Hamburg. Über 60 Jahre lang waren Uwe und Ilka Seeler verheiratet. 2019 verrieten sie anlässlich ihrer Diamanthochzeit das Geheimnis ihrer Ehe.
Uwe Seeler ohne seine Ilka – das war nicht vorstellbar. Am 18. Februar 1959 gaben sich der damals 22 Jahre junge Mittelstürmer des HSV und Ilka Buck, die Clubkameradin von den HSV-Handballerinnen, in St. Johannis in Eppendorf das Jawort.
Noch am Tag der Hochzeit zogen sie in ihr Haus in Norderstedt. Mehr als 63 Jahre blieben sie unzertrennlich. Anlässlich ihrer diamantenen Hochzeit gaben sie dem Hamburger Abendblatt 2019 in einem Norderstedter Steakhaus ein großes Ehe-Interview. Wie Bälle schossen sich Ilka und Uwe die Erinnerungen nur so um die Ohren.
Uwe und Ilka Seeler: Über 60 Jahre lang verheiratet
Uwe Seeler: 60 Jahre her ist das alles. Wahnsinn. Ich weiß gar nicht, wo die ganzen Jahre geblieben sind.
Ilka Seeler: Geht mir auch so. Das Leben rannte so schnell. Vielleicht, weil immer so viel Neues passierte.
Nehmen Sie uns mit in die Vergangenheit. Wie liefen 1959 die Feierlichkeiten ab?
Uwe: Bei den Schwiegereltern in Eppendorf gab es den Polterabend, die Hochzeitsfeier fand dann im HSV-Clubheim an der Rothenbaumchaussee statt. Ilka, weißt du noch, ob das an einem Dienstag oder Mittwoch war?
Ilka: Auf jeden Fall mitten in der Woche.
Uwe: Wir mussten ja am Sonnabend schon wieder in der Oberliga spielen.
Ilka: Auf die Idee wäre man damals gar nicht gekommen, an einem Sonnabend zu feiern, Fußball mit dem HSV ging doch vor. Und auf einen anderen Termin wollten wir nicht länger warten, denn unser Haus war fertig.
Uwe: Alles eingerichtet. Wir mussten bloß noch einziehen, das geschah am Tag der Hochzeit.
Frau Seeler, Sie haben Ihren Clan früher mal als „Italiener des Nordens“ bezeichnet, um die große Zusammengehörigkeit der Familie zu beschreiben. Von Streit bei den Seelers wurde auch nie etwas bekannt, jedenfalls nicht der Öffentlichkeit.
Ilka: Natürlich gibt es hier und da mal Ärger, aber es ist nie so gewesen, dass uns das auseinandergebracht hätte. Uwe hat ja 60 Jahre unter mir gelitten.
Uwe: (lacht).
Ilka: … und unsere Kinder auch. Jetzt mal im Ernst: Unsere Kerstin hat es in unserem Büro nicht immer leicht gehabt mit mir. Und umgekehrt. Ich wollte vielleicht mehr Power von ihr, sie wollte vielleicht weniger Power von mir.
Aber man sagt doch, dass man mit der Zeit ein wenig milder wird ...
Uwe: Ich sage euch jetzt mal die reine Wahrheit ...
Ilka: ... vorsichtig, Mäuschen!
Uwe: Ich persönlich kann mich glücklich schätzen, dass Ilka alles übernommen hat, weil ich ja nie da war. Sie hat es ganz toll gemacht, auch mit den Kindern. Ich habe alles weggeschoben. Nur in Notfällen bin ich bei Problemen gefragt worden. Sie kann stolz darauf sein, wie wunderbar alles gelaufen ist.
Ilka: Ich habe vielleicht auch Glück gehabt, denn während seiner aktiven Karriere war ein Wechsel nicht so leicht.
Sie meinen nicht den Clubwechsel, oder?
Ilka: Genau, den Frauenwechsel. Das war ja nicht gang und gäbe. Heute ist das alles leichter. Aber es gibt ja auch die andere Seite. Es hätte auch für mich Männer geben können, die mich interessieren. Uwe war ja viel unterwegs, und ich bin nicht immer zu Hause geblieben ...
Gab es denn attraktive Männer beim HSV?
