Hamburg. Der Filmemacher und Reporter erinnert sich an gemeinsame Zeiten mit dem HSV-Torjäger und an eine ganz spezielle Autogrammpost.

Als die Anfrage des Abendblatts am Freitag kommt, zögert Reinhold Beckmann nicht eine Sekunde. „Natürlich besuche ich euch gerne, um über Uwe Seeler zu sprechen.“ Drei Tage später sitzt der Journalist, Filmemacher und passionierte Musiker im Podcaststudio der Redaktion für eine neue Folge von „HSV – wir müssen reden“ und erzählt, dass er schon als Achtjähriger Bekanntschaft mit dem früheren HSV-Torjäger machte.

Geboren im niedersächsischen Twistringen, erspäht Beckmann sein Kindheitsidol zufällig in einem Kaufhaus im nur 30 Kilometer entfernten Bremen. „Ich habe so einen Schreck bekommen und mich in der Sportabteilung hinter dem Rücken meiner Mutter versteckt, als plötzlich Uwe Seeler auftauchte und dort als Vertreter Schuhe und Trikots lieferte.“

Uwe Seeler begleitete Beckmann sein ganzes Leben

Auch wenn das Herz des 66-Jährigen qua Geburt quasi eher für Werder schlagen musste – Seeler und der HSV begleiteten ihn sein ganzes Leben. „Ich trug mit Begeisterung die Uwe-Buffer von Adidas für 19,90 Mark. Wir wollten alle sein wie Uwe, haben unsere Aktionen beim Fußballspielen auf einem Bolzplatz kommentiert. Jeder kleinste Fallrückzieher war eigentlich einer von Uwe Seeler.“

Ganz genau erinnert er sich noch an einen Autogrammwunsch: „Ich schrieb auf den Brief einfach: Uwe Seeler, Hamburg, Nationalspieler. Eine Woche später kam der Brief zurück mit zwei unterschriebenen Autogrammkarten. Das war für uns auf dem Dorf wie Weihnachten.“

Seeler immer beim „Tag der Legenden“ dabei

Viel später, als sie sich längst gut kannten und häufiger bei Veranstaltungen sahen, erzählte ihm Beckmann von diesen Kindererlebnissen, und Seeler amüsierte sich köstlich über die Anekdoten. „Er fand es wohl ganz putzig, dass einer vom Land in der Nähe von Bremen so ein Uwe-Seeler-Fan gewesen ist.“

Die Bande verstärkten sich noch mit dem „Tag der Legenden“, der Benefizveranstaltung, die Beckmann zugunsten seiner Jugendinitiative Nestwerk zwölf Jahre lang ausrichtete. „Wer war immer dabei? Natürlich Uwe. Er kam zwölfmal extra aus dem Urlaub und wurde im St.-Pauli-Stadion von den Menschen gefeiert.“

„Vielleicht ist Uwe bald nicht mehr da"

Auf gewisse Art und Weise schloss sich für Beckmann im vergangenen Jahr ein Kreis, als er seinen großen Wunsch in die Tat umsetzen konnte. Ausgangspunkt war Seelers 85. Geburtstag am 5. November 2021. Aber ihn beschlich das Gefühl: „Vielleicht ist Uwe bald nicht mehr da, da muss noch was gemacht werden.“

Uwe Seeler mit Reinhold Beckmann in der NDR-Doku „Einer von uns“.
Uwe Seeler mit Reinhold Beckmann in der NDR-Doku „Einer von uns“. © Unbekannt | NDR

Gemeinsam mit Ole Zeisler erstellte Beckmann für den NDR die 45-minütige Dokumentation „Uwe Seeler – einer von uns“, die vor allem den gemeinsamen Weg von Ilka und Uwe herausstellte. Denn: „Um Uwe zu verstehen, muss man auch auf Ilka schauen.“ Dem seit 1959 verheirateten Ehepaar sei es, so sein Eindruck, wichtig gewesen, einen Film zu erstellen, der ihnen beiden gerecht wird.

