Hamburg. Aufbereitung des Corona-Impfstoffes in den Messehallen gleicht dem Einsatz von Fett und Eiern bei einer Sauce Hollandaise.
Ganz langsam schwenkt Simon Bläse das kleine Fläschchen, ein sogenanntes Vial, über dem Labortisch. Der 28-Jährige hält ein wertvolles Gut zwischen seinen Fingerspitzen. Es ist der Stoff, den derzeit viele begehren und der diese Corona-Pandemie beenden könnte. Ganz genau beobachtet und angeleitet wird der ausgebildete Krankenpfleger dabei von Dr. Tankred Heimerl.
Etwa 45 bis 50 Ärzte und Ärztinnen sowie Medizinische Fachangestellte haben er und sein Team im Hamburger Impfzentrum in den Messehallen bisher angelernt. „Man braucht schon einige Schichten unter Anleitung, um den Impfstoff verantwortungsvoll ohne Aufsicht herzustellen“, sagt Heimerl.
Biontech: Impfstoffherstellung besteht aus vielen Schritten
Pia Sundermann steht hinter Ausbilder und Auszubildendem. Sie hat das Labor innerhalb des Impfzentrums mit aufgebaut. Für sie als Apothekerin sei das ein Traum gewesen: „Heimerl und sein Team haben die Impfstoffherstellung professionalisiert. Ich bin fasziniert davon, wie großartig sie hier arbeiten, sodass wirklich nur gut ausgebildete Leute in den mobilen Teams und hier in den Laboren den Impfstoff herstellen“. Die Impfstoffsubstanz werde morgens aufgetaut zum Labor geliefert. „Wie viel Impfstoff wir brauchen, wird genau berechnet“, so Sundermann.
Die Herstellung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst gilt es, das Vial genauestens zu begutachten: Stimmen Konsistenz und Farbe? Alle Verbrauchsmaterialien, also Kanülen, Spritzen und Alkoholtupfer, werden anschließend auf dem Labortisch ausgebreitet. Handschuhe zu tragen und regelmäßig zu desinfizieren ist Pflicht – alle Materialien müssen steril sein.
Das ist nichts für zittrige Hände oder Grobmotoriker
In einer leicht bogenförmigen Bewegung muss das Vial anschließend langsam geschwenkt werden. Das sieht leichter aus, als es ist. Das kleine Fläschchen sollte man dazu im Zangengriff zwischen Finger und Daumen halten, erklärt Heimerl. Wer leicht zittert oder grobmotorisch veranlagt ist, könnte schon dabei an seine Grenzen stoßen.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Dann beginnt der eigentliche Prozess, die sogenannte Rekonstitution des Corona-Impfstoffes. Dazu werden 1,8 Milliliter Kochsalzlösung vorsichtig in das Fläschchen injiziert. Die Spitze der Kanüle muss schräg an der Wand des Fläschchens anliegen, die Kochsalzlösung sollte dann wie ein Rinnsal in die Flüssigkeit fließen, erklärt Heimerl.
Vorsichtiges und langsames Arbeiten sind entscheidend
Anschließend wird das Vial erneut langsam geschwenkt. Dieser vorsichtige Umgang mit dem Impfstoff und das sehr langsame Arbeiten sind laut Dr. Dirk Heinrich, dem ärztlichen Leiter des Impfzentrums, entscheidend. Denn der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer besteht aus Lipidnanopartikeln, also kleinen Fettstückchen, an welche die mRNA geheftet ist. Die mRNA enthält unter anderem den „Bauplan“ des bestimmten Virusmerkmals (Virusantigen), mit dem der Körper dieses Antigen selbst produzieren kann.
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Wenn der aufgetaute Impfstoff geschüttelt würde, könne sich die mRNA wieder vom Fett lösen: „Das ist mit einer Hollandaise zu vergleichen. Wenn sich Fett und Eier bei dieser Sauce wieder trennen, ist das keine Sauce mehr. Löst sich die mRNA von dem Fett, ist das auch kein Impfstoff mehr“, sagt Heinrich.