Uwe: Wenn der Mannschaftsführer gesehen oder bemerkt hat, dass sich ein Spieler an die Frau des Kollegen herangemacht hat, dann ist er sofort eingeschritten. Es gab sehr wohl den einen oder anderen Spieler, der das wagte, aber das hat Jupp Posipal sofort geregelt, das mochte er gar nicht haben.
Ilka: Nicht umsonst haben so viele Fußballer-Ehen aus dieser HSV-Zeit bis heute gehalten. So etwas wäre heute doch kaum möglich.
Also gibt es kein ewiges Erfolgsrezept für eine glückliche, lange Ehe?
Ilka: Es passt oder nicht, in jungen Jahren und im Alter. Alt ist schwieriger.
Uwe: Man muss mehr Rücksicht nehmen. Das ist kein Schmalz, was ich jetzt sage: Im Grunde bin ich ja so zufrieden, weil sie alles so gut macht. Es war Gottes Fügung.
Ilka: Ich mache das ja nur nach deiner Anweisung.
Uwe: Nee, nee, das ist schon toll. Sonst hätte ich das alles gar nicht umsetzen können, was ich gemacht habe. Was mir alles abgenommen wurde ... Es geht auch viel um Vertrauen. Schon seit jungen Jahren kümmert sich Ilka um unsere Finanzen. Das Vertrauen hatte ich.
Kennen Sie Ihren aktuellen Kontostand?
Uwe: Nee.
Ilka: Fragen Sie ihn doch mal, ob er weiß, wo die Bank ist …
Uwe: (lacht) Du, in unserem Kaminzimmer steht eine Bank.
Ilka: Er kam aus recht geordneten Verhältnissen, da gab es kein Affentheater um irgendetwas. Ich bin selbstständiger groß geworden. Da hat er wohl gedacht: Bei der kannst du Vertrauen haben. Ich hatte schon früh seine Vollmacht und hätte alles verkloppen können.
Uwe: Der ältere Notar hat Ilka rausgeschickt und mich gefragt: Was Sie da unterschreiben, wollen Sie das wirklich?
Ilka: Unserem Enkel, der ja auch ein bisschen Fußball spielt (Levin Öztunali, d. Red.), haben wir gesagt: In der heutigen Zeit darfst du das nicht so regeln, wie wir das damals getan haben.
Klingt sehr harmonisch.
Ilka: Wir maulen uns auch mal an.
Uwe: Das gehört dazu.
Ilka: Er ist der ruhigere, harmonische Teil in der Beziehung.
Mit der Zeit, so heißt es, verfestigen sich ja die Positionen, die Marotten nehmen zu. Wie gehen Sie mit Zwist um?
Uwe: Mit einer Ruhepause. Und dann ist es wieder gut. Ich bin nicht nachtragend.
Ilka: Wenn der andere, also in dem Fall ich, ihm freundlich entgegenkommt, hat er das Problem schnell wieder vergessen. Und dann haben wir Frauen ja auch einige Tricks auf Lager.
Uwe: Gott sei Dank …
Ilka: Man muss sich nur darauf einlassen. Logisch.
Haben Sie sich auch mal richtig gezofft?
Ilka: Oh, ja, vor allem nach dem Ende seiner Karriere. Ich neige dazu, etwas herrschsüchtig zu sein. Früher hat er das mit sich machen lassen. Nun war er zu Hause, wollte plötzlich alles wissen: Wann gehen die Kinder zur Schule, wann müssen sie zum Zahnarzt …?
Uwe: Ich wollte dir Arbeit abnehmen.
Ilka: Wir sind erst klargekommen, als es richtig geknallt hat. Die ganze Nacht haben wir geredet.
Der heftigste Knall in Ihrer Ehe?
Uwe: Ja.
Ilka: So wurdet ihr Männer ja groß, dass ihr diejenigen vom Vorstand der Familie seid, das wollte er sich zurückerobern. Aber ich wollte nichts hergeben.
Wie ging die Geschichte aus?
Ilka: Uwe beschäftigte sich mit seinem Kompagnon mit einer Hemdenfabrik, war wieder häufig außer Haus. Und ich hatte meine Sachen wieder.
Wer ist heute der Chef?
Ilka: Mäuschen! Er sagt, was ich tun soll, und das tue ich dann auch.
