Lurup. Hunderte Wohnboxen aus China kosten 31 Millionen Euro. Doch aus Brandschutzgründen können Flüchtlinge vorerst nicht einziehen.

Die fahle Dezembersonne quält sich durch den wolkenverhangenen Himmel. Der Lise-Meitner-Park, sonst für viele Anwohner ein Ort der Entspannung, liegt verlassen da. Ein Bauzaun versperrt den Weg. Der aufheulende Motor eines Baufahrzeugs ist zu hören. Von etwas weiter weg dringt das Rauschen des Verkehrs auf der Luruper Hauptstraße herüber.

In dem abgezäunten Gelände stehen dunkle, längliche Container. Meist drei aufeinander, manchmal auch nur zwei. An den Stirnseiten der Blöcke wurden Metalltreppen angebracht. Sie führen zu den Eingängen der oberen Etagen. Die Türen fehlen, Elektrokabel hängen herab. Irgendwo auf dem Gelände steigt ein Bauarbeiter die Treppen hinab. Jeder Schritt verursacht ein schepperndes Geräusch.

Eigentlich sollten in der Flüchtlingsunterkunft im Lise-Meitner-Park seit Anfang Dezember mehr als 1000 Asylbewerber leben. Zunächst, so lautete der Plan, war die Einrichtung als Zentrale Erstaufnahme (ZEA) gedacht. Später, so der Flüchtlingsstrom abebbt, sollte daraus eine Folgeunterbringung für Flüchtlinge werden.

Von der Idylle des vorderen Teils des Lise-Meitner-Parks ist wenig übrig geblieben. Aber abgesehen davon, dass sich unter den Anwohnern Widerstand gegen die Ansiedlung von mehr als 1000 Menschen auf einer so kleinen Parkfläche organisiert, wohnt wenige Tage vor Weihnachten in den Stahlcontainern noch niemand.

„Wegen Problemen mit dem technischen Brandschutz konnten die Planungen noch nicht abgeschlossen werden“, sagt Christiane Kuhrt, Sprecherin des Hamburger Flüchtlingskoordinators. Auf die Frage, wann denn die Unterkunft bezogen werden könne, erklärt Frau Kuhrt lediglich: „Dies kann noch nicht gesagt werden.“

Mehrere Wochen nach dem eigentlichen Einzugstermin seien die „Planungen zum Umgang mit den brandschutztechnischen Problemen noch nicht abgeschlossen“, heißt es aus dem Büro des Flüchtlingskoordinators zur Begründung weiter. Auch was die Nachrüstung der mehreren Hundert Container den Steuerzahler kosten wird, ist unklar. „Das wird derzeit noch geprüft“, sagt Frau Kuhrt. Klar scheint nur, dass es teuer wird.

456 Wohncontainer werden in der Flüchtlingsunterkunft an der Luruper Hauptstraße aufgestellt. Offiziell spricht die Stadt von 912 Flüchtlingen, die dort untergebracht werden sollten. Inoffiziell heißt es, die Stadt rechne zwar mit zwei Einwohnern pro Container. Der städtische Betreiber „Fördern & Wohnen“ bringe dort aber in der Regel drei Menschen unter. Betroffen von der Verzögerung ist eine weitere Unterkunft. „Insgesamt wurden Container für drei Wohnquartiere bestellt, zwei Quartiere für den Parkplatz Grün und eines für einen weiteren Standort“, sagt Frau Kuhrt. „Die Miete für 60 Monate inklusive Transport, Verwaltungsgebäude, Wasser- und Elektroinstallationen etc. beläuft sich für alle Wohnquartiere auf insgesamt 31 Millionen Euro.“

Behörde weiß nicht, welche chinesische Firma die Container hergestellt hat

Deutlich mehr als 1000 Flüchtlinge werden also weiterhin auf eine feste Unterkunft warten müssen. Warum die Container nicht den deutschen Brandschutzbestimmungen entsprechen, bleibt unterdessen unklar. „Grundsätzlich werden bei Aufstellung und vor Bezug der Unterkünfte alle technischen Voraussetzungen geprüft, darunter auch die Bestimmungen zur Einhaltung des Brandschutzes“, heißt es von der Sprecherin des Flüchtlingsbeauftragten.

Die Behörde hat auch keine Kenntnis darüber, welches Unternehmen die Wohncontainer hergestellt hat. „Ist uns nicht bekannt“, lautet die Antwort von Frau Kuhrt. Dafür wisse sie allerdings, dass die Container von einer niederländischen Firma geliefert und – zumindest teilweise – in China hergestellt worden seien.

Der Fall in Lurup ist kein Einzelfall. Vor einigen Wochen hatte die Bild-Zeitung von einem Camp in Stellingen für 500 Menschen berichtet, das seit mehr als zwei Monaten leer steht. Auch dort erfüllen die Wohncontainer die Anforderungen des Brandschutzes nicht. Zudem wurden in den Wasserleitungen Legionellen entdeckt.

Die Sprecherin des Flüchtlingsbeauftragten bestätigt, dass in der Vogt-Kölln-Straße im Oktober 272 Container von der Firma Touax (Maintal) geliefert und aufgestellt worden seien. Ein erforderliches Brandschutzzertifikat habe der Lieferanten allerdings bis heute nicht vorlegen können. „Daher können die aufgestellten Wohncontainer derzeit nicht belegt werden.“

Die stellvertretende Vorsitzende des CDU-Bürgerschaftsfraktion, Karin Prien, fordert angesichts diese Vorgänge, das gesamte Beschaffungswesen des rot-grünen Senats im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung zu prüfen. „Offensichtlich ist der Senat nicht nur mit der Flächensuche, sondern auch mit der Beschaffung heillos überfordert“, sagte die Politikerin am Freitag dem Abendblatt. „Eine öffentliche Vergabe, die so bedeutende Spezifikationen wie den Brandschutz nicht hinreichend berücksichtigt und kon­trolliert, ist völlig inakzeptabel.“

Die Unionspolitikerin fragte, „welche Verantwortung der vom Bürgermeister eingesetzte Flüchtlingskoordinator für solche skandalösen Fehlentscheidungen trägt“. Es verdichte sich der Eindruck, „dass dieser mangels Durchgriffskompetenz nicht zu einer Verbesserung des Behördenchaos bei der Unterbringung beiträgt. Davor hatten wir von Anfang an gewarnt.“ Karin Prien findet, die Verantwortung für die Unterbringung gehöre in die Senatskanzlei unmittelbar zu Bürgermeister Olaf Scholz.