Billwerder. Justizsenator Steffen hatte die Idee einst heftig kritisiert, doch nun ist das neue Hafthaus in der JVA Billwerder bezugsfertig.
In welche Himmelsrichtung der Blick auch geht: meterhohe, nackte Betonmauern und kaum etwas, woran sich das Auge sonst klammern könnte. Und dann das fortgesetzte Dröhnen der nahen Autobahn, das Freiheit erahnen lässt, wo keine ist. Keine Frage, die Justizvollzugsanstalt Billwerder ist ein unwirtlicher Ort, aber das soll ja so sein. Nicht nur an einem kalten Februarmorgen.
Anfang März werden in das Haus 3 der jüngsten, gerade einmal 13 Jahre alten Hamburger Haftanstalt Frauen einziehen. Nach jetzigem Stand kommen 40 weibliche Strafgefangene und 17 Untersuchungsgefangene – zwei Kinder im Alter von vier Monaten und zweieinhalb Jahren werden auch dabei sein. Die neue Teilanstalt für Frauen (TAF), wie das Haus offiziell heißt, ist auf Gefangene mit kleinen Kindern eingestellt. Es gibt eine eigene Mutter-Kind-Station. Zehn Quadratmeter misst eine normale Haftzelle: Bett, Schreibtisch, Schrank, Regal, Waschbecken und Toilette. „Die Frauen können ihre Hafträume abschließen, aber wir können sie jederzeit öffnen“, sagte die Teilanstaltsleiterin.
Zum Start werden nicht alle Zellen belegt sein: Insgesamt gibt es 62 Haftplätze für die Strafhaft und 40 für die U-Haft. Möglicherweise werden in Zukunft auch weibliche Gefangene aus Schleswig-Holstein in Billwerder einsitzen. Die Verhandlungen mit der Kieler Landesregierung laufen.
Der Umzug der Frauen von der Haftanstalt auf der idyllischen Elbhalbinsel Hahnöfersand nach Billwerder ist ein Politikum. Im Südosten Hamburgs sitzen mehrere Hundert Männer ein, bislang ausschließlich Männer. Die frühere Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) hatte die Verlegung der Frauen zu Zeiten der SPD-Alleinregierung aus Kostengründen beschlossen. Darüber war ein heftiger Streit entbrannt, vor allem ging es um die Frage, ob die Sicherheit der Frauen in dem Männergefängnis gewährleistet werden könne.
Sichtblenden aus Holz, um unerwünschte Kontakte zu vermeiden
Einer der heftigsten Kritiker war damals der Grünen-Politiker Till Steffen. Allerdings konnten die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD den geplanten Umzug der Frauenhaftanstalt nicht mehr rückgängig machen. Und so muss nun Steffen, mittlerweile Justizsenator im rot-grünen Bündnis, das Gegenteil dessen vollziehen, was er wollte. Keine ganz leichte Ausgangslage. „Das Thema ist intensiv diskutiert und dann entschieden worden. Wie es ausgegangen ist, wissen Sie ja selbst“, sagte der Senator, als er am Montag Journalisten in dem für drei Millionen Euro renovierten, aber noch nicht bezogenen Hafttrakt begrüßte.
Steffen wies darauf hin, dass es gelungen sei, in die Koalitionsvereinbarung mit der SPD die strikte Trennung des Frauen- vom Männervollzug zu schreiben. Das Haus 3 ist nicht nur von einem eigenen Zaun umgeben, es gibt auch meterhohe Sichtblenden aus Holz, um unerwünschte Kontakte zu vermeiden. Jeder Gang einer inhaftierten Frau innerhalb der Anstalt – ob zum Arzt oder zum Kaufmann – wird von Vollzugsbediensteten begleitet.
„Es kann sein, dass sich Männer und Frauen auf diesen Wegen begegnen, dann gehen sie eben aneinander vorbei. Stellen Sie sich das nicht so kompliziert vor“, sagte Rosemarie Höner-Wysk, resolute Leiterin der Frauenhaftanstalt, die auch auf Hahnöfersand schon Chefin war. In Zukunft werden zudem keine Sexualstraftäter mehr in Billwerder einsitzen.
Ein weiteres Problem waren die Bereiche Arbeit und Qualifizierung. Zunächst war vorgesehen worden, dass Frauen und Männer gemeinsam in den Werkstätten arbeiten sollten. „Das ist nicht beherrschbar, also haben wir das nicht gemacht“, sagte Steffen. „Wir haben für getrennte Qualifizierung gesorgt. Männer und Frauen begegnen sich dort nicht“, so der Senator.
Der Umzug birgt auch Chancen. Die weiblichen Gefangenen können sich in Zukunft auch in einem Vorbereitungskurs für Pflegeberufe qualifizieren, was bislang nicht möglich war. Dafür wird der auf Hahnöfersand traditionell starke Sektor Garten- und Landschaftsbau in Billwerder nicht mehr angeboten. In den Bereichen Gastronomie/Hauswirtschaft und Gebäudereinigung arbeitet die JVA mit anerkannten Ausbildungsbetrieben zusammen. In den vergangenen zwei Jahren haben es sechs Frauen geschafft, den Hauptschulabschluss nachzuholen.
Ein wichtiges Thema ist aber auch die Drogenabhängigkeit. „75 Prozent der Frauen haben eine Suchtproblematik“, sagte Höner-Wysk. Es gibt einen eigenen Therapiebereich, externe Drogenberater kommen in das Gefängnis.
Der CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker warf Steffen vor, „mit seiner Rolle rückwärts weibliche Gefangene zu gefährden“. Die Union hat die Verlegung der Teilanstalt für Frauen stets abgelehnt. Bei auch nur einem einzigen Übergriff eines Mannes auf eine Frau, so Seelmaecker, trage der Senator dafür eine Mitverantwortung.