Hamburg. Das mehr als hundert Jahre alte Observatorium gilt als bedeutendes Denkmal der Astronomie in Europa. Nun ist Eile geboten.

"Die Hamburger Sternwarte auf dem Bergedorfer Gojenberg ist ein Kulturdenkmal von internationalem Rang. Sie hat sogar die Qualität, von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt zu werden." Diese Worte des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz waren im Frühjahr 2007 eine Initialzündung: Der Traum von einen Welterbe in Bergedorf war geboren. Und den will der Hamburger Senat jetzt wieder aufgreifen.

Wie im Vorstoß der Bezirksversammlung vom November angeregt, soll die Sternwarte 2024 als Weltkulturerbe-Kandidat auf die Deutsche Vorschlagsliste kommen – nach stattlichen 17 Jahren.

Sternwarte zum Welterbe vorschlagen? 2012 fiel sie durch

Eine lange Zeit, die Prof. Dr. Gottfried Kiesow (1931-2011) schon 2007 bei seinem legendären Ausspruch auf dem Podium vom "Wirtschaftsforum" unser Zeitung in der Sternwarte andeutete. Denn er fügte noch etwas hinzu: "Das Potenzial dieses bedeutenden Observatoriums ist zweifellos da. Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß auf dem langen, steinigen Weg, an dessen Ende vielleicht die Nominierung zum Welterbe steht. Halten Sie durch."

Ein Ratschlag des renommierten Denkmalschützers, der mehr als wichtig war. Denn fünf Jahre und viele Expertentreffen samt Hunderte Seiten an Fachgutachten später ließ die Kultusministerkonferenz die Sternwarte 2012 zunächst einmal durchfallen. Obwohl von Hamburg nominiert, schaffte sie es damals nicht auf die Liste der Deutschen Vorschläge, die sogenannte Tentativliste. Zum Entsetzen der Bergedorfer wurde ihr 100 Jahre altes Observatorium vom Jüdischen Friedhof Altona ausgestochen. Der scheiterte seinerseits dann später an Einwänden der Unesco-Experten vom "International Council on Monuments and Sites" (Icomos).

Unesco erklärt großes Interesse an Welterbe aus der Astronomie

Ironie des Schicksals: Schon damals zeigte sich Icomos verwundert, warum Deutschland die bis heute zum Großteil von Astrophysikern der Universität Hamburg genutzte und durch ein Besucherzentrum für die Öffentlichkeit zugängliche Sternwarte aussortiert hatte. Denn die Unesco selbst erklärte großes Interesse an einem Welterbe aus dem bisher noch gar nicht vertretenen Bereich der Astronomie. Sehr gern auch in Form einer sogenannten seriellen transnationalen Bewerbung, also von zwei oder mehreren Sternwarten aus verschiedenen Ländern.

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Genau das lässt der Senat jetzt prüfen und greift dabei auch auf die umfangreichen Vorarbeiten von 2012 zurück. In seiner Mitteilung an die Bezirksversammlung heißt es, dass die Kulturbehörde – vermutlich in Person von Hamburgs Welterbekoordinator Bernd Paulowitz – und externe Experten bereits die Frage der Einzel- oder Serien-Bewerbung prüfen: "Ergebnisse werden voraussichtlich im Frühjahr 2021 vorliegen. Anschließend erfolgen gegebenenfalls die Aktualisierung des Tentativlistenantrags von 2012 und die erforderliche Senatsbefassung."

Hamburg muss den Antrag zur Nominierung bald einreichen

Eile ist geboten, denn verglichen mit den langsamen Mühlen des Denkmalschutzes muss jetzt alles blitzschnell gehen. Bis spätestens 31. Oktober hat Hamburg noch Zeit, den Antrag für die Sternwarte samt wissenschaftlichem Gutachten und den möglichen internationalen Partner-Sternwarten bei der Kultusministerkonferenz einzureichen. Die entscheidet dann, welche zehn Kandidaten aus Deutschland auf die neue, von 2024 bis 2033 gültige Tentativste kommen. Und sie legt auch das exakte Bewerbungsjahr fest. Denn gemäß der Statuten der Unesco darf Deutschland nur einen Kandidaten pro Jahr ins Rennen schicken.

Die Sternwarte in Bergedorf war seit ihrer Einweihung 1912 eines der bedeutendsten Observatorien Europas. Wichtig für die Hafenstadt Hamburg zur exakten Bestimmung der Zeit als Grundlage des Navigieren der vielen Schiffe, machte sie sich zudem einen Namen, weil von hier der Himmel über der gesamten Nordhalbkugel der Erde vermessen wurde. Heute gehört unter anderem die Suche nach einer zweiten Erde in den Weiten des Universums zu einem der Forschungsschwerpunkte.

Sternwarten in Russland und Argentinien als Partner-Observatorien

Als mögliche Partner-Observatorien für die Weltkulturerbe-Bewerbung gelten die Sternwarten von La Plata in Argentinien und Kazan in Russland. Sobald sie als Kulturdenkmäler von nationalem Rang eingestuft sind, könnte Bergedorfs Sternwarte auch als Teil der Anträge ihrer Heimatländer den Titel erlangen – dann ohne dass die Deutsche Kultusministerkonferenz die Chance hätte, den Traum erneut platzen zu lassen. 2012 soll sie das Observatorium übrigens deshalb aussortiert haben, weil in ihrem Expertengremium kein einziger Fachmann für Technikdenkmäler saß, dafür aber gleich mehrere für jüdisches Kulturgut.

Im Bezirk Bergedorf gehört die Weltkulturerbe-Bewerbung der Sternwarte zu den wichtigsten Projekten dieses Jahres. Was noch auf der Agenda 2021 steht, haben wir 37 Punkten zusammengefasst.