Hamburg. 4000 Plätze gibt es in Containerdörfern und Wohnanlagen. Ihre Bewohner leiden besonders unter Lockdown und Kontaktbeschränkungen.

Für viele ist die Corona-Krise die Fortsetzung der Leidenszeit. Zugewanderte, die wegen Krieg, Hungersnot oder politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen mussten, haben besonders stark unter der Pandemie und deren Folgen im gesellschaftlichen Leben zu leiden. Insbesondere die Eingrenzung der Kontakte sei für eine gelungene Integration in die deutsche Gesellschaft höchst problematisch, stellten Girija Harland vom Verein Bergedorfer für Völkerverständigung und Vertreter des sozialen Wohnraumanbieters „fördern und wohnen“ (f&w) im Sozialausschuss heraus.

Von etwa 4000 Plätzen in den Flüchtlingsunterkünften im Bezirk Bergedorf sind momentan fast alle belegt. 110 Corona-Fälle hat es seit März 2020 unter Bewohnern gegeben. „Dabei ist die Anzahl der Infizierten seit Oktober drastisch gestiegen“, weiß Mark Olof, Bereichsleiter für die Unterkünfte Altona, Bergedorf, Eimsbüttel, der gemeinsam mit Eva Fuchs, Leiterin der Unterkunft am Sandwisch, für f&w sprach. Rückblende: Aufgrund von sieben Corona-Fällen in der Flüchtlingsunterkunft Curslacker Neuer Deich wurden Mitte Oktober alle 320 Bewohner unter Quarantäne gestellt und getestet, zudem die Unterkunft von Polizei und Sicherheitsdienst überwacht.

In Bergedorf sind fast alle Flüchtlingsunterkünfte belegt

Möglicherweise hätte es sogar noch mehr Covid-19-Erkrankungen gegeben, hätte f&w nicht gleich zu Corona-Beginn mit mehreren Maßnahmen gegengesteuert. So habe sich sich die Einführung des Notfallmanagements als sehr effektiv erwiesen. Fuchs: „Diese kleinen Teams haben uns in den Unterkünften sehr viel Arbeit abgenommen.“ Damit sei insbesondere die Kommunikation mit den Gesundheitsämtern (Fuchs: „Diese Zusammenarbeit ist sehr gut“), die Erstellung von Lagebildern mit Infizierten und eventuellen Kontaktpersonen und auch die Versorgung von Bewohnern mit Dingen des täglichen Lebens, wenn Quarantäne angeordnet wurde, geregelt.

Lockdown-Regel in mehrere Sprachen übersetzt

„fördern und wohnen“ hat vorsorglich zwei Quarantäneorte eingerichtet. Auch dort werden die Menschen versorgt, zudem gibt es einen Wachdienst. Doch eine spezielle Kontrolle von Quarantäne-Anordnungen könne der soziale Dienstleister personell nicht leisten: „Da appellieren wir an die Vernunft der Bewohner“, sagt Mark Olof.

Wohl aber werden ständig aktuelle Lockdown-Regeln einfach und verständlich in mehrere Sprachen übersetzt und dann in den Unterkünften ausgehängt. Und auch infrastrukturell und technisch will f&w nachlegen, möchte schnell in allen Bergedorfer Unterkünften das WLAN-Netz ausbauen. „Wir wissen, dass das nicht überall ausreichend ist“, sagt Eva Fuchs. Doch dies sei zwingende Voraussetzung für die Teilnahme von Flüchtlingskindern am Homeschooling.

Während des Lockdowns gibt es keine Anlaufstellen für die Kommunikation

„Kinder möchten Kontakt zu anderen Kindern haben, deswegen wäre der Schulbesuch so wichtig“, verdeutlicht Girija Harland. Die erfahrene Bergedorfer Flüchtlingshelferin weiß, dass die Kontaktbeschränkungen den Menschen aus fernen Ländern derzeit am meisten wehtun. Sie hält Kontakte und Integration in unsere Gesellschaft für geboten.

Und: „Für die Kommunikation fehlen durch den Lockdown einfach Anlaufstellen“, sagt Girija Harland und denkt nicht nur an Schulen oder Behörden, sondern auch an Theater, Lokale und andere Ausgehstätten. Ebenfalls schwierig sei es zuletzt gewesen, für Flüchtlinge Praktika oder gar Ausbildungs- und Arbeitsstellen zu finden. Zu Online-Bewerbungsverfahren fehle vielfach der technische Zugang.

Ehrenamtliches Engagement ist schwieriger geworden

Weiteres Problem der Flüchtlingsunterkünfte: „Es besteht große Angst vor Ansteckungen mit dem Corona-Virus, weil es auf begrenztem Raum nicht so viele Rückzugsorte gibt.“ Auch in den eigenen Reihen, also bei Bergedorfer für Völkerverständigung, hat Harland (60) Engpässe bemerkt: Ehrenamtliches Engagement sei in den vergangenen zehn Monaten schwieriger geworden, weil viele Helfer im fortgeschrittenen Alter sind und damit zur Corona-Risikogruppe zählen.

Doch es brauche Helfer - auch in der Zeit nach dem Virus: Eine der größten Aufgaben bleibe es, bezahlbaren Wohnraum für Flüchtlinge zu finden. Viele Fremde müssten überdies lernen, „wie Wohnen in Deutschland funktioniert mit Sachen wie Mülltrennung, Treppenhausreinigung, Strom- und Gasabrechnungen und so weiter“. Harland warb dabei für den Einsatz der Wohnungslotsen und Helfern des Integrationsprojekts Wohnen, die gewöhnlich ein Jahr an der Seite der „Neu-Wohnungsmieter“ unterstützend bleiben.