Hamburg. Bewohner der Glasbläserhöfe wollen B-Plan-Verfahren für eine Schrumpfkur nutzen. Es soll mehr Lebensgefühl am Schleusengraben geben.
Gut 1250 Menschen sind es, die im Neubaugebiet der Glasbläserhöfe leben, dem ersten fertiggestellten Areal am Schleusengraben. Sie freuen sich über 550 Wohnungen mit versetzten Balkonen, teils am alten Kanal, und über Innenhöfe mit Spielgeräten für Kleinkinder. Eine solche Lebensqualität wünschen sie auch ihren künftigen Nachbarn, die ins 3,7 Hektar große Weidensteg-Quartier ziehen, das noch eine verwilderte Wiese ist.
„Aber dort ist ein massiv bebautes Gebiet mit bis zu sechs Geschossen geplant. Statt ursprünglich 325 sollen dort nun 744 Wohnungen entstehen“, kritisieren 40 Parteien, die in der „Eigentümergemeinschaft Glasbläserhöfe 8-10“ zusammengeschlossen sind, in einer Stellungnahme an alle Bergedorfer Fraktionen. Tenor: „Alles im Weidensteg-Viertel wird viel zu eng und zu dicht geplant.“ Die Politik soll das angelaufene Bebauungsplanverfahren für eine Schrumpfkur nutzen.
Weidensteg-Quartier: Rechtsgutachten spart nicht mit Kritik
Bereits im Sommer 2020 war die Bergedorfer Kanzlei Klemm & Partner von ihnen mit einem Rechtsgutachten beauftragt worden. Da wird das von den Investoren prognostizierte Verkehrsaufkommen bezweifelt, die knappe Einhaltung von Abstandsflächen bemängelt, die Auslegung der Baunutzungsverordnung aufs Korn genommen.
Das Gutachten warnt das Bezirksamt als verantwortliche Behörde, dass „die aktuelle Planung rechtlich nicht einwandfrei und angreifbar“ sei – sagt Oliver Bödeker im Namen der Eigentümergemeinschaft. „Es gibt einfach keinen Grund dafür, die gesetzlich festgelegte Obergrenze der Geschossflächenzahl von 1,2 hier zu überschreiten“ – und dann sogar gleich auf 2,14 zu gehen.
Nördlichster Wohnblock um ein Geschoss minimiert
Tatsächlich hat die Politik schon den nördlichsten Wohnblock um ein Geschoss minimiert, damit es zu weniger Verschattung kommt. Aber die Nachbarn fordern, dass grundsätzlich alle sieben Gebäudekörper des Weidenstegs um ein Vollgeschoss reduziert werden. Am liebsten sollten die Planer zudem „auf ein ganzes Gebäude verzichten, um mehr Freizeitflächen zu schaffen“. Schließlich gehe es ums Wohlfühlen.
Ein Innenhof etwa werde nur lebendig, wenn er groß genug ist, dass auch die Sonne hinkommt. „Aber deren Innenhöfe werden laut Planentwurf gerade mal halb so groß wie unsere“, fürchtet Oliver Bödeker.
Sportflächen und Freiräume bedenken
Nun kommt es der Eigentümergemeinschaft gerade recht, dass sich das Bezirksamt vorgenommen hat, gleichzeitig mit der Wohnbebauung künftig auch die Sozialräume anzuschauen, damit von Anfang an auch Sportflächen und grüne Freiräume bedacht werden. Fachfrau Regine Schilde nennt das „integrierte und integrative Sozialplanung“. Dazu gehören auch Kita-Flächen.
Da wurde bereits umgeplant, denn – wie berichtet – sollte die im Weidensteg angedachte Kita mit ihren 140 Plätzen eigentlich ein 840 Quadratmeter großes Außengelände bekommen. Weil das aber zu eng wird, sollen die Kleinen nun eine Grünfläche 150 Meter weiter am Schleusengraben nutzen.
Den wunderbaren Wasseranschluss nutzen
Zwar ist am Weidenbaumsweg ein Nahversorgungszentrum samt Drogerie und Supermarkt geplant, „aber andere Infrastruktur kommt oft Jahre zu spät“, meint Tanja Bödeker und denkt dabei nicht nur an den unvollendeten Radweg am Schleusengraben: „Den wunderbaren Wasseranschluss nutzen die Planer des Weidensteg-Viertels kaum. Dabei könnte es ein gemütliches Café am Schleusengraben geben und eine Treppe, wo Kanuten und Stand-Up-Paddler starten.“
Auch fehle es an Angeboten für die Jugend: „Wo sind die Tischtennisplatten, der Fußballplatz?“, fragt die Mutter eines Zwölfjährigen, der von den Glasbläserhöfen aus immerhin bald das neue Jugendzentrum Am Hohen Stege besuchen kann. Auch das jedoch wurde erst im Nachhinein geplant.
Ein bisschen mehr Lebensgefühl
Lieber jetzt als zu spät mögen die Planer um die Bauinvestoren Gerhard von Raffay und Hans-Werner Maas „ein bisschen mehr Lebensgefühl am Schleusengraben ermöglichen“, heißt es in der Stellungnahme der Nachbarn zum städtebaulichen Konzept. Noch bleibe Zeit.
Ob die Politik und Verwaltung das einfordern, bleibt abzuwarten: Die Umsetzung des B-Planentwurfs erwartet Baudezernent Uwe Czaplenski bis zur Jahresmitte. „Anschließend werden die Träger öffentlicher Belange um Stellungnahme gebeten, dann folgen die Auslegung und eine öffentlichen Plandiskussion“, erläutert Stadtplanungsausschuss-Chef Heinz Jarchow (SPD). Oliver Bödeker setzt im Namen der „Eigentümergemeinschaft Glasbläserhöfe 8-10“ darauf, dass die Einwände der Nachbarn spätestens in der öffentlichen Plandiskussion ernst genommen werden.