Hamburg. Die „Hyper“-Ausstellung wird im Kleinen Saal musikalisch gespiegelt. Eine anregende Liaison zweier Kulturorte.
Der Kultursinn einer Stadt ist dann besonders stark zu spüren, wenn künstlerische Komplizenschaften entstehen. Wenn Ideen und Inhalte facettenreich durchgespielt werden. In Hamburg ereignet sich eine derart anregende Liaison gerade zwischen zwei Orten, die sich am Rande der HafenCity gewissermaßen gegenüberliegen. Die Deichtorhallen loten mit der „Hyper“-Ausstellung beeindruckend vielschichtig das Verhältnis von Kunst und Pop aus. Drei Konzerte in der Elbphilharmonie wiederum spiegeln die Schau nun musikalisch. Die unmittelbare Wucht, die eine Live-Show entfesselt, korrespondiert so mit den Bildern und Installationen, die sich in eigenem Tempo kontemplativ betrachten lassen.
Zum Auftakt der „Hyper“-Konzertreihe haben die Künstlerinnen Rosemarie Trockel und Thea Djordjadze gemeinsam mit „Hyper“-Kurator Max Dax einen höchst kontrastreichen Abend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie kuratiert. Die präsentierten Musiker sind alle auf ihre Weise von darstellender Kunst und deren Techniken beeinflusst – vor allem von der Frage, wie durch die Aneignung anderer Werke Neues entsteht.
Pulsieren zwischen Melodie und Störgeräusch
Was der Kunst ihre Appropriation, ist dem Pop das Sampling. Zeitgenössischer Meister darin, aus Versatzstücken einen eigenen Sound zu erschaffen, ist das skandinavische DJ- und Produzentenduo Den Sorte Skole. Für ihre Show „Ghosts & Robots“ verwenden sie Module aus Hunderten von Songs.
Von gregorianischen Chören bis zum Gesang des indischen Superstars Asha Bhosle, von den technoiden Pianofantasien eines Nils Frahm bis zum Krautrock von Faust. Einmal durch den Maschinenpark des Duos geschickt, entwickelt sich daraus ein intensiver Fluss an Impulsen. Als verwandelten sich die Interferenzen unserer digitalen Kommunikation in Musik. Ein Pulsieren zwischen Melodie und Störgeräusch, zwischen Ruhe und Rave. Optisch flankiert von Lichtstäben, die mit dem Sound korrespondieren. Einnehmend, anstrengend, umwerfend.
Kunst, die definitiv nachhallt
Letztlich bedeutet dieses kunstvolle Kopieren, sich zutiefst mit der Welt zu verbinden. Und sich vor den Kreationen der anderen zu verneigen. Dies tut auch Kristof Schreuf, Stilbildner der sogenannten Hamburger Schule. Auf seinem Album „Bourgeois With Guitar“ bedient er sich des kollektiven Popgedächtnisses. Er kreuzt etwa Fragmente von „Miss You“ der Rolling Stones derart eigen mit Disco und Punk, bis ein wunderbar rätselhafter Gitarrenpopsong entsteht. Sein hemdsärmeliger Humor bietet zudem einen hübschen Gegenpol zu dem konzentrierten Klanglabor, das nach ihm die Electro-Rock-Avantgardisten von Kreidler errichten.
Das Set des Quartetts beginnt überraschend mit einem Gastauftritt der gefeierten litauischen Sopranistin Asmik Grigorian. So ergreifend schön ihr Gesang ist, wirkt er doch merkwürdig unverbunden mit dem fulminanten Furor, den Kreidler im Anschluss an Schlagzeug, Gitarre, Bass, Synthesizern, Samplern und Computern erzeugen. Mit feiner Dynamik bauen sie rhythmische Muster und Melodien auf, bis minimalistische Monster entstehen, die den Körper in positiven Stress versetzen. Beim Hinausgehen sind viele Gespräche zu hören, die all die Details dieses Abends zu fassen versuchen. Kunst, die definitiv nachhallt.