Modelabel sagt Treffen kurzfristig ab. Hunderte Jugendliche randalieren. Polizei zieht erschreckende Bilanz. Nun äußert sich die Firma.

  • Modelabel Reternity lädt zu „Meet-up“ nach Hamburg
  • Firma sagt die Verschenkaktion aufgrund großen Andrangs ab
  • Hunderte Jugendliche reagieren frustriert, die Lage eskaliert
  • Polizisten werden an der Mönckebergstraße stundenlang attackiert
  • Am Ende stehen drei verletzte Beamte und beschädigte Autos

Hamburg. Diverse Platzverweise, beschädigte Streifenwagen und drei verletzte Beamte: Das ist die Bilanz eines stundenlangen Großeinsatzes der Polizei Hamburg aufgrund einer geplatzten Werbeaktion eines Modelabels in der City. Am Sonnabend hatten sich dort mehrere hundert Jugendliche im Bereich des Mönckebergbrunnens versammelt, nachdem in einem Social-Media-Beitrag eine Verschenkaktion angekündigt worden war.

Angeblich sollte Markenkleidung kostenlos verteilt werden. Anscheinend hatte die Streetwear-Firma Reternity bei TikTok dazu aufgerufen, sich am Mönckebergbrunnen zu treffen. Das Video mit dem Aufruf wurde inzwischen gelöscht.

Laut Angaben des Lagedienstes der Polizei sei der Initiator nicht erschienen. Der Beitrag in den sozialen Medien habe sich schließlich als „absichtliche Falschmeldung“ entpuppt, sagte ein Polizeisprecher. „Es erschien niemand, der Klamotten verschenkte.“ Die genauen Hintergründe des Fake Posts konnte er zunächst nicht erläutern.

Verschenkaktion eskaliert: Label Reternity meldet sich

Am Sonntag meldete sich dann ein Sprecher des Labels Reternity zu Wort, einem Anbieter von „luxuriöser Streetwear“, und bestätigte das geplante Event – das von eigener Seite „komplett unterschätzt“ worden sei. „Wir müssen leider gestehen, dass wir die Situation völlig falsch eingeschätzt haben, das war ein Fehler“, sagte der Sprecher in einer auf TikTok veröffentlichen Stellungnahme.

Eine über TikTok angekündigte vermeintliche Verschenkaktion in der Hamburger Innenstadt ist am Sonnabend vollkommen eskaliert. Es gab stundenlang Randale.
Die Polizisten wurden von Jugendlichen mit Flaschen und Böllern beworfen. © dpa | Daniel Bockwoldt

Randale in Hamburg: Reternity distanziert sich

Bei einem ähnlichen Meet-up in Düsseldorf seien im vergangenen Jahr lediglich 30 bis 40 Teilnehmer erschienen, erklärte ein Sprecher zudem auf Abendblatt-Anfrage. Zur für Hamburg angekündigten Aktion seien nun hingegen „viele Tausend Leute aus ganz Deutschland“ angereist.

„Wir wollten das Wochenende nutzen, um uns mal wieder mit unserer Community zu treffen, auszutauschen und hatten die Absicht, unseren Fans mit Geschenken eine Freude zu machen“, teilte der Sprecher weiter mit. „Dass so eine enorme Personenanzahl an unserem Treffen teilnehmen würde, war im Vorhinein zu keinem Zeitpunkt abzusehen.“

Widersprüchliche Aussagen von Polizei und Reternity

Teilweise widerspricht der Unternehmensvertreter allerdings den Angaben der Polizei Hamburg. „Wir waren mit ausgewählten Mitarbeitern in Hamburg vor Ort“, teilte er dem Abendblatt mit. Als man bereits vor Beginn des Treffens von einer größeren Menschenansammlung sowie vom Fehlverhalten einiger dieser Personen erfuhr, seien Mitarbeiter bereits gegen 13 Uhr am Ort des Geschehens erschienen. Also eine Stunde vor dem anberaumten Treffen.