„Uwe hat sehr gelitten in den vergangenen zwei Jahren"

Wie kaum ein anderer erlebte Beckmann aber auch, wie schlecht es Seeler zunehmend ging. „Uwe hat sehr gelitten in den vergangenen zwei Jahren. Ich habe wirklich gedacht: Mensch Uwe, du kämpfst wirklich, dein Körper ist nicht mehr an deiner Seite.“

Reinhold Beckmann im Studio des Abendblatts.
Reinhold Beckmann im Studio des Abendblatts. © Unbekannt | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Was aber bleibt, sind viele lebhafte Erinnerungen an bessere Zeiten, die sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt haben. „20. Februar 1965, der Tag des Auswärtsspiels des HSV in Frankfurt. Um 17.45 Uhr begann die ,Sportschau‘, und wir saßen zu Hause vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher von Philips mit Ziehharmonika-Tür. Dann sahen wir den Unfall. Uwe lag auf dem Schneeboden, wir hörten förmlich den Peitschenschlag, als seine Achillessehne riss. In dem Moment dachte ich: Jetzt ist der Fußball tot, jetzt ist alles vorbei.“

Seelers Name steht für einen anderen Fußball

Wie wir wissen, gab es ein Happy End mit einem Seeler-Tor beim WM-Qualifikationsspiel in Schweden. Unvergessen für Beckmann auch das berühmte Hinterkopftor von Seeler bei der WM 1970 gegen England: „Die Flugbahn des Balles kann noch heute niemand erklären.“

Seelers Name, das wird aus den Worten Beckmanns mehr als deutlich, steht für einen anderen Fußball, aber nicht nur für eine Erinnerung an die Zeit vor der Bundesliga, es hat auch etwas mit seiner Haltung zu tun. Diese Bodenständigkeit von „Uns Uwe“, nicht eitel zu sein, sei gewissermaßen ein Gegenentwurf zu den „Posterboys“ von heute: „Da knallen Fußball-Tradition und Moderne aufeinander.“

HSV-Stadion: Beckmann für Änderung des Namens

Für Beckmann ist ganz klar, dass das HSV-Stadion in Zukunft auch Seelers Namen tragen muss. Er hat zwar hautnah bei Premiere (heute Sky) und Sat.1 miterlebt, wie sich der Fußball wandelte nach dem Ende der aktiven Karriere von Uwe Seeler in den 70er-Jahren, besonders auch durch das Privatfernsehen. Doch der Kommerz endet für ihn hier. „Ich habe einen Vorschlag. Es muss klingen. Ich fände es deshalb gut, wenn das Stadion in Zukunft Volksparkstadion Uwe Seeler hieße. Und die Straßenumbenennung würde ich gleich mit ins Paket nehmen.“

Ob es sich Vereine heute noch leisten könnten, auf diese Millionen zu verzichten? „Schietegal. Für Uwe und das Volksparkstadion in alter Erinnerung an die Zeiten. Ich möchte keinen Firmennamen da oben auf dem Dach haben. Nein!“

Auch der Michel als Ort für Trauerfeier im Gespräch

Zurückhaltend reagiert Beckmann hingegen bei der Frage, wo die Trauerfeier für den Ehrenbürger der Stadt stattfinden könnte. Nicht der Michel oder das Rathaus, sondern besonders das Volksparkstadion scheint aktuell eine Option zu sein, um möglichst vielen Hamburgerinnen und Hamburgerinnen die Chance zu geben, sich persönlich vom HSV-Idol zu verabschieden.

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Doch Beckmann ist befangen, bei ihm kommen sofort die Bilder hoch von der Trauerfeier für den früheren Nationaltorwart Robert Enke im November 2009. Er musste die bewegende Veranstaltung für die ARD kommentieren und damals nicht nur einmal hinter dem Mikrofon schlucken. „Ich musste schwer kämpfen, um da durchzukommen.“ Der Michel sei toll, passe zu einem Ehrenbürger, passe zu Hamburg. „Aber wenn die Familie so entscheidet, wird Uwe vor großem Publikum im Stadion verabschiedet.“

Uwe Seeler: Erinnerungen verlieren nie an Gültigkeit

Beckmann ist traurig über den Tod Seelers, aber was ihn tröstet: „Es ist toll, dass Uwe solche Erinnerungen hinterlassen hat, die möglicherweise noch in 100 Jahren Gültigkeit haben werden.“ Und er wird seine unbeschwerte Kindheit für immer mit Uwe Seeler verbinden.