Hamburg. Der Tastenvirtuose füllt Konzerthäuser wie das Opera House oder die Elbphilharmonie. Auch Brad Pitt schätzt seine Musik.
„Vielleicht wäre ich auch ein guter Pilot geworden.“ Nils Frahm sagt diesen Satz wie selbstverständlich. Als er überlegt, in Boberg den Segelflugschein zu machen, ist er 14 Jahre alt. Seit mehr als sechs Jahren spielt der Börnsener da schon Klavier. Klassik. Doch das Interesse lässt als Jugendlicher rapide nach. Aber so schnell gibt sein Vater Klaus nicht auf.
Er kauft seinem Filius ein Keyboard, sein Sohn wechselt zu einer Klavierlehrerin nach Bergedorf – und lernt Jazz. „Du wirst mal schön Künstler“, sagt sein Vater zu ihm. Wahrscheinlich war dieser Satz des Papas nicht so ganz ernst gemeint. Doch er sollte recht behalten. Heute füllt Nils Frahm mühelos die großen Klassikhäuser dieser Welt.
Nils Frahm zu seiner Musik: „Es ist ein Mix aus allem“
Der 38-Jährige ist ein musikalischer Grenzgänger. Bei seinen Konzerten befinden sich ein Flügel, ein Klavier, mehrere Keyboards, Synthesizer und jede Menge Technik auf der Bühne. Mit diesem Instrumentarium kreiert er einen eigenen Sound. „Es gibt kein wirkliches Rezept“, sagt er. „Es ist ein Mix aus allem. Man muss meine Musik hören, um sie zu verstehen.“
Es ist Musik, die den Zuhörer mit auf eine Reise nimmt. Und mit der Frahm großen Erfolg hat. Zwischen Anfang 2018 und Ende 2019 geht er auf große Tournee, gibt mehr als 180 Konzerte: ob in London oder Paris, im Sydney Opera House oder der Elbphilharmonie in Hamburg. Und alle Konzerte sind dabei ausverkauft.
Der Vater ist begeisterter Musiker
Der Grundstein für seine Karriere wurde in Börnsen gelegt. Zu Hause gab es Gitarren, Mundharmonikas, Bongo-Trommeln und Rasseln. Der Vater ist ein begeisterter Musiker – und Autodidakt. Seine Kinder aber sollten Unterricht bekommen. Nils Frahm entschied sich für das Klavier. Er ging in die zweite Klasse, als er bei Nahum Brodski seine ersten Stunden erhielt. Der frühere russische Konzertpianist lebte bis zu seinem Tod ebenfalls in Börnsen. „Ich habe meinen Klavierlehrer geliebt“, sagt Nils Frahm.
Als dann die Liebe zur Klassik abnahm, wechselte er zu Karin Gerken. „Für mich ist sie immer noch die beste Jazz-Pianistin“, sagt Nils Frahm über die Diplom-Klavierlehrerin. Von der Rudolf-Steiner-Schule in Bergedorf, die er von der ersten bis zur 13. Klasse besuchte, waren es nur wenige Meter bis zu seiner neuen Lehrerin. Schon während seiner „schnoddrigen Jugend“ (Nils Frahm) war er musikalisch sehr vielseitig. „Wir waren eine Punkband, haben aber Jazz gemacht“, erinnert sich Nils Frahm und weiter: „Wir sahen aus wie die letzten Penner und rochen schlecht.“
Auftritt 1998 bei Wutzrock sowie in der Lola und im Café Flop
Es gab Auftritte in der Lola, im Café Flop und bei Wutzrock, wo er 1998 das Festival mit der Band „Funkkuchen“ eröffnete. Nach dem Zivildienst verließ Nils Frahm Hamburg und wurde Wahlberliner. Ein Studium der Musikwissenschaften brach er ab. Im Jahr 2005 erschien dann sein erstes Album: „Streichelfisch“. Bis heute sind es rund 20 eigene Alben, hinzu kommen 15 mit anderen Musikern. „Aber so genau wissen wir das selbst nicht“, sagt sein Manager Felix Grimm. Ende Januar erschien sein bisher letztes Werk: „Tripping with Nils Frahm“. Der gleichnamige Konzertfilm wurde von Brad Pitt koproduziert. Brad Pitt?
Nils Frahm hat sich auch als Komponist von Filmmusik einen Namen gemacht. So steuerte er zum Beispiel die Musik zu dem in einer einzigen Einstellung gedrehten Spielfilm „Victoria“ bei, der 2015 auf der Berlinale lief. Oder für den Tatort „Tiere der Großstadt“ (2018). Und eben auch für „Ad Astra – Zu den Sternen“ (2019) mit Brad Pitt. Zwar lieferte Nils Frahm nur zu einem Teil des Films die Musik, der Hollywoodstar Pitt aber zeigte sich von der Arbeit des Börnseners sehr angetan. „Er nimmt sich die Zeit, um die Kunst eines kleinen Hamburger Jung’ zu unterstützen“, sagt Nils Frahm über die Arbeit mit dem US-Schauspieler.
Anfrage für ein "Rockstar"-Computerspiel abgelehnt
Apropos Hollywood: Es gab auch Anfragen, die Nils Frahm ablehnte. „Mir ist es wichtig, dass ich die Rechte an meiner Musik behalte“, sagt er. „Und wenn ich merke, dass die Leute nicht mich wollen, dann will ich auch nicht mit ihnen arbeiten.“ So lehnte er auch eine Anfrage für ein „Rockstar“-Computerspiel ab.
Neben seinen vielen Projekten blieb Nils Frahm noch die Zeit, den „Piano Day“ ins Leben zu rufen. Eines Tages stand er im Stau und hörte im Radio vom Weltblumentag. Das brachte ihn auf die Idee. An jedem 88. Tag des Jahres – die Zahl entspricht der Anzahl der Tasten auf einem Klavier – gibt es Alltagsaktionen rund um das Piano. Selbst Paul McCartney hat an diesem Tag schon ein Foto von sich hochgeladen – natürlich am Klavier sitzend. Für den diesjährigen Piano-Tag am 29. März will sich Nils Frahm noch eine Überraschung einfallen lassen.
Corona-Jahr ist für Nils Frahm glimpflich verlaufen
Das Corona-Jahr 2020 ist glimpflich für ihn verlaufen. Nach seiner Welttournee wollte er sowieso eine Pause machen und zur Ruhe kommen. Gutes Timing, aber er weiß von Musikerkollegen, die auf Tournee gehen wollten – und dann war alles vorbei. „Die Klinge ist an mir vorbeigesäbelt. Das war reines Glück“, formuliert er es.
Er genießt es, einfach mal nichts zu tun. Mit seiner Frau Nina, mit der er seit sechs Jahren verheiratet ist, lebt Frahm im Berliner Randstadtteil Alt-Treptow. Er hat nun Zeit, um die Mutter und den Bruder in Hamburg zu besuchen. Oder den Vater in Börnsen. Dort, wo alles begann.
Musik von Nils Frahm gibt es unter anderem auf Youtube zu hören, aber auch bei Spotify.