Zudem sei man auf die Polizei selbst zugegangen. „Zur Sicherheit aller Beteiligten haben wir den Kontakt zur Polizei aufgenommen, um die Versammlung kontrolliert aufzulösen“, heißt es weiter auf die Abendblatt-Anfrage. Auch zur Eskalation bezog der Reternity-Sprecher Stellung: „Wir distanzieren uns klar von dem Fehlverhalten einiger Personen, welche wir nicht als Teil unserer Community ansehen.“

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Polizei Hamburg: Großeinsatz in der City – Jugendliche randalieren

Am Sonnabend hatten sich schon um 13.30 Uhr zwischen 200 und 300 Jugendliche am Mönckebergbrunnen versammelt, später stieg die Zahl auf bis zu 400 an.

Als klar wurde, dass keine Kleidung verschenkt werden würde, kippte die Stimmung: Die überwiegend enttäuschten Jugendlichen „teilten lautstark ihren Unmut mit“, wie es Polizeisprecher Sören Zimbal formuliert. Passanten wurden belästigt, vereinzelt flogen erste Gegenstände. Außerdem wurde die Mönckebergstraße in Höhe Barkhof/Gerhart-Hauptmann-Platz blockiert.

Reternity-Aktion eskaliert: Polizisten beworfen

Mit dem Eintreffen der ersten Polizeibeamten beruhigte sich die Lage jedoch nicht, ganz im Gegenteil: Nun wurden Einsatzkräfte umringt und mit Gegenständen beworfen. Becher, Flaschen und Böller seien geflogen, teils auch Außenmobiliar der dortigen Gastronomie.

Am Sonntag folgte dann die offizielle vorläufige Bilanz der Polizei: Drei Beamte wurden durch die Attacken verletzt. Einer von ihnen sei vorerst dienstunfähig. Zudem seien zwei Funkstreifenwagen beschädigt worden.

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Abendblatt-Informationen zufolge wurde auch mindestens ein Mann massiv von einer Großgruppe von Jugendlichen bedrängt, nachdem er die Vorgänge mit seinem Handy gefilmt hatte. Er musste schließlich von der Polizei aus dem Bereich der Mönckebergstraße eskortiert werden.

Diverse Platzverweise und Strafverfahren

Die Beamten nahmen mehrere Personen in Gewahrsam, unter anderem einen Jugendlichen, der mit Pyrotechnik auf die Beamten geworfen hatte. Zwei junge Männer wurden vorläufig festgenommen.

Insgesamt stellte die Polizei die Identitäten mehrerer Tatverdächtiger fest, erteilte „diverse“ Platzverweise und leitete Strafverfahren ein – unter anderem wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs sowie des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.

Polizei Hamburg braucht Stunden, um Lage zu normalisieren

Zeitweise musste der Busverkehr in der Mönckebergstraße gestoppt werden. Auch Taxifahrer wurden von den aufgebrachten Teenagern bedrängt. Nach Ende des HSV-Spiels im Volksparkstadion wurden Hundeführer der Polizei in die City beordert, vereinzelt seien auch Pfefferspray und der Schlagstock zum Einsatz gekommen, so der Lagedienst weiter.

Auch dank der Unterstützung zügig zusammengezogener Einsatzkräfte von Landesbereitschafts- und Bundespolizei hatten sich erst gegen 18.15 Uhr und damit fast fünf Stunden nach Beginn der Tumulte sämtliche Gruppen aufgelöst und es kehrte wieder Ruhe in der City ein. Insgesamt waren mehrere Dutzend Polizeibeamte aus einem Großteil des Stadtgebiets im Einsatz. Die zuständigen Landeskriminalämter ermitteln.

Randale in der City: Erinnerungen an Facebook-Aufrufe

Der völlig missglückte Marketing-Stunt erinnert an Meldungen aus der Hochzeit von Facebook, als Geburtstagsfeiern zu Partys mit hunderten Teilnehmern eskalierten, weil öffentlich zu ihnen eingeladen worden war – damals wohlgemerkt versehentlich.

Es ist bereits der zweite Großeinsatz im Innenstadtbereich für die Polizei innerhalb kürzester Zeit: Die Premiere des Boxfilms "Creed III" im Cinemaxx am Dammtor musste am Donnerstag abgebrochen werden, nachdem im Saal eine Massenschlägerei ausgebrochen worden war.