Hamburg. Marion Glück arbeitet heute im Coaching und hilft anderen, stärker und zufriedener zu werden. Ihr Weg dorthin war nicht immer leicht.

Manchmal beginnt das Glück mit einer Niederlage. So wie bei Marion Kosmalla, die heute Marion Glück heißt und sich als Resilienz- und Führungs­coach in Hamburg ein kleines „Glücksuniversum“ aufgebaut hat. Ihre neue Website soll an diesem Wochenende online gehen – passend zum Weltglückstag am 20. März.

Fragt man die 39-Jährige, was Glück eigentlich ist und wie man es erreichen kann, so antwortet sie zunächst mit einem Hinweis auf die individuelle Lebenseinstellung und auch auf die Sprache, die schon beim Begriff selbst gravierende Unterschiede macht: „Glück ist für jeden etwas anderes. Wenn Sie im Englischen schauen, dann haben Sie ja Wörter wie happiness, fortune, luck, die nicht alle das Gleiche bedeuten.

Marion Glück: Glück unterscheidet sich bei Menschen

 Deshalb sollte man sich auch im Deutschen mal Gedanken darüber machen, was ich eigentlich meine, wenn ich über Glück spreche. Also: Wie bin ich, wenn ich glücklich bin? Fröhlich? Oder ausgeglichen?“ Das unterscheide sich von Mensch zu Mensch. Für sie selbst sei es ein Glück, dass sie heute alle Emotionen – auch die unangenehmen – wahrnehmen, zulassen und aushalten könne und diese nicht wie früher wegdrücke. Denn das hat sie tatsächlich einmal krank gemacht, an der Seele und schließlich auch am Körper.

Im Magdeburg der frühen 80er-Jahre geboren, erlebte Marion dort das, was man eine glückliche Kindheit nennt – zumindest, bis sie 14 Jahre alt ist. Sie hat berufstätige Eltern, die beide als Koch arbeiten, Großeltern mit eigenem Obst- und Gemüsegarten und einen kleinen Bruder. Die große Altbauwohnung ist zur DDR-Zeit noch eine mit Kachelofen; um zu heizen, muss der Vater reichlich Kohlen schleppen.

Dann aber geht es in den 90ern weg aus der Stadt, raus aufs Land, und plötzlich sind die Freunde der Skater-Clique fort und neue nicht in Sicht. Weil die Dorfjugend mit ihrer eher rechten Gesinnung so gar nicht auf ihrer Wellenlänge liegt, wird Marions innerlicher Protest bald auch äußerlich sichtbar: „Ich hielt es für sinnvoll, meine hüftlangen Haare demonstrativ mit Ostereierfarbe grün und rot zu färben. Nach der Schule ließ ich mich draußen nicht mehr blicken und guckte lieber in meine Bücher oder in den Fernseher.“

Glück fängt Lehre bei Bank an

Schon als Marion sechs Jahre alt ist, zeigt ihr die Mutter, wie man mit Karten Patiencen legt, Puzzeln bleibt bei heute eine ihrer Leidenschaften. Früh liebt es das Mädchen, Dinge zu ordnen und zu sortieren, und auch für das Leben hat sie bald einen Plan parat, eine Struktur, wie es beim Erwachsenwerden laufen könnte. Ihr Ziel nach dem Abitur: ein duales Wirtschaftsstudium. Und eine Stadt der Träume gibt es auch – Hamburg soll es sein, das Tor zur Welt, von der Marion damals noch nicht so viel gesehen hat.

Doch dann klappt es nicht mit Plan A, ein Plan B muss her. Der soll zunächst eine Banklehre sein, eine akademische Ausbildung kann ja später noch folgen. Ihr Bewerbungsgespräch läuft gut, der Azubi-Platz wird zugesagt – den möchte Marion aber erst nach einem Auslandsjahr antreten. Die Bank akzeptiert und bekommt schließlich eine Auszubildende, die zwischen Schule und erstem Lehrjahr zwölf Monate in den USA verbracht hat, als Au-pair in Minnesota.

Besichtigungsfahrt nach Hamburg

Nach der Lehre, die ihr nur teilweise Spaß gemacht hat und von der Marion Glück heute sagt, sie hätte zu oft im Interesse der Bank handeln müssen und nicht im Dienst der Kunden, ist die Zeit reif für den nächsten Schritt. Ein Kinobesuch mit der Mutter erweist sich als schicksalhafter Abend, denn vor dem Film läuft eine Werbung, in der es um Chancen und Karriere geht, aber vor allem um Attribute wie Zusammenhalt, Abenteuer und Kameradschaft. Es ist ein Spot der Bundeswehr, die Anwärter sucht – neuerdings auch Frauen.

Marion Glück ist elektrisiert: „Ich erfuhr, dass ich studieren und währenddessen bezahlt werden konnte, sollte ich mich dazu entscheiden, Offizier zu werden“, schreibt sie in ihrem autobiografischen Buch „Das Leben ist Bund“. Das Kreiswehrersatzamt organisiert für sie und andere Interessenten eine Besichtigungsfahrt nach Hamburg, man zeigt ihr die Helmut-Schmidt-Universität, an der Bundeswehrsoldaten ihr Studium absolvieren.

