Hamburg. U4 wird auf den Grasbrook verlängert – dort entsteht eine spektakuläre Station. Erst danach steht die wahre Jahrhundertaufgabe an.
- Die U4 in Hamburg wird auf den Grasbrook verlängert
- Dazu entsteht eine spektakuläre Elbbrücke mit „schwebender“ Haltestelle
- Doch dem Bauwerk steht ein kurioses Schicksal bevor
Die Elbbrücken gehören zum Hamburger Stadtbild wie der Michel und die Elbphilharmonie. Nun erhalten sie Zuwachs: Im Zuge der U4-Verlängerung auf den Grasbrook wird eine komplett neue, 300 Meter lange Bahnbrücke gebaut, die auch Fuß- und Radverkehr aufnehmen soll.
Auf dem Grasbrook fährt die U-Bahn zunächst auf einem stählernen Viadukt weiter, bevor sie in einer über dem Moldauhafen „schwebenden“, doppelstöckigen Haltestelle mündet. Das ist das Ergebnis des Realisierungswettbewerbs, den ein Konsortium aus dem Stuttgarter Büro schlaich bergermann partner, Gerkan, Marg und Partner (gmp) aus Hamburg sowie WTM Engineers aus Hamburg gewonnen hat.
Hamburg: Neue Elbbrücke der U4 orientiert sich am „Stahlgewitter“ ihrer Vorbilder
gmp hatte schon die Haltestellen an den Elbbrücken mit ihren markanten Bögen aus Stahl und Glas entworfen. Auch die neue Elbbrücke orientiert sich an den historischen Vorbildern, die der Architekt Volkwin Marg einst als „Stahlgewitter“ bezeichnet hatte: Drei Rundbögen, die durch den Einsatz von Karbon flacher ausfallen als ihre mehr als 100 Jahre alten Nachbarn, tragen die Fahrbahn, die zudem auf zwei Stützen im Fluss ruht.
Mit dem Bau der neuen Brücke, die 2031 fertig sein soll, nimmt der von der Hamburger Politik schon seit Jahrzehnten propagierte „Sprung über die Elbe“ nun Gestalt an. Die U4 soll den weitgehend autofreien neuen Stadtteil Grasbook erschließen, wo 3000 Wohnungen, 16.000 Arbeitsplätze, Kitas, Schulen und auch das Deutsche Hafenmuseum geplant sind.
Anjes Tjarks: Grasbrook wird weitgehend autofrei – daher braucht es die U4
90 Prozent der Mobilität auf dem Grasbrook sollen über den „Umweltverbund“ aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr abgewickelt werden, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). Dafür sei die U4 das „Rückgrat“. Wie schon in der HafenCity gehe man nach dem Prinzip vor, das neue Areal erst durch die U-Bahn zu erschließen und danach die Gebäude zu errichten.
Welche Kosten für die rund 1,1 Kilometer lange Strecke von den Elbbrücken bis zum Moldauhafen anfallen, konnten Tjarks und die Hochbahn als Betreiberin der U-Bahn noch nicht sagen – dafür müsse man zunächst in die Detailplanung einsteigen. Nach Abendblatt-Informationen wird es sich aber nicht um ein Milliardenprojekt handeln, sondern eher im Rahmen des bisherigen U4-Baus bleiben. Deren Strecke vom Jungfernstieg bis zu den Elbbrücken hatte rund 500 Millionen Euro gekostet.
Eine U-Bahn über der Erde – das freut die Planer und gilt als Attraktion
Perspektivisch soll die U-Bahn bis nach Wilhelmsburg weitergeführt werden – diese Linienführung steht aber noch nicht fest. „Mit der Weiterführung der U-Bahn setzen wir für die verkehrliche Anbindung des Hamburger Südens einen weiteren wichtigen Meilenstein“, sagte Tjarks. Der Grasbrook werde so zum Trittstein zwischen der HafenCity im Norden und den Stadtteilen Veddel und Wilhelmsburg im Süden.
Als „ganz besonders spannend“ bezeichnete Hochbahn-Vorstand Jens-Günter Lang die oberirdische Trassenführung, die für eine U-Bahn zwar ungewöhnlich, in Hamburg aber gar nicht so selten ist. So nutzen viele Touristen die U3 am Hafenrand als Stadtrundfahrt auf Schienen, auch der Abschnitt durch Hoheluft, die Isestraße und Eppendorf bietet tolle Ausblicke. Verkehrssenator Tjarks brachte es so auf den Punkt: „Ich bin Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburger Hochbahn, nicht der Tiefbahn.“
Architekt: Neue Elbbrücke soll „wie eine Zwiebelschale“ vor den alten liegen
Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sagte, die Jury habe „besonders beeindruckt, wie selbstverständlich sich die Verlängerung der U4 über die Elbe einfügt in das bestehende Ensemble der Elbbrücken und wie plausibel eine neue U-Bahn-Station über dem Moldauhafen ‚schwebt‘.“
Der Stuttgarter Architekt Sven Plieninger vom Büro sbp zeigte sich nicht nur beeindruckt vom strammen, kühlen Wind an der Elbe, sondern auch von der Herausforderung, eine neue Elbbrücke zu entwerfen: Die historischen Vorbilder und die stählernen Viadukte fielen einem in der Hansestadt sofort ins Auge: „Das ist ein Charakteristikum Hamburgs.“ Daher habe er versucht, die neue Brücke behutsam „wie eine Zwiebelschale“ vor die bestehenden Brücken zu legen.
Die alten Elbbrücken sind marode und müssen saniert werden – die neue steht im Weg
Das wird das Bauwerk aber kaum vor einem kuriosen Schicksal bewahren. Denn nur wenige Jahre nach der Fertigstellung muss die neue Brücke sehr wahrscheinlich noch einmal mindestens in Teilen demontiert werden. Dann steht nämlich die wahre Jahrhundertaufgabe an: die Sanierung und Erweiterung der „alten“ Elbbrücken.
Von den bislang vier stählernen Elbbrücken sind drei rund 100 Jahre alt: die Freihafenelbbrücke für den Autoverkehr sowie die beiden Fernbahnbrücken. In Teilen sind vor allem die Bahnbrücken so marode, dass die maximale Belastung schon reduziert werden musste. Inwiefern sie saniert oder zum Teil neu gebaut werden, ist noch offen. Nur die gut 40 Jahre alte S-Bahn-Brücke ist davon nicht betroffen.
Neue Elbbrücke in Hamburg bleibt nicht die letzte – die nächste ist schon in Planung
Hinzu kommt aber: Zwischen den Bahnbrücken und der Freihafenelbbrücke soll noch eine weitere Elbbrücke entstehen, um den wachsenden Bahnverkehr abwickeln zu können. Sie soll über ein zusätzliches Gleis mit einer ebenfalls neu zu bauenden Süderelbbrücke verbunden werden. In Wahrheit brauche man also fünf neue Brücken, warnte der Verkehrssenator schonmal vor, beruhigte aber: „Wir haben das alles im Gesamtblick.“
Da die Brücken von Osten nicht mit größeren Schiffen oder Schwimmkränen zu erreichen sind – dort liegt die neue Elbbrücke für den Autoverkehr –, soll die Baustelle von Westen her erschlossen werden. Dort wird dann aber die neue U4-Brücke im Weg sein, daher muss sie vorübergehend wieder weg. Ob nur für einige Monate oder länger, kann noch niemand sagen. Ohnehin muss die Brücke ja erst mal gebaut werden.