Hamburg. Bewegungsmangel und Übergewicht gelten als Risikofaktoren. Beides hat seit Beginn der Pandemie zugenommen. Dr. Jens Kröger im Gespräch.
Weltweit steigen die Diabeteszahlen. In Deutschland gilt der Typ 2 schon als Volkskrankheit. Gut acht Millionen Menschen sind daran erkrankt. Risikofaktoren für diese Diabetes sind Bewegungsmangel und Übergewicht – zwei Dinge, die seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen haben.
Doch damit nicht genug: Laut Dr. Jens Kröger, ärztlicher Leiter des ambulanten Zentrums für Diabetologie am Bethesda Krankenhaus und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes-Hilfe, erhöhen Diabetes und Adipositas das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei Covid-19. Und eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab, dass sich 38 Prozent der Erwachsenen in Deutschland wegen der Corona-Kontaktbeschränkungen weniger bewegen.
Diabetiker haben meist schwere Corona-Verläufe
„Die Hälfte von ihnen hat deshalb zugenommen“, sagt Kröger. Außerdem: „Ein Viertel der Deutschen hat bereits Adipositas, weitere 35 Prozent sind übergewichtig. Und jetzt fallen schon wieder für Wochen Bewegungsangebote in Vereinen oder anderen Sportstätten aus. Dazu gibt es soziale Kontaktbeschränkungen, die die Motivation zu mehr Bewegung und gesunder Ernährung weiter sinken lassen.“
Doch was hilft Betroffenen? Der Diabetologe empfiehlt die neuen CGM-Systeme. Das sind kleine Geräte, die den Blutzuckerspiegel kontinuierlich messen. „Viele Patienten sind motivierter etwas für sich zu tun, wenn sie anhand der Daten sehen, wie ihr Glukosespiegel etwa nach nur 30 Minuten Walken oder bei Alltagstäglichkeiten sinkt“, sagt Kröger, der diese Bereitschaft nutzt, sie für individuelle Ernährungs- und Bewegungscoachings zu motivieren. „Inzwischen finden diese Systeme immer mehr Verbreitung – und damit auch die Erkenntnisse bezüglich der Glukoseverläufe nach dem Verzehr von Mahlzeiten.“
Weltdiabetestag am 14. November – viele Online-Vorträge
Eine Gruppe nationaler Experten, unter denen auch Kröger ist, empfiehlt durch CGM unterstützte standardisierte Mahlzeitentests, um den Betroffenen zu verdeutlichen, wie Glukoseverläufe nach dem Verzehr verschiedener Lebensmittel sind. Ein Beispiel: Normalerweise wird einem Diabetiker eher Vollkorn- als Weizentoast empfohlen. Doch mithilfe eines Mahlzeitentests könnte herauskommen, dass eine bestimmte Person ein Weizentoast viel besser verträgt.
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Aus Krögers Sicht ermöglicht das Verfahren, den Nutzern ein Verständnis für die Reaktionen des Körpers auf einzelne Nahrungsmittel oder Mahlzeiten aufzubauen und in die Essgewohnheiten oder der Therapie einfließen zu lassen.
Dr. Jens Kröger wird am morgigen Weltdiabetestag (10 bis 19 Uhr) einen ausführlichen Vortrag zum Thema „Jeder Mensch ist anders – Erfahrungen aus der Corona-Pandemie“ über steigende Diabeteszahlen halten. Seine Forderung: „Betroffene und Risikopatienten benötigen individuelles Coaching zu Ernährung und Bewegung.“
Zu hören sind Jens Kröger und zahlreiche andere Referenten unter www.weltdiabetestag.de .
Die drei häufigsten Diabetes-Typen:
- Typ 1: Diese Diabetesform tritt besonders bei Kindern und Jugendlichen auf. Sie machen etwa 3 bis 5 Prozent der Patientenzahlen aus. Ursache für das Entstehen eines Typ 1 Diabetes sind vermutlich erbliche Veranlagung und eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Körpereigene Antikörper richten sich gegen die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse und zerstören diese. Die Körperzellen können keine Glukose mehr aufnehmen, der Blutzuckerspiegel steigt. Insulin muss zugeführt werden.
- Typ 2 ist die mit mehr als 90 Prozent häufigste Diabetesform. Risikofaktoren sind Übergewicht und Bewegungsmangel. Beides führt zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel und zu einer verminderten Insulinempfindlichkeit.
- Schwangerschaftsdiabetes: Bei dieser Form hat die Mutter einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel, der erstmals während der Schwangerschaft auftritt. In der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche nimmt hormonbedingt die Insulinempfindlichkeit der Zellen ab und der Blutzucker kann leicht steigen. Nach der Entbindung normalisiert sich der Blutzucker wieder, aber 30 bis 50 Prozent der Frauen entwickeln in den Folgejahren eine Diabetes. (Quelle: www.zuckerkrank.de)