Bergedorf. Sicher geglaubte Fahrten gehen in schwierigen Zeiten verloren, weil Sozialbehörde und DRK Menschen kostenlos chauffieren.

Der spezielle Service eines Taxifahrers liegt nach Meinung von Alper Dogan darin, persönliche Dienstleistungen außer dem reinen Transport von A nach B anzubieten. "Wenn es sein muss, dann trage ich älteren Damen auch gern die Einkaufstaschen in den vierten Stock", erzählt der Mann, der seit 17 Jahren selbstständiger Taxiunternehmer ist.

Schwieriges Geschäft in Corona-Zeiten. Doch am meisten regt Dogan und seine Kollegen zurzeit der Shuttle-Service ins Hamburger Impfzentrum auf, den das Deutsche Rote Kreuz (DRK) im Auftrag der Sozialbehörde anbietet. Die Kritik: Bestimmten Taxifahrern werde so auch die letzte lukrative Fahrt weggenommen.

Die Fahrtkosten werden komplett von der Sozialbehörde übernommen

Der Impfshuttle des DRK fährt mit rollstuhlgerechten Spezialfahrzeugen, Krankentransporter und eben Taxis, die ausschließlich über Funkzentrale, beispielsweise von Hansa Taxi, bestellbar sind. Die Fahrkosten werden dabei komplett von der Sozialbehörde übernommen, das Angebot gilt vorwiegend für ältere Menschen, die nicht mehr mobil sind oder an einer körperlichen Behinderung leiden. Die Sozialbehörde kommt übrigens für beide Touren auf, also von zuhause zum Impfzentrum und wieder zurück. Rainer Barthel, Pressesprecher des DRK, verweist auf die Kompetenz bei Krankentransporten: "Wir sind deshalb von der Sozialbehörde als Kooperationspartner ausgewählt worden, weil wir neben unserem Fuhrpark auch geschultes Personal für solche Fahrten haben." Taxis sollen nur flankierend zum Einsatz kommen.  

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Weil das DRK Gratisfahrten zum Impfzentrum an den Messehallen anbietet, sind Alper Dogan vergangene Woche bereits drei Stamm-Fahrgäste abgesprungen. Pro Fahrt wären das bis zu 100 sichere Euro gewesen. "Wir Kleinunternehmer befürchten, dass sich das DRK unsere Fahrten zuschanzt und nach Gutsherrenart an wenige Fahrer vergibt. Meine Umsätze sind seit Pandemiebeginn um 50 Prozent zurückgegangen, weil solche Touren wie Kiezabende, Musical- oder Theaterabende und zum Flughafen derzeit wegfallen." 35 bis 40 Euro brachte eine solche "Rausreißer-Tour", wie sie in der Branche genannt werden, gerade an Wochenenden.

Taxi ist entsprechend der Corona-Bedingungen bestens ausgestattet

Heutige Arbeitstage umfassen mittlerweile 14 Stunden (statt üblicher 10 bis 12). "Die Abstände zwischen den Touren sind deutlich länger geworden", sagt Dogan. Statt einer halben sind es nun zwei Stunden. Heute mit Ach und Krach 150 Euro am Tag, früher normalerweise über 300 Euro. Wobei: "Viele Fahrgäste sagen mir, sie hätten im Taxi ein besseres Gefühl als im Öffentlichen Nahverkehr." Der Bergedorfer hat seinen VW Touran bestens ausgestattet, mit einer Scheibe aus Acrylglas zwischen Fahrersitz und Rückbank. Dort, wo maximal drei Fahrgäste aus einem Haushalt maskiert mitgenommen werden dürfen - aber wer ist heute groß unterwegs an Bergedorfer Hotspots wie dem Bahnhof?    

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Auch die erfahrene Taxiunternehmerin Ingrid Seele regt sich über den ungebetenen Vorstoß von Behörde plus DRK auf: "Das Rote Kreuz versucht massiv, überall hineinzukommen", sagt Seele, die in Bergedorf mit sechs Wagen am Start ist. Ihr Glück: Seele hat sich bereits vor der Corona-Krise unter anderem auf Krankenfahrten für Dialyse-,  Strahlen- oder Chemotherapie-Patienten spezialisiert. "Unglaublich, dass das DRK hier mitmischt. Natürlich können wir bestimmte Gruppen nicht befördern, aber unsere normalen Fahrten mit Stammkunden sollten sie uns nicht wegnehmen", so Seele.

Nur noch 2900 Taxen unterwegs - vergangenes Jahr waren es 3500

Dass das Jahr 2020 für Taxifahrer ohnehin schwer genug war, zeigt die Entwicklung. Insgesamt sind auf Hamburgs Straßen nurmehr etwa 2900 Taxen unterwegs - vor Corona waren es 3500. Das weisen Berechnungen des unabhängigen Landesverband Hamburger Taxiunternehmer (LHT) aus, der im schlimmsten Fall bei sogar von bis zu 70 Prozent Umsatzrückgängen bei Selbstständigen ausgeht. Im Landesverband sind aktuell 780 Fahrer aus 236 Taxiunternehmen organisiert. 

Dass die Not zum Teil unerträglich hoch bei den Berufskollegen ist, weiß Farid Ahmadi. Der Erste Vorsitzende des LHT hört von vielen Existenzängsten und Lebenskrisen: "Viele sind am Rande des Untergangs, beleihen als letzte Lösung ihre Lebensversicherungen", sagt er. Ahmadi findet den Ansatz der Sozialbehörde/DRK auch nicht zu Ende gedacht, appelliert aber auch an die Eigenverantwortung der Taxifahrer: "Es hängt im großen Maße auch davon ab, wie gut Einzelunternehmer organisiert und vernetzt sind." Deshalb solle sich jeder um eine Registrierung bei der Funkzentrale bemühen. Das garantiere aber nicht, dass Bergedorfer Kollegen die Fahrten auch bekommen werden.

Ali Simsek (SPD) hat Hilfe zugesagt

Sowohl LHT als auch Alper Dogan haben Kontakt zur Politik aufgenommen, Dogan beispielsweise zu Ali Simsek (SPD), Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft aus Bergedorf, der Hilfe zugesagt hat. DRK-Sprecher Barthel verweist nochmals auf die Zielstellung: "Wir müssen eine Beförderung sicherstellen und haben eine soziale, aber keine wirtschaftsfördernde Aufgabe."