Fällt Spritze auf den Boden, kann sie weggeworfen werden
Das sei insbesondere dann zu beachten, wenn der Impfstoff bereits rekonstituiert wurde. „Fällt die Spritze dabei oder danach auf den Boden, ist sie nicht mehr verwendbar“. Auch gegen die Spritze zu schnipsen, um die Luftblasen rauszuholen, sei verboten. „Mir ist allerdings keine Spritze bekannt, die runtergefallen wäre, und wir mussten auch noch keine verwerfen“, so Heinrich. Um den empfindlichen Impfstoff nicht zu gefährden, übten die Auszubildenden daher anfangs mit Spülmittel.
Nicht jeder könne auf Dauer so hochkonzentriert und genau arbeiten, sagt Tankred Heimerl: „Man braucht schon eine gewisse Neigung. Jemand, der sechs Stunden am Tag Impfstoff produziert, muss das auch gerne machen.“ Der 35 Jahre alte Chirurg hatte gerade seine Elternzeit beendet, als das Impfzentrum im Aufbau war. „Das finde ich natürlich schön, in der Heimat etwas für die Stadt zu tun“, sagt er. Hier könne er auch seine organisatorischen Fähigkeiten einbringen. „Das ist zwar nicht der OP, aber dieses akribische Arbeiten kommt dem schon nahe.“
Impfdosis muss genau 0,3 Milliliter betragen
Auch beim letzten Schritt der Impfstoffherstellung sollte jeder Griff sitzen: Aus der vorbereiteten Impflösung muss die richtige Impfdosis von 0,3 Milliliter gezogen werden – ebenfalls mit Spritze und Kanüle und wie immer: ganz langsam. Die Impfspritze wird dann in einer sterilen Nierenschale platziert und etikettiert. „Der Impfstoff sollte innerhalb einer Stunde verbraucht werden“, sagt Heimerl. Mit Kühltransportboxen werden diese zu den Impflingen transportiert. „Wenn man eine gewisse Routine hat, braucht man acht Minuten für ein Vial“ sagt Heimerl.
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Um die Fläschchen mit dem Biontech-Impfstoff besser nutzen zu können, hatte die europäische Arzneimittelbehörde EMA Anfang Januar zugelassen, dass sechs statt bisher fünf Dosen aus einem Vial von Biontech/Pfizer gezogen werden dürfen. Das klappe insbesondere in der Ausbildung nicht immer. „Es ist daher entscheidend, dass die Impfstoff-Herstellerinnen hier ehrlich sind. Sie sind diejenigen, die die Spritzen am Ende rausgeben.
Genauigkeit und Präzision erforderlich
Wenn es statt der geforderten 0,3 Milliliter Impfstoffflüssigkeit dann nur 0,27 Milliliter sind, sollte man die Spritze verwerfen. Da muss man sehr genau sein“, sagt Heimerl. Ein geübter Hersteller könne etwa 42 Impfspritzen in der Stunde produzieren.
Insbesondere abends stimme sich die Laborleitung aber ganz genau mit den Ärztinnen und Ärzten darüber ab, wie viele Dosen noch gebraucht werden, sagt Pia Sundermann. „Damit wir eine Punktlandung machen!“ Bisher sei das gelungen.
So buchen Sie den Fahrdienst zum Impfzentrum:
- Nach Vereinbarung eines Impftermins können Hamburger über 80 Jahre unter der Telefonnummer (040) 58 44 77 (Montag bis Sonntag, 8 bis 16 Uhr) ein Fahrdienst vereinbart werden
- Anrufer erreichen unter dieser Telefonnummer das Deutsche Rote Kreuz, das prüft, welche individuelle Unterstützung – wie etwa der Transport eines Rollstuhls – erforderlich ist. Nachweise müssen dafür nicht erbracht werden
- Zum vereinbarten Termin wird der Fahrgast am Wohnort abgeholt und zum Impfzentrum gebracht
- Der Fahrer wartet während der Impfung am Impfzentrum auf den Fahrgast und übernimmt auch die Rückfahrt zur Heimatadresse
- Die Anmeldung für den Fahrdienst sollte spätestens bis zu 24 Stunden vor dem Impftermin erfolgen
- Das Angebot steht auch für bereits vereinbarte Impftermine zur Verfügung