Hamburg. Beim Abendblatt-Neujahrsempfang erzählt Karin Deus, wie es ihr nach zwei Jahren Pandemie geht – und was Ungeimpfte bei ihr auslösen.
Es ist das wohl prächtigste Livestudio der Hansestadt: Der Stuck und die Ornamente heben sich weiß vom Hellblau der Wände ab im Großen Festsaal des Hotels Atlantic an der Außenalster. Hier, wo sich beim traditionellen Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts üblicherweise viele Hundert Gäste treffen, stehen nun in zwei langen Reihen Technikpulte mit ungezählten Monitoren, Mischpulten und Rechnern. Ein gutes Dutzend Techniker sitzt mit Kopfhörern davor – insgesamt ist ein 40-köpfiges Team im Einsatz.
Unter den Kronleuchtern beleuchten große Scheinwerfer das Studio, in dem vor abendblattgrüner Kulisse Chefredakteur Lars Haider und Moderatorin Vanessa Seifert ihre Gäste erwarten. In der Mitte prangt das Motto des 34. Neujahrsempfangs: Mut. Leidenschaft. Hamburg!
Coronabedingt findet er als digitaler Jahresauftakt mit einigen außergewöhnlichen Gästen und Einspielungen statt. Lars Haider selbst kennt das Programm nur in sehr groben Zügen, er hat das Team alles vorbereiten lassen und lässt sich nun selbst überraschen. Um 10.42 Uhr fährt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vor dem Atlantic vor, um 10.56 Uhr folgt sein Hamburger Amtskollege, Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Dann kann es losgehen. Um 11.02 Uhr heißt es im Großen Festsaal: Achtung, Aufnahme läuft!
Danke sagen: zum Beispiel der Covid-Intensivpflegerin
Auf der Bühne steht eine digitale Tafel mit neun Feldern. Sie geben – wie bei einer Quizshow – Themenbereiche vor, die Hamburg in diesem Jahr besonders bewegen. Haider entscheidet sich als Erstes für das Feld „Menschlich“, und es wird ein Film eingespielt, in dem Hamburgerinnen und Hamburger erzählen, was für eine Person das Abendblatt wäre, wenn es denn ein Mensch wäre. Dann stehen Tschentscher und Günther Rede und Antwort.
Der Neujahrsempfang gibt aber auch Anlass, diejenigen in den Fokus zu rücken, die in der Corona-Pandemie Außergewöhnliches leisten, und ihnen dafür Danke zu sagen. Zu ihnen zählt Karin Deus, die als Intensivpflegerin an der Asklepios-Klinik Barmbek arbeitet und dort ein Team von knapp 40 Schwestern und Pflegern leitet. Kann sie noch? Und will sie noch nach zwei Jahren Pandemie? „Ich muss!“, sagt Karin Deus. „Das ist doch mein Beruf. Und immer noch meine Berufung.“
Zweifelsohne seien viele Kollegen erschöpft, seien an der Grenze der Belastbarkeit angekommen oder hätten sie längst überschritten in den vergangenen 22 Corona-Monaten, erzählt sie in einem eingespielten Film. „Jetzt, in dieser sogenannten vierten Welle, verzeichnen wir schon etwas mehr Krankheitsausfälle als zuvor“, berichtet Karin Deus. Und sie spüre auch, dass die Kollegen nach einer harten, weil knapp besetzten Schicht oft stiller würden. „Mit dem Sterben müssen wir in unserem Beruf umgehen können. Aber dass plötzlich alle Patienten an der exakt gleichen Krankheit leiden, die dann aber doch so völlig unvorhersehbar unterschiedlich verläuft, das ist schon eine Ausnahmesituation.“
Intensivpflegerin: Ungeimpfte lösen innere Konflikte aus
Die Intensivpflegerin erzählt von einem Patienten, der noch im Wachzustand eingeliefert wurde, dessen Zustand sich dann rapide verschlechterte, der auf der Intensivstation sofort intubiert wurde und doch rasch starb – weniger als zwölf Stunden, nachdem er in die Klinik gekommen war. „Egal, wie groß die Erfahrung ist: Das macht was mit einem, wenn man so einen Fall miterlebt.“
Zum Glück gebe es aber auch jene („schätzungsweise zwei von drei schwer Erkrankten“), die gerettet werden könnten. „Und deren Dankbarkeit trägt uns durch diese schwierige Zeit.“ Genau wie der Zusammenhalt. „Wir hatten noch keinen Abgang“, sagt Karin Deus. „Wir versuchen alles, damit die Stimmung so gut wie möglich bleibt. In manchen Momenten lachen wir auch einfach mal gemeinsam.“
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Für 2022 wünscht sich die Intensivpflegerin, dass diese Pandemie „wirklich, wirklich aufhört“. Dass nahezu alle an Covid-19 erkrankten Patienten auf der Intensivstation ungeimpft seien, führe schon zu inneren Konflikten. „Aber ich frage nicht mehr nach den Gründen. Mittlerweile bin ich zu müde, mir die ewig gleichen Ausreden anzuhören.“ Und es bringe ja auch nichts. „Wir kämpfen um jeden einzelnen Patienten. Punkt.“ Sie hoffe, dass die Omikron-Welle flacher werde als befürchtet. Und dass ihre Kollegen und auch sie selbst weiter durchhalten.