Hamburg. Maßnahmen wie in Dippoldiswalde werden auch in Hamburg diskutiert – und nicht von allen ausgeschlossen.
Kein warmes Wasser mehr in der Nacht, auch nicht vor- und nachmittags. Und die Heizung wird erst im September wieder angestellt. Wie berichtet, will die sächsische Wohnungsgenossenschaft in Dippoldiswalde mit einer Warmwasserrationierung auf die gestiegenen Energiepreise reagieren. Könnte das Beispiel auch in Hamburg Schule machen? Das Abendblatt hat sich bei Wohnungsunternehmen, dem Mieterverein und dem Grundeigentümer-Verband umgehört.
Energiekrise: Wird auch in Hamburg das warme Wasser rationiert?
Ganz so drastisch wollen die Wohnungsunternehmen hier vorerst noch nicht vorgehen. Doch Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), hält im Falle eines russischen Gaslieferstopps eine Warmwasser-Versorgung rund um die Uhr für verzichtbar und plädiert für die Aufhebung von „Denkverboten“. Und die Saga Unternehmensgruppe, zu deren Bestand rund 140.000 Hamburger Wohnungen gehören, setzt bereits Energiesparmaßnahmen um, zu denen auch eine Absenkung der Raumtemperatur gehört.
Warmwasser nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung zu stellen, sei allerdings nicht geplant, so Saga-Sprecher Gunnar Gläser. „Es müssen unter anderem gesetzliche Vorgaben wie die Legionellenprophylaxe eingehalten werden.“ Aber es sind andere Schritte geplant, die den Energieverbrauch verringern sollen. „Wir werden sukzessive hydraulische Abgleiche an den Heiz- und Warmwasser-Anlagen durchführen und Heizkörper mit smarten Thermostaten nachrüsten, die eigenständig die individuell eingestellten Temperaturen halten.“
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Wer es in der Vergangenheit gern kuschelig warm hatte, wird sich umstellen müssen. Denn auch die Vorlauf-Temperaturen der Heizungsanlagen sollen laut Unternehmen so eingestellt werden, dass die maximal möglichen Raumtemperaturen tagsüber auf die gesetzlich vorgeschriebenen 20 bis 22 Grad reduziert und dadurch die Verbräuche gesenkt werden.
VNW-Chef Breitner hält das nächtliche Abstellen von Warmwasser für denkbar
Darüber hinaus werden die Saga-Wohnungen auch mit wassersparenden Armaturen ausgestattet, um die Kalt- und Warmwasser-Verbräuche auf das Notwendige zu begrenzen. „Wir appellieren dringend an unsere Mieterinnen und Mieter, Energie zu sparen. Denn die einzige Möglichkeit, die Kosten zu begrenzen, ist den privaten Verbrauch zu reduzieren“, so Gläser. Um den Appell zu verbreiten, hat das Unternehmen mehrsprachige Broschüren und Informationsmaterial zusammengestellt, das über verschiedene Kanäle verteilt wird.
Für VNW-Chef Andreas Breitner wäre eine Warmwasser-Rationierung denkbar: „Sollte es infolge von Gasmangel zu Rationierungen kommen, dann am besten da, wo es am wenigsten wehtut. Warmwasser in der Nacht abzustellen würde ich dazu zählen.“ Dass derartige Lösungen nicht allen Menschen gerecht werden und manche, etwa Schichtarbeiter, ein berechtigtes Bedürfnis nach nächtlichem Duschen hätten, sei ihm bewusst, so Breitner.
Dennoch bemühe sich die Wohnungswirtschaft derzeit um einen „mietrechtlich sicheren Rahmen“, sollten Rationierungen umgesetzt werden müssen. „Vermieteter Wohnraum muss für die Nutzung des Wohnens geeignet sein, heißt es im Mietrecht. Ob eine 24-Stunden-Warmwasserversorgung in Notzeiten dazugehört, bezweifele ich.“
Mieterverein Hamburg fordert Ende der Warmwasser-Rationierungs-Diskussion
Die grundsätzliche Frage, welche Beschränkungen dem einzelnen Menschen in einer Mangelsituation zugemutet werden können, darf Breitners Ansicht nach nicht lauten: keine. Denn den Schaden, der durch einen russischen Gaslieferstopp entstehe, könne man „nur gemeinsam und solidarisch begrenzen“. Dazu gehöre, dass auch Denkverbote fallen müssten. „Entscheidend bei allem, was wir tun sollten, sind die Antworten auf zwei Fragen“, so Breitner. „Was bringt am meisten? Und was tut am wenigsten weh?“
Auch in der Schiffszimmerer-Genossenschaft werden derzeit Maßnahmen zum Einsparen von Heizenergie diskutiert, sagt Vorstand Matthias Saß, „allerdings noch nicht in der Tragweite wie in Dippoldiswalde“. So werde geprüft, wie „mit geringem investivem Aufwand“ kurzfristig Einsparpotenziale erreicht werden könnten. Zudem wurden die Genossenschaftsmitglieder erneut um die freiwillige Anpassung der Vorauszahlungen gebeten. „Bei uns hängen gut 3700 Wohnungen am Gas“, so Saß. Zum Vergleich: Die Genossenschaft Dippoldiswalde mit 600 Wohnungen hatte die Betriebskostenvorauszahlungen im April erhöht. Sie muss gegenüber dem örtlichen Energieversorger derweil mit 400.000 Euro in Vorkasse gehen. Bislang waren es 100.000 Euro.
Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg fordert ein Ende der Diskussion um Warmwasser-Rationierung und Absenkung von Mindesttemperaturen. „Sie lenkt von dem ab, was eigentlich erforderlich wäre.“ Die Wohnungswirtschaft sollte alles tun, um die Effizienz der Heizungsanlagen sicherzustellen, statt „vorauseilend Maßnahmen zu ergreifen, die gravierend in die Vertragsverhältnisse und die Lebensumstände der Mieterinnen und Mieter eingreifen“. Ein generelles Absenken der Raumtemperaturen ungeachtet des energetischen Zustands des Gebäudes sehe er „sehr kritisch“, da ohne eine angemessene Beheizung das Risiko für gesundheitsschädliche Schimmelbildung steige. Und Warmwasser-Rationierung wäre ein Eingriff in die vertraglich geschuldete Ausstattung der Wohnung, die zu einer Mietminderung berechtigen würde – es sei denn, die Versorgung sei unterbrochen.
Grundeigentümer-Verband: Vermieter sind nicht berechtigt zur Rationierung
Auch beim Grundeigentümer-Verband Hamburg denkt man darüber nach, wie man mit Preissteigerungen und möglichen Lieferengpässen bei der Gasversorgung umgehen soll. Mieter müssen sich aber vorerst keine Sorgen machen. „Vermieter sind zurzeit nicht berechtigt und auch nicht verpflichtet, Warmwasser zu rationieren oder Raumtemperaturen abzusenken“, betont der Vorsitzende Thorsten Flomm.
Zunächst einmal sei es Sache der Mieter, über mögliche Einsparungen beim Warmwasser-Verbrauch nachzudenken. Da sie verpflichtet seien, die höheren Kosten zu zahlen, müssten sie rechtzeitig über Preissteigerungen informiert werden. „Wenn sie erst mit der nächsten Betriebskostenabrechnung davon erfahren. ist es für Einsparungen schon zu spät.“