Bergedorf. Scheitert das Projekt eines grünen Logistikparks an der A25 womöglich an einem nur fünf Milimeter großen Weichtier? Die sogenannte “Zierliche Tellerschnecke“ ist vom Aussterben bedroht und lebt ausgerechnet in den Gräben des Baugrunds.
Sie ist vier bis fünf Millimeter klein, maximal 0,8 Millimeter dick. Und hat das Zeug, zu einem Politikum zu werden, wie der seltene Wachtelkönig: Die „Zierliche Tellerschnecke“ ist nicht nur „Weichtier des Jahres 2011“ und steht auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. Eines der größten Vorkommen Norddeutschlands befindet sich just dort, wo Hamburg weiter versucht, das Projekt eines grünen Logistikparks voranzutreiben, im Dreieck zwischen A 25, Curslacker Neuer Deich und Kippstelle der Stadtentwässerung.
Derzeit sind die Verantwortlichen an mehreren Fronten tätig: Hamburgs Finanzbehörde hat nach Jahren Vorlauf Verhandlungen mit drei Grundbesitzern aufgenommen, jetzt prüfen Experten, ob sich die Süßwasserschnecke aus den Gräben hinter dem Kleingartenverein Curslacker Neuer Deich umsiedeln lässt. „Dies würde man zunächst mit einem Teil der Population versuchen, um zu klären, ob eine solche Umsiedlung gelingen kann“, sagt Klaus Wittmann, Abteilungsleiter Bebauungsplanung im Bezirksamt.
„Gelingt dies nicht, müssen wir über eine neue Verkehrsanbindung nachdenken“, ergänzt Axel Schneede, Leiter der Abteilung übergeordnete Planungen. Um das Schnecken-Biotop zu umfahren, wäre etwa eine Kreuzung an der bisherigen Einmündung der Straße Lehfeld in den Curslacker Neuen Deich eine Option. Schneede: „Es gibt alte Überlegungen zur Anbindung eines früher geplanten Wohngebietes.“
Eine solche Trasse käme Hamburg zupass. Auf ihr könnte zumindest eine von drei Privatflächen im Plangebiet umfahren werden. Bei den Gesprächen musste die Finanzbehörde erkennen, dass Eigentümer zwar durchaus bereit sind, Land zu verkaufen. „Aber nicht zu Preisen, die kaum über denen für Grünland liegen“, so einer der drei.
26.000 Quadratmeter direkt an den Kleingartenverein 609 grenzendes Privatland könnte samt Tellerschnecken-Population mit einer geänderten Verkehrsanbindung umfahren werden. Ohne die anderen Privatflächen wäre das Logistikgebiet jedoch zum Scheitern verurteilt: Nur auf stadteigenen Flächen lässt es sich nicht realisieren. Sie machen nur etwa die Hälfte des benötigten Landes aus.
„Wir stehen mit den drei Eigentümern in Gesprächen“, bestätigt Finanzbehördensprecher Daniel Stricker. Zu Verhandlungsstand und unterschiedlichen Preisvorstellungen verweigert er jede Stellungnahme. Anders zum Problem der Verkehrsanbindung: „Wir prüfen alternative Zuwegungen. Wir wollen ein grünes Logistikzentrum ja nicht damit beginnen, dass wir einer seltenen Schnecke den Garaus machen.“
Dies droht, so scheint es, derzeit eher dem grünen Logistikpark. Eine Umsiedlung der geschützten Tellerschnecke ist schwierig, gilt sie doch als sehr anspruchsvoll: Aus Flußauen und wasserpflanzenreichen Altwasser sind die Tiere wegen Überdüngung weitgehend verschwunden. Außer Flachmoore dienen den Tellerschnecken heute ehemalige Torfstiche und naturnahe Gräben mit pflanzenreichen Flachwasserbereichen als Lebensraum. „Etwa vier Jahre würde das Verfahren dauern zu prüfen, ob eine Umsiedlung auf das geschützte Areal des benachbarten Bodendenkmals möglich ist“, weiß Bergedorfs Bezirksamtsleiter Arne Dornquast.
Auch eine Straßenanbindung um das Biotop herum sei keinesfalls leicht zu realisieren. „Eine Kreuzung im Bereich Lehfeld ist kein Selbstgänger. Auf und um die Kippstelle liegen neben dem Drucksiel viele Versorgungsleitungen im Boden. Die könnten wir nur mit einer etwa 120 Meter langen Straßenbrücke queren.“
Angesichts dieser Probleme rückt eine von Hamburg verworfene Gewerbe-Anbindung wieder in den Fokus. Dornquast: „Wenn das Logistikgebiet gewollt ist, muss man möglicherweise noch mal über eine eigene Autobahnabfahrt nachdenken.“