Uwe: Stimmt nicht! Sie darf heute genauso wirken wie immer schon. Und ich muss sagen: Das läuft auch immer wunderbar. Ich hatte wie gesagt nie etwas zu beanstanden.
Ilka: Dafür musste ich aber auch immer die unangenehmen Dinge erledigen.
Uwe: Also, wenn alle so leben würden wie wir, gäbe es viele zufriedene Menschen auf der Erde.
Ilka: Aber es muss auch mal knallen.
Uwe: Ach, Ilka, knallen würde ich das nicht nennen ...
Ilka: Bei uns Alten? Da knallt es heute zum Beispiel, weil wir was vergessen. Das werfen wir uns dann gegenseitig vor.
Uwe: Das stimmt allerdings. Die Festplatte da oben wird älter (tippt sich auf den Kopf), man vergisst mal was.
Ilka: Mit dem Älterwerden kommen ja auch andere Dinge dazu. Man kann nicht mehr so schnell spazieren gehen, nicht so schnell die Treppen rauflaufen. Alles geht behäbiger. Das erkennt der andere zwar grundsätzlich an, will es aber manchmal nicht wahrhaben. Das wird schon schwieriger im Alter.
Uwe: Vieles von früher kann ich nicht mehr machen. Nur zugucken.
Als Sie 80 Jahre alt wurden 2016, haben Sie es locker genommen und gesagt: Die Acht, die lacht. Ist das auch heute Ihr Leitmotiv?
Uwe: Inzwischen habe ich einen anderen Spruch drauf: Alt werden ist nichts für Feiglinge. Du musst da durch, das werden Sie auch irgendwann merken. Plötzlich, fast unbemerkt, schleichen sich einige Dinge ein, auch negative. Und dann müssen Sie damit fertig werden und dürfen nicht herummeckern.
Ilka: Nachdenklich wirst du vor allem, wenn der eine krank wird oder sogar ins Krankenhaus muss. Vorher hattest du dich vielleicht gerade gestritten, und dann sagst du dir in dem Moment: Was soll das eigentlich? Lass ihn lieber wieder gesund werden. Man hat schon Angst.
Uwe: Ich hatte ja einige Operationen in den vergangenen Jahren, auch mit dem Herzschrittmacher. Das war schon recht viel. Darüber habe ich mich gerade mit meinem Bremer Freund Max Lorenz unterhalten, der auch am Herzen operiert wurde. Nach einer Narkose brauchst du etwas länger, als wenn du 30 bist. Das muss man wissen.
Wie schwer fällt Ihnen das? Sie waren ja ein Sportler durch und durch.
Uwe: Zu realisieren, dass ich gar nichts mehr machen kann, kein Tennis, kein Golf, kein Fahrradfahren, das hat sicher zwei Jahre gedauert, bis es oben in der Birne angekommen ist. Ich sage mir aber: Den Weg gehen wir alle, davon kann sich keiner wegschleichen.
Aber man schaut trotzdem nach vorn, nimmt sich vor, was man noch erleben möchte in der Zukunft, oder?
Ilka: Sie können noch nicht mitreden. Werden Sie erst mal 80.
Okay, dann anders gefragt: Was nehmen Sie sich trotz der Einschränkungen vor für die kommenden Jahre?
Ilka: Gesundheit. Das ist so dahergesagt. Aber wenn du normal gehen kannst und nicht humpelst, kann das ein unglaublicher Wert sein. Freundlich miteinander zu bleiben, das wäre auch was. Zu versuchen, den anderen Menschen zu verstehen, auch wenn er alt ist.
Uwe: Ich bin wunschlos glücklich. Wenn es einigermaßen so bleibt, wenn ich so noch ein paar Jahre machen kann, ist es gut.
Ilka: Ich würde gerne noch zehn Jahre hier unten bleiben.
Uwe: Ja, das könnten wir aushalten.
Ilka: Aber dann musst du noch nett mit mir umgehen. Ich bin Sternzeichen Fische. Sehr sensibel.
Uwe: (lacht) Die musst du mit Samthandschuhen anfassen. Aber das mache ich doch auch jeden Tag.
Gäbe es eine Zeitmaschine, wohin würden Sie gerne noch mal reisen?
