Hamburg. Sind smarte Uhren mit GPS nur etwas für übervorsichtige Eltern – oder brauchen unsere Kinder heute so ein Gerät? Ein Überblick.
Bei Themen rund um Elternschaft und Erziehung gibt es oftmals viele Überzeugungen, Ansichten, Haltungen und Ansätze, die die Geister scheiden. Und da kaum eine Themenwelt so emotional besetzt ist – schließlich geht es um unsere Kinder und damit auch um uns selbst – wird hitzig und kontrovers diskutiert. Und bei Gesprächen darüber, ob man seine Kinder überwachen, „tracken“ per GPS, können sollte, kocht die Stimmung oft hoch.
Ist das nur etwas für Helikopter-Eltern, solche, die aus Sorge keine Freiheiten erlauben können? Darüber sprach das Abendblatt mit Anja von Lom. Sie war Gast in unserem Familienpodcast „Morgens Zirkus, abends Theater“. Anja von Lom leitet in Hamburg die Deutschland-Repräsentanz von Xplora, einem norwegischen Hersteller von Smartwatches für Kinder.
Smartwatches für Kinder haben viele Funktionen
Diese großen digitalen Uhren werden über eine App auf dem elterlichen Handy gesteuert: Das, was am Handgelenk des Kindes zu sehen ist, wurde von den Eltern ausgewählt, das Gleiche gilt für die Inhalte. Denn eine solche Uhr macht es den Eltern nicht nur möglich, auf ein paar Meter genau zu sehen, wo sich das Kind gerade aufhält.
Die Uhr kann elterliche Nachrichten empfangen und vorgefertigte zurücksenden an die App der Eltern, zudem kann angerufen werden. „Dazu nutze ich mit meinen Kindern, die sind neun und sechs Jahre alt, die Uhren eigentlich am meisten“, sagt von Lom. „Meine Tochter ruft nach der Schule an und fragt, ob sie noch mit in den Schrebergarten der Freundin gehen darf. Meinem Sohn gebe ich über die Uhr Bescheid, wenn er von einem Besuch bei seinem Freund langsam nach Hause kommen soll.“
Kinder-Smartwatch extra für Kinder entwickelt
Damit ersetzt die Smartwatch das Telefonat mit anderen Eltern und gibt dem Kind die Möglichkeit, sich in Absprache mit mehr Freiheit spontan entscheiden zu können. Eine Reminiszenz an unser digitales Leben? Daran, dass auch wir Erwachsene so agieren? Wir, die unser Handy immer dabeihaben und es nutzen. Das sehen die Kinder, dadurch entsteht Interesse. Doch braucht es ein eigenes Handy schon im Grundschulalter?
„Definitiv nicht, Smartphones wurden ja nicht für Kinder entwickelt“, weiß von Lom. Die Kinder-Smartwatch dagegen schon. Viele sehen sie deshalb als Vorstufe zum ersten eigenen Mobiltelefon, das es in der weiterführenden Schule geben soll. „Unsere Smartwatch ist ein Handy in Uhrenformat.“ Mit dem könne man mit einer SIM-Karte telefonieren. Aber die Uhr sei sicherer als ein Smartphone.
Kein Zugang zum Internet
Denn die Eltern richten zum Beispiel die Kontakte ein, niemand Fremdes kann die Kinder anrufen, es gehen nur Anrufe durch, die die Eltern eingespeichert haben. Sollte eine fremde Nummer anrufen, wird dieser Anruf abgewiesen, und die App sendet eine Benachrichtigung darüber an die Eltern.
Besonders wichtig: Es besteht kein Zugang zum Internet. Viel zu gefährlich für die Zielgruppe. „Für Kinder ab fünf Jahren, wenn sie die ersten eigenen Wege machen, wurde die Kinder-Smartwatch entwickelt“, so von Lom. „Deshalb sind auch Dinge darauf, die den Kindern Spaß machen, man kann beispielsweise gemeinsam mit den Eltern Musik darauf laden.“
Belohnungen für Schritte
Die Kinder können auf der Uhr auch – das reizt die meisten ganz besonders – die Anzahl der eigenen Schritte sehen. „Wir möchten, dass Kinder sich wieder mehr bewegen, dass sie nicht nur zu Hause vor dem Tablet sitzen. Dazu motiviert sie die Schrittzähler-Funktion. Die Schritte werden in Münzen umgewandelt.“
Mit diesen können dann online Produkte gekauft werden, darunter Springseile, Kinokarten, Sportgeräte für draußen. „Man wünscht sich natürlich, dass die Kinder von alleine rausgehen, aber für viele Kinder ist das ein Anreiz. Kinder, die daran teilnehmen, bewegen sich 2,2-mal so viel wie andere“, sagt von Lom.
Extra-Modus für die Schulzeit
Trügerisch sei jedoch die Annahme, dass die Uhr die Kinder schütze. Wie auch. Das Kind müsse wissen, wie es sich verhalte, wenn es draußen allein unterwegs sei. Von Lom hat ihren Kindern beispielsweise beigebracht, die Straßenseite zu wechseln, wenn sie sich nicht wohlfühlen in der Gegenwart anderer. „Doch die Uhr schützt ja nicht davor, dass das Kind über eine rote Ampel läuft.“ Wichtig ist, viel mit den Kindern zu sprechen, sie stark zu machen, damit sie wissen, wie sich verhalten dürfen. Denn: „Natürlich ist die Uhr kein Garant dafür, dass meinem Kind nichts passiert.“
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Und auch für die Schulzeit gibt es einen Modus, wieder eingestellt vom Eltern-Handy. Dann läuft der Schrittzähler im Hintergrund, und die Uhr zeigt lediglich digital die Zeit an. Welche Hamburger Grundschulen die Uhren (im Schulmodus) akzeptieren, sollten die Eltern individuell abklären. Während des Unterrichts ist der Standort des Kindes sowieso geklärt, die Uhr setzt in der Freizeit an. „Wir wollen die Kinder ja nicht in erster Linie überwachen, das ist ja nicht das Ziel der Uhr, sondern genau das Gegenteil. Es unterstützt die Kinder bei der Selbstständigkeit, es bestärkt die Kinder“, sagt von Lom.
Uhr hilft, Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen
Es gehe darum, als Eltern mehr zuzulassen und die Kinder zudem zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Viele Eltern haben zwar Angst, ihre Kinder allein loszulassen, wollen sich aber wieder mehr trauen, sodass die Kinder sich draußen allein bewegen dürfen. Doch ist eine „Überwachung“ via smarter Uhr dafür der geeignete Ausdruck? „Das liegt dann ja an den Eltern, nicht an dem Produkt. Klar ist es wichtig, mit den Kindern die Uhr zu besprechen, alle Funktionen zu zeigen. Dabei sollte man auch erzählen, dass man sehen kann, wo das Kind ist.“
Die Kinder müssten wissen, dass der Live-Standort abrufbar ist. „Aber andersherum gibt die Uhr auch Sicherheit, denn die Kinder könnten anrufen, wenn sie Unterstützung brauchen.“ Meist reiche allerdings das Wissen darüber aus. Somit hat die Uhr auch eine beruhigende Funktion. Für Kinder und ihre Eltern.
Die Uhren von Xplora für Kinder kosten gut 100 Euro und mehr.