Hamburg. Alle Parteien haben bereits in den neuen Modus geschaltet –nun sollten schnellstmöglich die Wähler entscheiden.

Es war der Abgesang, Befreiungsschlag und Wahlkampfauftakt in einem. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. Die notorisch zerstrittene Ampel ist am Ende. So bitter es klingt, ist es eine gute Nachricht. Das Bündnis, das vor drei Jahren mehr Fortschritt wagen wollte, kam zuletzt keinen Schritt mehr voran.

In guten Zeiten ist ein solcher Stillstand schwierig genug, in schlechten Zeiten wird er gefährlich. Die drei „Partner“ haben sich entfremdet und ihre politische Arbeit zuletzt eher als Prügelei denn als Suche nach Kompromissen verstanden. Das hat nicht nur ihnen – wie alle Umfragen ausweisen – massiv geschadet, sondern auch der politischen Kultur im Land. Die Fähigkeit zum Kompromiss ist eine politische Tugend, die Unfähigkeit ein politisches Versagen.

Das Verhältnis zwischen Scholz und Lindner ist zerrüttet

Die Härte der Schuldzuweisungen des Kanzlers an die Adresse des Liberalen Lindner zeigt zugleich, wie zerrüttet das persönliche Verhältnis ist. Scholz wirft dem Koalitionspartner kleinkariertes Verhalten, mangelnde Seriosität, Egoismus und Vertrauensbruch vor – das geht weit, zu weit. Wenn zwei sich streiten, sind meist beide schuld. Es bleibt zudem eine Stilfrage, als Bundeskanzler so sein früheres Kabinettsmitglied abzukanzeln.

Gleichzeitig aber war dieser Presseauftritt auch ein cleverer Wahlkampfauftakt. Olaf Scholz kann und will kämpfen. Seine perfekt einstudierte Presseerklärung hatte keinen Hauch vom „Scholzomat“, sondern war das Bekenntnis eines verärgerten und enttäuschten Menschen und eines politischen Strategen.

Zugleich war es ein Meisterstück – denn als noch unklar war, wem die Menschen am Ende glauben und wen sie verantwortlich machen für das Scheitern der Ampel, hatte Scholz schon einen besonderen Trumpf in der Hinterhand. Verkehrsminister Volker Wissing, bis dato FDP-Landeschef in Rheinland-Pfalz, war seiner Partei da wohl längst von der Fahne gegangen. In Wissings Entscheidung, im Amt zu bleiben, steckt viel calvinistischer Arbeitsethos und zugleich ein großer Verrat. Dieser Schritt des einstigen Generalsekretärs der Bundesliberalen könnte sogar ein Sargnagel für die FDP werden.

Lindner entlassen: Es ist gut, dass Scholz der Ampel nun den Stecker zieht

Es ist gut, dass Scholz selbst der Ampel den Stecker zieht. Diese Koalition war spätestens vor einem Jahr mit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts am Ende und irrte nur noch als Untote durch die politische Landschaft. Neuwahlen sind überfällig.

Es ist nachvollziehbar, dass Olaf Scholz angesichts der Umfragen Zeit gewinnen und die Vertrauensfrage erst im Januar stellen möchte. Er hofft darauf, dass ein rot-grünes Minderheitsbündnis harmonisch zueinander und der Streit ein Ende findet. Die Unfähigkeit, zu entscheiden, soll dieses Bild da nicht trüben – es geht um Balsam für die Seelen der Partei und die Außenwirkung auf die Wähler.

Die Hamburger Parteifreunde wünschen sich keine Neuwahlen

Möglicherweise möchte er auch den Hamburger Parteifreunden nicht den Wahlkampf verhageln. Der rot-grüne Senat ist das einzige Bündnis seiner Art, das in Deutschland noch eine Mehrheit findet. Die jüngsten Umfragen zeigen, dass die Hamburger keinen Wechsel wünschen. Normalerweise hat die Opposition nur dann eine Chance zu gewinnen, wenn die Unzufriedenheit mit den Regierenden groß ist.

Diese Regel greift nicht mehr, wenn der Hamburger Urnengang in den Sog des Bundestagswahlkampfs gerät. Eine höhere Wahlbeteiligung dürfte in diesem Fall der Union von Dennis Thering tendenziell nutzen, zugleich überlagert die Unzufriedenheit über Scholz die Zufriedenheit mit Tschentscher. Schon heute wäre bei der Bundestagswahl in Hamburg die Union die stärkste Partei – vor Grünen und der SPD.

Scholz zeigt mit seiner Angriffslust, dass er es noch einmal wissen will

Hamburger Befindlichkeiten aber werden die Berliner Krise am Ende kaum beeinflussen. Angesichts der Größe der Herausforderungen und der Verschärfung der Lage durch den Wahlsieg von Donald Trump benötigt Deutschland schnell eine stabile und tatkräftige Regierung. Die Lawine, die Scholz selbst mit dem Rauswurf von Lindner und damit der FDP losgetreten hat, wird er nicht mehr stoppen können. Sein Zeitplan wird bald Makulatur sein.

Scholz zeigt mit seiner Angriffslust, dass er es noch einmal wissen will. Er muss aber aufpassen, dabei nicht zu überziehen: Eine Chance wird der Hamburger nur dann haben, wenn er schnell in die Rolle des seriösen Staatsmannes zurückfindet – auch im Wahlkampf.

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