Ilka: Ich habe ja alle Weltmeisterschaften besucht, eine Ausnahme damals. Wenn ich zurückdenke, war die tollste WM die in Mexiko. Das Land, die Menschen …
Uwe: … die Schiffsreise nach Amerika ...
Ilka: Ich musste das selbst organisieren. Glücklicherweise hat mich ein Hamburger aus Eppendorf, dessen Familie nach Mexiko ausgewandert war, eingeladen. Bei denen haben wir gewohnt. Ehe ich da war, dauerte es ein bisschen. Ich reiste mit einem befreundeten Ehepaar nach New York, wo Verwandte lebten. Mit der „Bremen“ haben wir sieben, acht Tage gebraucht. Wunderschön. Auch wenn wir bestimmt acht Pfund zugenommen haben wegen des leckeren Essens.
Uwe: Das Schiff wäre fast untergegangen vor lauter Wackeln, weil die nachts so viel geschwoft haben.
Wie haben Sie das organisiert bekommen mit den Kindern?
Ilka: Zum Glück hatte ich schon beizeiten eine Haushälterin, die mir viel Arbeit abgenommen hat. Da war Uwe im Gegensatz zu anderen Männern großzügig. Andere waren geizig, weil ihnen das zu viel kostete, aber Uwe hat gesagt: „Wenn du eine Hilfe brauchst, dann holst du sie dir.“ Das war eine riesige Erleichterung für mich, das rechne ich ihm hoch an. Dadurch konnte ich auch immer mit, wenn Uwe sagte, dass ich mitsollte.
Uwe: Unsere Haushälterin gehörte zur Familie, diese Frau war eine Seele von Mensch, die war einmalig.
Ilka: Das war eine wunderschöne Zeit. Obwohl ich meine Kinder schon öfter allein gelassen habe, weil ich mit Uwe auf Reisen war. Das haben mir meine Töchter auch noch Jahre später vorgehalten.
Wie gingen Ihre Töchter mit Ihrer Prominenz um?
Uwe: Auf die Kinder hat sich meine Karriere nicht nur positiv ausgewirkt. Die konnten mit dem Lob nichts anfangen. Dann hieß es immer: dein toller Vater. Ein Blödsinn.
Ilka: Ein Grund, warum aus unseren Kindern keine Sportler geworden sind, war der Druck, den Uwe unwissentlich erzeugt hat. Damit kamen sie überhaupt nicht zurecht. Eine unserer Töchter hat sehr gut Tennis gespielt. Wenn sie auf Platz sechs gespielt hätte, wo kein Schwein war, hätte sie die Meisterin geschlagen. Auf Platz eins hätte sie sogar gegen mich verlieren können.
Was strahlte denn Uwe aus?
Ilka: Er konnte nicht gut verlieren.
Uwe: Schwer.
Ilka: Ich habe das selbst beim Tennis erlebt. Da hätten wir einen Anwalt gebraucht.
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Das müssen Sie erklären.
Ilka: Wir hatten uns mit einem netten Ehepaar verabredet. Mein Mann spielte exzellent Tennis, ich war auch nicht ganz schlecht. Trotzdem haben wir verloren! Ich stand so unter Druck.
Uwe: Dabei habe ich gar nichts gesagt.
Ilka: Aber geschaut! Wir haben nie wieder gegen Freunde gespielt. Da hätte eine echte Krise daraus erwachsen können.
Wie tolerant mussten Sie sein als Frau eines so prominenten Menschen?
Ilka: Sie müssen wissen, dass ich eifersüchtig wie Hulle bin.
Uwe: (lacht) Bei uns gab es nie einen Grund.
Ilka: Ich habe immer gesagt: Mäuschen, denk dran, ich bin eifersüchtig. Dein Karton vor der Tür – und tschüs. Wenn ich daran denke, wie wir zur Kieler Woche gefahren sind früher. Da wurde schon getrunken, wenn du den ersten Fuß aufs Schiff gesetzt hast. Da benehmen sich die Menschen plötzlich anders. Einige Frauen wollten ein Autogramm von ihm auf der Brust haben. Das hätte ich ihm übel genommen. Es gibt Grenzen! Wir haben Sachen erlebt … – das gehört alles zu den 60 Jahren.
Lesen sie morgen in Teil 2:TV-Moderator Reinhold Beckmann über seine letzte Begegnung mit Uwe Seeler