der HAW Soziale Arbeit lehrt: „Junge Menschen haben einen ganz anderen Blick auf die Welt, in der sie leben. So braucht es mehr partizipative Verfahren wie Versammlungen, Zukunftswerkstätten oder Befragungen.“ Und das dürfe keineswegs an finanziellen Mitteln scheitern: „Im neuen Stadtteil Oberbillwerder etwa dürfen nicht nur kapitalistische Unternehmen ihre Kohle rausziehen, sie sollten auch die Verfahren für eine Jugend-Beteiligung finanzieren.“ Mit einer Satzung und Finanzmitteln ausgestaltet, sollten die Ideen der Jugend dann auch ihren Weg ins Erwachsenen-Parlament, also in die Bezirksversammlung, finden.

Dass sich auch der Ausschuss mit allen Angelegenheiten der Jugendhilfe zu befassen habe, ist in Bergedorf derzeit Diskussionsthema. Denn wie berichtet will das Bezirksamt das Lohbrügger Spielhaus am Kurt-Adams-Platz schließen, hatte zuvor aber nicht mit dem Träger und dem Förderverein der Einrichtung gesprochen und auch die Lokalpolitik nicht einbezogen. Auf Druck des Ausschusses kam es nachträglich zu einer Anhörung aller Beteiligten mit dem Ergebnis, dass es für ein offenes Kinder-Angebot durchaus weiterhin Bedarf gebe. „Dieser Auswertung möge auch die Bezirksversammlung zustimmen“, so Thomsen, der zwar sieben Stimmen gewinnen konnte, aber auch vier Enthaltungen kassierte: Die Koalition verweigerte sich.

Jugend und der Ausschuss müssen einbezogen werden

„Diese Auseinandersetzung in Bergedorf ist voll im Trend. Aber muss man wissen, dass hier ganz klar gegen ein Gesetz verstoßen wird“, betonte Dr. Gunda Voigts, denn bei solchen Entscheidungen müsse ebenso die Jugend wie auch der Ausschuss einbezogen werden. Hinzu komme als unabdingbare Voraussetzung für eine gute Beteiligung eine bezirkliche Jugendhilfeplanung. Doch hier sei auch Bergedorf „nicht gut ausgestattet“.

Das sei bereits bemerkt worden, so Thomsen: „Meines Wissens hat die Verwaltung bei der Finanzbehörde eine Personalstelle beantragt. Mit Glück werden wir nach dem Sommer mit Mitteln für die Jugendhilfe-Planung versehen.“ Unterdessen beklagt die Bergedorferin Jennifer Jasberg, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bürgerschaft, dass im Bundestag keine Zweidrittelmehrheit zustande kam, um die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen: „Es ist ein Armutszeugnis der Großen Koalition, dass ihnen das misslungen ist.“ Sie erinnert daran, dass das Thema schon 2016 in Bergedorf aktuell war: „Damals gab es einen Grünen-Antrag in der Bezirksfraktion, um die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.“ Gerade in Corona-Zeiten, so Jasberg, hätten Jugendpolitiker, Verwaltung und Pädagogen „Rückenwind aus Berlin für ihre wichtige Arbeit gut gebrauchen können“.