Hamburg. Zwei Töchter leiden an lebensbedrohender Blutkrankheit. Behörde will sie nach Bayern schicken. Ärzte wollen Unterbringung in Hamburg.
Marzieh liebt Rosa. Für die Fahrt in die Universitätsklinik hat sie an diesem Morgen ihre knallpinkfarbene Jacke angezogen und die Mütze mit den kleinen Sternen. Hübsch sieht das aus, trotzdem guckt die Siebenjährige traurig. Immer wieder mussten ihre Eltern in den vergangenen Wochen mit ihr und der drei Jahre alten Schwester Fatemeh von der Flüchtlingsunterkunft in Bergedorf nach Eppendorf fahren. Beide Mädchen sind akut an der unheilbaren Bluterkrankung CDA Typ II erkrankt, die nur in der Spezialabteilung für Tumor- und Bluterkrankungen für Kinder und Jugendliche behandelt werden kann.
„Wir machen uns große Sorgen“, sagt ihr Vater Faramarz Hezareh. Gemeinsam mit seiner Frau Latifeh und den beiden Töchtern sitzt er in einem Behandlungsraum der Klinik. Seit Ende November lebt die Flüchtlingsfamilie, die auf der Durchreise nach Schweden in Hamburg gestrandet war, in einer Notunterkunft in einem ehemaligen Baumarkt in der Kurt-Körber-Chaussee unter provisorischen Bedingungen. „Es ist laut, eng und nicht sauber“, sagt die Mutter.
Unterstützer haben Wohnung organisiert
Schon jetzt ist der Gesundheitszustand der Flüchtlingsmädchen so schlecht, dass die Ärzte „dringend eine umgehende Unterbringung in Hamburg“ befürworten. In einem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es, dass sie bei Symptomverschlechterungen sofort eine Spezialklinik aufsuchen müssen. „Eine solche Anbindung ist für die Patienten lebenswichtig.“ Trotzdem sollen sie im Rahmen der Verteilung von Asylbewerbern ins bayerische Schweinfurt geschickt werden.
Die verzweifelte Lage der Familie hat inzwischen die Kirche auf den Plan gerufen. Ehrenamtliche Unterstützer setzen sich für die Herzarehs ein und haben auch eine Wohnmöglichkeit in einer Gemeinde in Billstedt organisiert. „Das ist ein humanitärer Notfall“, sagt die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims. Aber alle Bemühungen, eine Umzugserlaubnis aus der Erstaufnahme und eine Aussetzung der Umverteilung zu erreichen, haben die Behörden abgelehnt. Auch ein Hilferuf aus der Bischofskanzlei an Innensenator Michael Neumann (SPD) blieb ohne Reaktion.
Ausländerbehörde will keine Ausnahme machen
Auch die Ausländerbehörde verweigert weiter eine Sonderreglung für die Hezarehs. „Die Behörde kann keine willkürlichen Entscheidungen treffen, sondern muss rechtliche Standards einhalten“, sagt der Sprecher der Ausländerbehörde, Christian Martens, auf Anfrage des Abendblatts. Laut Martens kommen nach Hamburg prozentual deutlich mehr Flüchtlinge – auch Personen mit Erkrankungen – als nach dem Königsteiner Schlüssel vorgesehen ist. „Die Behörde hat auch den Gleichbehandlungsgrundsatz in ähnlich gelagerten Fällen zu beachten.“
Eine Umverteilung erfolge allerdings erst, wenn die kranken Kinder reisefähig seien. Es sei zudem sichergestellt, dass die Familie in eine Erstaufnahmeinrichtung kommt, die sich in der Nähe eines Krankenhauses befindet, dass eine geeignete ärztliche Versorgung der erkrankten Kinder gewährleisten kann. Nach Abendblatt-Informationen ist das in diesem Fall nur in der Uni-Klinik Würzburg möglich – in fast 50 Kilometern Entfernung.
Flüchtlingspastorin: Kein Raum in der Herberge
„Wenn es nicht mehr möglich ist, in einem solch gravierenden Einzelfall eine humanitäre statt einer verwaltungstechnischen Entscheidung zu treffen, dann ist das Wort Willkommenskultur eine hohle Phrase“, wettert Flüchtlingspastorin Jochims. Die Stadt werde ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, denn es seien Ausnahmen etwa aus gesundheitlichen Gründen möglich. „Man muss sich schon fragen: Wie ist es gerade zu Weihnachten mit dem Raum in der Herberge, der Großzügigkeit und der Nächstenliebe.“