Hamburg. Paar verzichtet auf Urlaub, um im zerstörten Ahrtal anzupacken. Hamburger unterstützen großzügig die Spendenaktionen der Unternehmen.

Eigentlich wollten sie an der Müritz urlauben. Doch stattdessen schufteten sie an der Ahr: Weil sie die Fernsehbilder der zerstörten Dörfer, die unter einer Lawine aus Schlamm und Geröll begraben wurden, nicht vergessen konnten, und weil das Schicksal der Menschen, die in der heftigsten Naturkatastrophe, die Deutschland seit der Sturmflut von 1962 erlebte, Haus und Hof, vor allem aber auch Freunde und Familie verloren, sie einfach nicht mehr losließ, setzten sich Erdwig Holste und Lebensgefährtin Cathrin Buß „ganz spontan“ in ihren Camper und rollten am 7. August statt in die Sommerferien in das Flutgebiet von Rheinland-Pfalz.

„Die Dimension der Zerstörung hat uns sprachlos gemacht“, sagt der Geschäftsführer einer Hamburger Personalberatung. „So etwas haben wir noch nicht gesehen und hätten es in Deutschland auch nicht für möglich gehalten.“ Auch drei Wochen nach der Sturzflut und trotz andauernder Aufräumarbeiten sei das Ausmaß der Verwüstung noch „unvorstellbar“ gewesen, sagt der 42-Jährige und berichtet von versunkenen Städtchen, in die keine Straße mehr führt, in denen keine Brücke mehr steht und aus denen verdrehte Gleise in die Höhe ragen als gehörten sie zu einer „Geister-Achterbahn“.

Hamburger bestellte eine Kiste „Flutwein“

Kurz hätten sie schon überlegt, ob es wirklich eine gute Idee sei, einfach so hinzufahren. In eine Region, in der sie nie zuvor waren und niemanden kannten. „Wir wollten ja unbedingt helfen und bloß nicht im Weg stehen“, sagt Cathrin Buß. Im Internet stieß das Paar aus dem Landkreis Harburg auf das Portal www.helfer-shuttle.de, das von einem Industriegebiet im Ahrtal aus jeden Tag zwischen 800 und 3.500 Freiwillige dorthin bringt, wo gerade dringend helfende Hände benötigt werden.

Um Schlamm oder Müll zu entsorgen. Oder auch um die Weinernte zu retten. „Die Weinkultur ist das ökonomische Herz des Ahrtals, und durch das feuchte Wetter wird eine weit überdurchschnittliche Ernte erwartet. Doch die Maschinen sind zerstört und es fehlt an Manpower“, sagt Erdwig Holste, der noch in Hamburg eine Kiste „Flutwein“ bestellt hatte, mit dem die Winzer der Region unter dem Motto „Unser schlimmster Jahrgang“ Spenden für ihre Heimat sammeln.

Hamburger Paar half Winzern in Dernau

Dem Winzerehepaar Ingrid und Frank van Mechelen, dem rund um das Dörfchen Dernau sechs Lagen gehören und das wie andere Winzer alles, was in den Kellern lagerte, verloren hat und um die Existenz bangt, halfen Cathrin Buß und Erdwig Holste unter anderem beim Entblättern der Trauben und beim Schneiden der Reben. „Das war körperlich wirklich anstrengend, die Steigung in den Weinbergen liegt teilweise bei 30 Prozent – das kennen wir aus dem Norden ja so gar nicht“, sagt Cathrin Buß, die als Juristin im öffentlichen Dienst beschäftigt ist.

Knapp fünf Tage half das Paar im Ahrtal, lernte viele einheimische Familien kennen, aber auch Norddeutsche, mit denen es abends im Camp von Helfer-Shuttle, wo den Freiwilligen von Arbeitskleidung mit Gummistiefeln über Werkzeug bis hin zu Essen und Zeltplätzen alles gestellt wird, zusammensaß.

24 Hamburger Einsatzkräfte im Hochwassergebiet

Nahezu zeitgleich, vom 9. bis zum 15. August, waren auch 24 Hamburger Einsatzkräfte des Arbeitet-Samariter-Bundes, des Deutschen Roten Kreuzes, der Johanniter und der Malteser gemeinsam im Hochwassergebiet. „Wir haben schnell einen guten Draht zu den Leuten vor Ort aufgebaut, haben Hilfslieferungen unterstützt, bei der Versorgung der Anwohner geholfen und manchmal auch einfach nur ein offenes Ohr und eine starke Schulter angeboten“, sagt Niclas Thiessen, Einsatzleiter der Malteser Hamburg.

24 Einsatzkräfte aus Hamburg halfen im Ahrtal.
24 Einsatzkräfte aus Hamburg halfen im Ahrtal. © Unbekannt | Malteser Hamburg

Auch wenn angesichts der angespannten Weltlage andere Bilder jene aus den Flutgebieten von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verdrängt haben und das Thema „medial nicht mehr so präsent“ ist, wie Erdwig Holste sagt, war und ist die Spendenbereitschaft der Deutschen so hoch wie selten zuvor. Allein die Aktion „Deutschland hilft“ habe innerhalb einer Woche nach der Katastrophe so viel Geld erhalten wie ihr sonst in einem Jahr zur Verfügung stehe, sagt Max Mälzer, Geschäftsführer des Deutschen Spendenrats.

Hohe Spendenbereitschaft in Hamburg

Und auch die Hamburger waren sehr großzügig: Allein bei der Spendenaktion von Budnikowsky, die am 17. Juli startete und zweimal verlängert wurde und bei der Kunden in allen Filialen der Drogeriemarktkette an der Kasse ihren Betrag aufrunden konnten, kamen 231.683,97 Euro zusammen. Weitere Spenden in Höhe von 5.235 Euro wurden direkt an die Budnianer Hilfe überwiesen.

Julia Wöhlke (Budnianer-Hilfe) freut sich über die Spende.
Julia Wöhlke (Budnianer-Hilfe) freut sich über die Spende. © Unbekannt | Budnikowsky

„Der Zuspruch war überwältigend“, sagt Julia Wöhlke, Vorsitzende der Budnianer Hilfe. „Wir geben jeden Cent an die Hilfsorganisationen vor Ort weiter.“ Mit dem Bremer Logistikunternehmen Röhlig Logistics hatte Budni zudem einen Transport mit Sachspenden (Schwämme, Besen, Handschuhe etc.) organisiert. „Es ging aber auch um Zahnpasta, Duschgel, Rasierschaum. Denn viele Opfer des Hochwassers haben nichts mehr und müssen mit dem Allernotwendigsten versorgt werden“, so Budni-Geschäftsführer Christoph Wöhlke.

Hamburger Unternehmen halfen mit Spenden

Auch die Kunden des Discounters Netto spendeten in den insgesamt 4260 Filialen: Bundesweit sei an den Kassen und Pfandautomaten ein Betrag von 152.608,49 Euro zusammengekommen, den das Unternehmen auf mehr als 600.000 Euro vervierfacht habe. Beiersdorf setzte ebenfalls auf „schnelle und unbürokratische Hilfe“, wie der Vorstandsvorsitzende Vincent Warnery sagte: Eine Million Euro hat das Unternehmen an das Deutsche Rote Kreuz und die DLRG gespendet.

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Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) wies jetzt noch einmal darauf hin, dass Spenden „steuerlich vereinfacht und begünstigt“ werden: „Denn wir Hamburger wissen, was es heißt, mit den Folgen eines Hochwassers umgehen zu müssen.“