Hamburg. Das Opfer war nahe eines Badesees niedergeschossen worden. Die Tat hatte für Bestürzung in Neuallermöhe gesorgt.
Zehn Schüsse peitschten plötzlich durch das Wohngebiet, an einem Sonntag, am helllichten Tag. Sechs der abgegebenen Kugeln trafen einen 28-jährigen Radfahrer, der wenig später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlag. Der Mann, der die Schüsse abgefeuert hat, ist am Dienstag vom Schwurgericht zu zwölf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe wegen Totschlags sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt worden.
Der Täter habe das Opfer an jenem Junitag des vergangenen Jahres „quasi hingerichtet“, weil er gezielt die Schüsse auf den Oberkörper des 28-Jährigen abgegeben habe, sagte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. Der Angeklagte Alexander R., Ex-Schwager des Getöteten, hatte im Prozess eingeräumt, auf das Opfer geschossen zu haben. „Ich gestehe die Tötung, und ich möchte sagen, dass es mir sehr leid tut", hatte der 34-Jährige gesagt
Auch das spätere Opfer war gewalttätig
Der Gewalttat in Neu-Allermöhe vorausgegangen seien immer wieder Streitigkeiten, weil das spätere Opfer Drohungen gegen seine Familie ausgestoßen und auch gewalttätig geworden sei. Insbesondere sei es um seine Schwester und deren Tochter gegangen. Sein Schwager habe nach der Scheidung seine Ex-Frau immer wieder belästigt und auch gestalkt. „Ich wollte meine Familie beschützen“, hatte Alexander R. gesagt. Am Tattag habe er zunächst seine Schwester und deren Tochter getroffen. Das Kind habe ihm erzählt: „Ich habe Angst vor Papa. Freitag hat er Mama geschlagen." Er sei danach „irgendwie sauer" gewesen, so der Angeklagte.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine lebenslange Haft wegen Mordes gefordert, ebenso wie die Nebenklage. Die Verteidigung hatte auf achteinhalb Jahre Freiheitsstrafe plädiert. Die Vorsitzende Richterin betonte, Mordmerkmale seien bei dem Verbrechen nicht festzustellen. Insbesondere sei der 28-Jährige nicht arglos gewesen, weil es schon lange Streitigkeiten gegeben habe. Damit liege keine Heimtücke bei der Tat vor. Der 34-Jährige habe an jenem Tag seinen Ex-Schwager zur Rede stellen wollen. Er habe die „ganze Situation provoziert“ und sei „quasi im Sinne der Selbstjustiz losgezogen“.
Der Angeklagte lässt keine Regungen erkennen
Das spätere Opfer habe bei dem anderen „die Waffe im Hosenbund gesehen und die Gefahr erkannt“. Gleichwohl habe er seinen Gegner verspottet und sich dann auf sein Fahrrad gesetzt, um wegzufahren. In diesem Moment habe Alexander R. sich spontan entschlossen, von der Waffe Gebrauch zu machen.
Bei dem Angeklagten waren während der Urteilsverkündung keine Regungen zu erkennen. Ganz anders die Familie des Opfers: Drei Angehörige, die als Nebenkläger bei dem Prozess dabei waren, reagierten fassungslos auf die Entscheidung der Kammer, nicht auf Mord, sondern auf Totschlag zu erkennen. Wie erstarrt blieben Mutter, Bruder und Schwester des Opfers einen Moment stehen, bevor sie sich wie in Zeitlupe hinsetzten und ihre Gesichter in den Händen begruben. Es flossen Tränen.
Tödliche Schüsse auf Radfahrer in Neuallermöhe