Am 1. Juli 2004 Antritt bei der Bundesmarine

All das überzeugt die junge Frau. Auch die Aufnahmeprüfungen schafft sie, obwohl vereinzelt Schwächen offenbar werden, in Mathe und vor allem im Sport. „Ich übte Sit-ups und Liegestütze und lief den Kanal vor der Haustür hoch und runter. Ich war eine Schnecke und versuchte, wenigstens zur Rennschnecke zu mutieren.“

Am 1. Juli 2004 rückt Marion Glück – damals immer noch unter ihrem Mädchennamen Kosmalla – bei der Marine in Flensburg-Mürwik ein. Das System Bundeswehr soll nun für mindestens zwölf Jahre ihr Leben bestimmen. Und das wird es – aber nicht nur im Positiven. Zwar schafft sie ihr Studium und nimmt eine Beförderungsstufe nach der anderen, doch zugleich offenbart sich ihr, dass „beim Bund“ Befehl und Gehorsam nicht immer etwas mit Führungsqualitäten zu tun haben und manchmal noch nicht einmal etwas mit Recht und Gesetz.

Auch privat läuft etwas schief, denn die Ehe mit jenem Mann, dem sie ihren neuen Nachnamen verdankt, scheitert, und das nach nur einem Jahr. „Eigentlich hätten wir gar nicht erst heiraten sollen“, bekennt Marion Glück und verschweigt dabei nicht, dass sie das alles in eine echte Depression gestürzt hat.

Emotionale Abwärtsspirale

Viele Momente im Leben hinterlassen Spuren – eine Hochzeit, eine Trennung, das Gefühl, an Grenzen zu stoßen, die man nicht überwinden oder einreißen kann. So geht es Marion Glück nach neun, zehn Jahren im Dienst immer öfter, Ärger und Frust mischen sich mit Traurigkeit. Schwäche zu zeigen, Hilfe zu suchen oder gar Systemfehler offen anzuprangern aber scheint keine gute Idee zu sein in der Hierarchiekonstruktion Bundeswehr, und so dreht sich die emotionale Abwärtsspirale irgendwann immer schneller.

Es ist eine Zeit, in der die Marine öffentlich für negative Schlagzeilen sorgt. Kadetten klagen hinter vorgehaltener Hand über Mobbing und eine unerträgliche Atmosphäre an Bord, auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ stürzt eine Offiziersanwärterin aus dem Mast und stirbt.

Marion Glück wäre damals gerne selbst auf dem Schiff gefahren, um zu verstehen, was dort vor sich geht, doch darf sie das nicht – was sie belastet. „Ich war traurig und wütend. Jetzt war ich zwar Offizier, hatte aber trotzdem nichts zu melden und den Unfall nicht verhindern können. Das war schlimm für mich. Noch schlimmer war, dass ich danach die Kameraden betreuen musste, die den Unfall miterlebt hatten. Ich fühlte mich, als würde ich bestraft werden.“

Glück wird Inspektionschefin

Als sie 2013 zum Kapitänleutnant befördert wird, folgt der Ruf an die Marineunteroffizierschule in Plön, wo Marion Glück Inspektionschefin wird. Prompt ätzt mancher in der Truppe, da pushe jemand wohl Quotenfrauen nach oben. Die Traurigkeit darüber blendet sie aus, um fokussiert zu arbeiten, denn nun ist sie für mehr als 100 Soldaten verantwortlich.

Doch der Gegenwind aus oberen Etagen bleibt, und er wird stärker. „Mich selbst vergaß ich dabei völlig. Um mich mit positiven Dingen zu beschäftigen, entwickelte ich Ausbildungsmittel. In mir hatte sich eine Leere ausgebreitet, ein großes, schwarzes Loch, welches ich mit Büchern, Möbeln, Männern, Schuhen und Klamotten, die mir nicht passten, zu stopfen versuchte.“

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Irgendwann kommt der Punkt, an dem das alles so nicht mehr weitergeht. Der Körper rebelliert, der Bauch schmerzt. Ein Blinddarmdurchbruch. Doch nicht nur das. Die Ärzte verordnen Marion Glück eine psychosomatische Therapie in Bad Pyrmont.

Und die verändert tatsächlich ihr Leben. „Es öffnete mir die Augen. Ich war richtig, aber in der Bundeswehr völlig falsch. Es lag an meinen Erwartungen an das System und nicht am System selbst. Mich konnte ich viel leichter verändern als die Bundeswehr. Ich blickte nicht zurück, sondern nach vorne und hatte auf einmal unendlich viel Handlungsspielraum, denn es gab noch so viel zu lernen.“

Ratgeberin für zukünftige Führungskräfte

Seit dem Abschied von der Bundeswehr ist Marion Glück nicht mehr Absender und Empfänger von Befehlen, sondern Zuhörer und Ratgeber für Menschen, die sich als Führungskräfte weiterentwickeln wollen – oder die einfach nur auf der Suche nach Resilienz sind. Gemeint mit dem Begriff ist psychische Widerstandskraft und die Fähigkeit, schwierige Lebenslagen schadlos zu überstehen.

Nicht alle Menschen haben von Kindheit an emotional betrachtet ein „dickes Fell“, doch kann man lernen, sich besser vor Mobbing und Stress zu schützen. Und hier hilft Marion Glück nun anderen, denn neben ihrer persönlichen Lebenserfahrung hat sie inzwischen auch eine Reihe anerkannter Fortbildungen vorzuweisen. Referenz­geber loben ihre Professionalität und fachliche Kompetenz und die offene Atmosphäre.

Marion Glück fand auch persönliches Glück

Auch privat hat Marion Glück ihr eigenes Glück inzwischen gefunden. Seit 2017 ist sie Teil einer Patchworkfamilie – ohne neuen Trauschein zwar, aber dafür mit einem liebevollen Mann und zwei inzwischen siebenjährigen Mädchen an ihrer Seite.