Großheide. An der Nordseeküste hat ein Tornado für Verwüstung gesorgt, mehr als 50 Häuser wurden stark beschädigt. Auch auf den Inseln stürmte es.
Heftige Sturmböen an der Nordseeküste: Im Kreis Aurich in Ostfriesland hat ein Sturm am Montagabend für Verwüstungen gesorgt. "Es ist Chaos", sagte ein Feuerwehrsprecher. Unzählige Bäume seien umgekippt, Dächer abgedeckt und auch Dachfirste weggerissen. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) hat es sich hierbei um einen Tornado gehandelt. „Aufgrund von Augenzeugen und Videomaterial kann man eindeutig sagen, es war ein Tornado gestern Abend“, sagte der Tornadoexperte des Deutschen Wetterdienstes (DWD), Andreas Friedrich am Dienstag.
Am Montagabend hatte ein starker Sturm eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Einem Feuerwehrsprecher zufolge wurden mehr als 50 Häuser beschädigt, fünf Häuser seien nicht mehr bewohnbar. Gartenmöbel flogen durch die Luft, Verkehrsschilder und Dachziegel lagen laut Feuerwehrverband Aurich auf den Straßen herum. Zahlreiche Autos wurden bei dem Sturm beschädigt, ein Wohnmobil kippte auf die Seite und wirbelte auf die Straße. Verletzt wurde bei dem Tornado jedoch niemand. Der Bürgermeister der Gemeinde hatte über einen Facebook-Aufruf am Montagabend Notunterkünfte für die Betroffenen organisiert.
Tornado: Heftiger Sturm verwüstet Ostfriesland
Rund 100 Einsatzkräfte aus dem gesamten Kreis waren unterwegs, um an den betroffenen Häusern nach den Bewohnerinnen und Bewohnern zu sehen und um Straßen wieder freizuräumen, sagte ein Feuerwehrsprecher. Betroffen waren demnach vor allem die Orte Großheide, Ostermoordorf, Westermoordorf und Berumerfehn. Teilweise waren die Ortsstraßen auf mehreren hundert Metern durch umgekippte Bäume blockiert. Die Einsatzkräfte mussten sich die Wege zu den beschädigten Gebäuden mit Motorsägen freischneiden.
Durch die Entwurzelung eines Baumes kam es auch zur Beschädigung einer Gasleitung. Ein weiterer Baum kippte auf eine Stromleitung, sodass die Stromversorgung in mehreren Häusern ausblieb. Ein anderer Feuerwehrsprecher in der Leitstelle in Wittmund sprach von Sturmschäden in "nicht unerheblichem Ausmaß".
Kaltluft-Tornado zieht über die Nordsee
Laut DWD sei der Wirbelsturm als mittelschwerer Tornado der Klasse F2 eingestuft worden, mit geschätzten Drehgeschwindigkeiten zwischen 180 und 250 Stundenkilometern. Der Durchmesser des Tornados habe Schätzungen zufolge zwischen mehreren Dutzend bis zu 100 Metern gelegen. Videos aus Ostfriesland, die am Montagabend über Twitter verbreitet wurden, zeigten einen tornadoartigen rotierenden Wolkentrichter.
Bei dem Tornado habe es sich um einen sogenannten Kaltluft-Tornado wahrscheinlich ohne Superzelle gehandelt. „Das sind Tornados, die bilden sich in kalter Luft, wie sie gestern über Norddeutschland vorhanden war“, erklärte Friedrich. Ursache seien ausgeprägte Windscherungen - das heißt verschiedene Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen am Boden und in einem Kilometer Höhe. In diesem Gefüge entsteht eine rotierende Bewegung in der eigentlichen Wolke, die nach unten herauswächst und dann wie ein Rüssel aussieht.
Heftiger Sturm an der Nordseeküste: "Es ist katastrophal"
Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung sei groß, sagte Gemeindebürgermeister Fredy Fischer. „Es haben sich sehr viele gemeldet, die helfen wollten.“ Die Feuerwehr sagt dazu: "Die Nachbarschaftshilfe war enorm."
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Laut der Gemeinde Großheide sind die Straßen mittlerweile wieder freigeräumt. Einige Wege bleiben für die Aufräumarbeiten aber noch gesperrt. Fischer appellierte an Schaulustige, nicht an die Einsatzorte zu kommen, um die Aufräumarbeiten nicht zu behindern.
Über das genaue Ausmaß der Schäden gebe es noch keine Erkenntnisse, sagte der Bürgermeister. Einige Häuser seien nicht mehr reparabel, sagte Fischer. „Es ist katastrophal.“
„Strandunter“ auf Amrum: Hochwasser flutet Norddorfer Strand
Auch auf der Nordseeinsel Amrum war der Sturm deutlich zu spüren. In Norddorf stand bei aufkommender Flut plötzlich der ganze Strand unter Wasser – inklusive zahlreicher Strandkörbe. Hochwasser sollte am Montag eigentlich um 19.33 Uhr sein. „Um 18.30 Uhr kamen plötzlich heftige Windböen, die das Wasser blitzschnell über den ganzen Strand gedrückt haben. Das ging so schnell, dass wir gar nicht mehr reagieren und die Strandkörbe hochholen konnten“, sagte Strandkorbvermieter Heinz Jannen am Dienstag dem Abendblatt. Er und seine Kollegen der anderen Strandkorbvermietungen hätten nur noch im knietiefen Wasser stehen und aufpassen können, dass die Körbe nicht umgespült würden.
Der hohe Wasserstand kommt auf der Nordseeinsel zwar immer mal wieder vor, aber laut Jannen seien die Umstände diesmal etwas ungewöhnlich gewesen. „Wir hatten keine Springflut, sondern normales Hochwasser, da kommt das Wasser eigentlich nicht so hoch. Im Vorfeld waren zwar 60 Zentimeter über Normalnull gemeldet worden, es waren aber auf jeden Fall mehr. Und es ging sehr schnell“, so der Strandkorbvermieter. Auch sei das Wasser statt bis 19.33 Uhr noch bis etwa 20 Uhr gestiegen: „Durch den Wind ebbte das Wasser zunächst nicht ab.“ Die Körbe hätten den Sturm im Großen und Ganzen gut überstanden, Langzeitschäden seien jedoch nicht ausgeschlossen.
Sturmschäden auch auf Norderney
Auf Norderney rückte die Feuerwehr am Abend wegen des Tornados zu einem Einsatz aus. Dort sicherten Rettungskräfte am Januskopf im Westen der Insel ein Zelt, das in den vergangenen Tagen für Konzerte genutzt wurde. Den Sturmböen von bis zu 90 Stundenkilometern hielt das Zelt laut Feuerwehr nicht stand und brach teilweise zusammen. Verletzt wurde auch dort niemand.
Der Deutsche Wetterdienst prognostizierte für die niedersächsische Küste heute einzelne Gewitter und stürmische Böen mit bis zu 80 Stundenkilometern aus West bis Nordwest und außerdem Starkregen mit bis zu 20 Litern pro Quadratmetern und Stunde.
Im Laufe des Abends soll der Wind abflauen, hieß es auf der DWD-Website. Für Fehmarn und die Ostseeküste erreichen die Böen nur Windgeschwindigkeiten um die 70 Stundenkilometer. Trotzdem klettern die Temperaturen auf 20 bis 25 Grad.