Hamburg. Ist es tatsächlich erlaubt, ein denkmalgeschütztes Gebäude um zwei Etagen aufzustocken? Der Makler wirbt auf jeden Fall damit.

Eine schönes altes Haus steht mitten im Bergedorfer Zentrum zum Verkauf: Das „vollvermietete Wohn- und Geschäftshaus“, so lässt der Oststeinbeker Makler RN Immobilien GmbH wissen, wird für 4,7 Millionen Euro angeboten. Es steht „in allerbester Lauflage“ an der Alten Holstenstraße 62, direkt am City-Kreisel.

Derzeit finden sich im Erdgeschoss das kleine Café Bouquet sowie das Friseurgeschäft Goldene Schere. In der ersten und zweiten Etage sind jeweils zwei Wohnungen mit Gasetagenheizungen. Das unterkellerte Haus, dessen Fassade 2015 saniert wurde, steht unter Denkmalschutz. Umso mehr verwundert es, dass der Makler mit einer Aufstockung um zwei Etagen wirbt: „Ein positiver Bauvorbescheid für die Aufstockung eines 3. OGs sowie eines Dachgeschosses für jeweils zwei weitere Wohnungen liegt vor“, heißt es. Somit könnten 277 Quadratmeter hinzugewonnen werden.

Altes Armenhaus in Bergedorf wird zum Kauf angeboten

Darüber hatte es großen Streit in Bergedorfs Bauausschuss gegeben, denn längst nicht jede Fraktion wollte – je nach Perspektive – Spekulanten oder Investoren unterstützen: Die Linken waren dagegen, die Koalition schließlich enthielt sich der Stimme. Das Votum wiederum bringt die Denkmalschützer auf den Plan: „Eine Aufstockung des Gebäudes um zwei Etagen würde tief in die bestehende Bausubstanz eingreifen und dem Denkmal schaden. Auch der Status als denkmalgeschütztes Ensembles mit Nr. 64 würde dadurch gefährdet und schwer in das städtebauliche Erscheinungsbild dieser Straßenkreuzung eingreifen“, urteilt das Bergedorfer Kultur- & Geschichtskontor.

„Es liegt keine denkmalrechtliche Genehmigung für eine Aufstockung vor“, betont Denkmal-Gutachter Dr. Geerd Dahms.

„Freie Wohnung und freie Feuerung“ für bedürftige Frauen

Das Gebäude wird als Entrée zum Sachsentor gewertet, wo die gegenüberliegende Seite ebenfalls bloß zweigeschossig ist. Zudem recherchierten die Historiker eine interessante Geschichte, denn genau an dieser Stelle war 1696 das Bergedorfer Armenhaus als testamentarische Stiftung des Stadtschreibers Joachim Arnoldi errichtet worden. Dort vor dem alten Holstentor, außerhalb des Stadtgebietes, bekamen zehn bedürftige Frauen „freie Wohnung und freie Feuerung“.

Mit Aufhebung der Torsperre 1858 wurde das Grundstück höchst lukrativ: Bergedorf war gewachsen und anstelle des alten Armenhauses sollten prächtige Wohn- und Geschäftshäuser den Weg in das „Städtchen“ hinein verschönern. Als der Zigarrenfabrikant Johannsen das Gebäude kaufte, war es zum Abbruch bestimmt. Teil des Kaufvertrags war die Verpflichtung, an anderer Stelle ein neues Armenhaus zu bauen, wiederum außerhalb der Stadt an der Brunnenstraße, der heutigen Holtenklinker Straße.

Zuletzt schloss Juwelier Petek seine Türen

In dem 1888 anstelle des Armenhauses errichteten Gebäude, heute Alte Holstenstraße 62, waren über die Jahre die unterschiedlichsten Geschäfte ansässig. So beispielsweise in den 1950er-Jahren die Färberei und chemische Reinigung Dependorf, ein Damen- und Herrenfriseur sowie der Kaffee- und Teehandel Walter Messmer. In den 1990er-Jahren kamen Nähmaschinen Singer und der Blumenladen von Karin Garbers. Zuletzt schloss Juwelier Petek dort seine Türen, so konnte sich der Friseursalon vergrößern.