Hamburg. Der Neuzugang in der Schanze punktet mit Flair und modern interpretierten thailändischen Spezialitäten. Was Rindchen rät.

Im Bestreben, auch mal die Hand am Puls der Zeit zu haben und den Neueröffnungen der Stadt auf den Zahn zu fühlen hat es mich unlängst ins brandneue Jing Jing verschlagen. Der stylishe, dunkle Laden befindet sich in einem charmant schrabbeligen Gewerbeumfeld unweit der Schanze am Waterloohain und könnte mit etwas Fantasie auch als New Yorker oder Kapstädter Kultladen durchgehen.

Die hohen Wände der früheren Lagerhalle sind mit graffitiähnlichen Malereien verziert, der Geräuschpegel im stets gut mit vorwiegend jüngeren Mitbürgern gefüllten Lokal hoch. Die deutschen Betreiber sind laut Website bekennende Fans der thailändischen Küche und bestrebt, diese hier zu zelebrieren.

Neues Restaurant in Hamburg: Jin Jin bringt Thai-Food in die Schanze

Dabei achten sie aber offenkundig akribisch darauf, ihre Gästeschar nicht mit allzu authentischen Zubereitungen oder zu beherzten Würzungen zu verschrecken: Von authentisch thailändischer Schärfe sind die dargereichten Kreationen so weit entfernt wie der Doi Inthanon von der Zugspitze.

Der szenige Schanzen-Neubewohner, bestrebt, weltstädtisches Flair zu demonstrieren, kann also Tante Käthe aus Krefeld unbesorgt hierher ausführen. In erheblichem Maße gerecht werden die Gerichte aber dem verbreiteten, aus geschmacklichen Prägungen durch Kindheit, Soft Drinks und Fast Food herrührenden Bedürfnis sehr vieler Menschen nach großen Mengen verdeckter Süße in an sich salzigen Gerichten.

Die Idee ist, dass die Gäste Kleinigkeiten zum Teilen bestellen

Gaumenfällig zeigt sich das zum Beispiel an den sogenannten „Vietnamese Chicken Wings“ (12,60 Euro). Die als Saigoner Spezialität deklarierte Komposition soll aus Chicken Wings, Karamell, Fischsauce und Chili Crunch bestehen, tatsächlich sind die immerhin drei auf dem Teller versprengten Hühnchenflügel fast ausschließlich durch den süßlichen Karamell geprägt – Chili und Fischsauce lassen sich mit etwas Fantasie allenfalls erahnen. Muss man mögen, aber nicht zwingend.

Die – sehr überschaubare – Vorspeisenportion vom Larb Dip Nua (15,90 Euro), Rinder-Tatar mit nordthailändischer Gewürzpaste, Cashew und Thai-Kräutern ist zwar auch sehr brav abgeschmeckt, aber durchaus lecker.

Restaurant Hamburg: Die Weinkarte im Jin Jin ist knackig kalkuliert

Eine gelungene Komposition ist das Gaeng phed ped yang (19,60 Euro): Gegrillte Ente mit Rotem Curry, geräucherter Tomate und Thai Basilikum. Ganz nett waren auch das Dry Aged Hamachi (Gelbflossenmakrele) mit Nam Jim Talay und Kräutersalat (16,90 Euro) und das kleine hausgemachte Grillwürstchen mit Rauch, Kaffir-Limette und Zitronengras (12,60 Euro).

Die Portionen bewegen sich auf Vorspeisenniveau, die Idee ist, dass die Gäste sich viele Kleinigkeiten teilen. Ganz ordentlich, aber knackig kalkuliert ist die Weinkarte – die vor zwei Wochen bei unserem Besuch noch deutlich moderater daherkam.

Weinpreise stark erhöht

Der solide fränkische Basis-Silvaner von Brennfleck, seinerzeit noch für angemessene 27 Euro zu haben, kostet jetzt 51 Euro, der uns noch für sehr günstige 28 Euro in Rechnung gestellte Bingerbrücker Abtei Riesling Erste Lage von Kruger Rumpf (allerdings auch ziemlich genialer Stoff) wird nun mit 78 Euro pro Flasche ausgewiesen. Da ist man leider von einem krassen Extrem ins andere gefallen – was den Erfolg bei der avisierten hippen großstädtischen Zielgruppe aber wohl nicht nennenswert schmälern wird.

Jing Jing, Waterloohain 7, Di-Sa 18–22.30 Uhr, jing-jing.de