Hamburg. Coach Daniel Duddek war früher selbst Opfer. Jetzt stärkt er Kindern und Eltern den Rücken. Das sind seine Tipps für Betroffene.
Das Leben auf dem Schulhof oder Spielplatz kann unbarmherzig sein. Viele Kinder und Jugendliche haben schon einmal Mobbing von Gleichaltrigen erlebt. Einer, der sich besonders gut mit dem Thema auskennt, ist der Buchautor und Coach Daniel Duddek, selbst Vater von zwei Kindern. In seiner Jugend wurde er selbst gemobbt.
Um da herauszukommen, wandelte er sich später vom Opfer zum Mittäter und half seinerseits, Gleichaltrige zu drangsalieren. Heute berät er Kinder und Eltern als Geschäftsführer sowie Ausbilder des Fortbildungsinstituts „Stark auch ohne Muckis“ zum Thema Mobbing. Seine Mission: Die Kinder stärken, um die Gesellschaft zu verändern.
Coach war früher Opfer von Mobbing
Als Kind, so erzählt er im Familien-Podcast „Morgen Zirkus, abends Theater“, sah er immer jünger aus, als er war. Später hatte er wenig Bartwuchs, aber dafür O-Beine. „Mit 13 begann die heiße Phase“, erinnert er sich. Heute würde man es Mobbing nennen, damals gab es das Wort noch nicht.
Doch Daniel Duddek litt darunter, dass er viel gehänselt wurde mit Sprüchen wie „Bei dem Bartwuchs reicht ein raues Handtuch zum Rasieren“ oder „Fußball wollen wir mit dir nicht spielen, du wirst eh immer getunnelt“. Wenn das über Monate geht und sich auch die eigene Familie lustig macht, „dann macht das was mit einem“, sagt Duddek.
Engagement in Theater-AG und als Kampfkunsttrainer
„Unglücklicherweise habe ich mich den Leuten angeschlossen, die mich kurz zuvor noch schikaniert hatten, und bin selbst auf die Täterseite gewechselt.“ Einfach aus Sorge, dass es ihn selbst wieder treffen könnte, wenn er nicht mitzieht. Immerhin: „So kenne ich heute beide Seiten aus eigener Erfahrung.“
Wie er aus dem Dilemma herausfand? „Irgendwann habe ich entdeckt, dass ich trotz all meiner Minderwertigkeitsgefühle auch Stärken habe.“ Und das war vor allem das Reden. Er engagierte sich in der Theater-AG, wurde zudem Kampfkunsttrainer. Und fand „einen Raum in meinem Leben, in dem ich weder Opfer noch Täter bin, sondern einfach ich.“
Fokus auf das Gute
Den Fokus auf das Gute zu lenken, war ein erster Schritt. Er wurde Erzieher, auch um nicht mit Männern zusammenzuarbeiten, der Beruf ist eher frauendominiert. Aus einem schlechten Realschüler wurde ein Einser-Fachabiturient. Duddek entdeckte, dass mehr in ihm steckt. Und dass Kinder zu stärken sein Thema ist. Er machte es zum Beruf.
Der 35-Jährige sieht Mobbing als Virus, das in der Gesellschaft grassiert. Jedes dritte Kind leide darunter, weil es selbst Opfer wurde oder dieses befürchtet, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Das Virus, so Duddek, breite sich aus, auch weil Kinder die Älteren nachahmten. „Je mehr wir als Erwachsene in Respektlosigkeit und Lagerbildung abrutschen, je mehr wir mit Demütigungen und Ausgrenzungen erziehen, desto mehr infizieren wir die Kinder.“
Bedürfnisse hinter Mobbing ergründen
Als Coach und Ausbilder versucht Duddek, stets zu verstehen, was hinter dem Mobbing steckt. Es gelte zu ergründen, welche Bedürfnisse zu dem Verhalten führen – beispielsweise der Wunsch nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Respekt – und dann zu überlegen, wie das Kind diese Bedürfnisse stillen kann, ohne dazu andere diskreditieren oder mobben zu müssen. Oftmals sei dies wirksamer als Hausarrest oder andere drakonische Strafen. In seinem Buch mit dem Titel „Sei stark wie ein Löwe. Wie Eltern ihre Kinder gegen Mobbing wappnen können“ beschreibt er dazu eine Dreischritt-Methode.
Bei seiner Arbeit schaut Duddek Opfer, Mitläufer wie Täter an und versucht einen Weg zu finden, wie alle Beteiligte innerhalb des Systems Mobbing befähigt werden können, in ihr bestes Ich zu kommen. Sprich: dass sie Wege finden, ihre Bedürfnisse zu stillen, ohne andere kränken zu müssen.
Nicht abwiegeln, sondern das eigene Kind stärken
Wichtig ist dabei, dass Eltern im engen Kontakt mit ihrem Kind sind, um früh zu merken, wenn sie etwas quält. „Manchen Kindern merkt man nicht an, dass sie gemobbt werden. Auch ich habe das zu Hause überspielt, weil ich dort nicht auch noch bemitleidet werden wollte.“ Hilfreich ist ein Abendritual, bei dem die Eltern mit ihren Kindern regelmäßig reflektieren: Wie war der Tag? Ist etwas Außergewöhnliches passiert? Wenn sich aber ein Kind zurückzieht, traurig wirke und beispielsweise nicht mehr in die Schule gehen möchte, dann kann Mobbing der Grund sein.
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Anstatt abzuwiegeln („So schlimm ist es doch gar nicht“), sollten Eltern versuchen, das eigene Kind zu stärken. Und ihm helfen, die Ressourcen anzuzapfen, die es braucht, damit das Mobbing es nicht mehr verletzen kann. Also sein Selbstvertrauen und seine Widerstandsfähigkeit – Resilienz genannt – zu stärken, damit die Angriffe wie an Teflon abgleiten können.
„Lerne, ein Schutzschild aufzubauen"
Duddeks Botschaft: „Lerne, ein Schutzschild aufzubauen, das dich vor den gemeinen Worten dieser Welt schützt!“ Es sei einfacher, bei sich selbst anzufangen, als darauf zu warten, dass die Lehrer, die Schulleitung oder die anderen Eltern tätig werden. Wenn das Mobbing aber nicht aufhört oder gar verleumderisch oder gewalttätig wird, sollten Eltern und Lehrer eingreifen und Experten oder sogar Anwälte einschalten.
Soziale Medien verstärken das Problem. „Als Kind wusste ich früher, wenn ich nach Hause komme, habe ich Ruhe vor dem Mobbing. Da verfolgt mich nichts in meiner Hosentasche, da ploppt nicht nachher noch eine Instagram- oder Snapchat-Nachricht auf. Heute ist das Mobbing nicht auf einen Ort begrenzt, sondern es geht ununterbrochen weiter, wenn ich auf diesen sozialen Plattformen bleibe“, sagt Duddek.
Raus aus den sozialen Medien
Seine Lösung: „Wenn du weißt, dass du auf diesem Spielfeld gefoult und verletzt wirst, dann verlasse es.“ Also raus aus den sozialen Medien. Wichtig: Eltern sollten sich mit den Medien auskennen, die ihre Kinder benutzen.
Nur so wissen sie: Wie kann ich Inhalte sperren? Wo kann ich unangemessene Nachrichten melden? Wie kann ich den Quellcode einer Seite mit Rechtsklick speichern, um Beweise zu sichern, wenn es sich um strafbare Delikte handelt.
Erziehungsstil beeinflusst, wie leicht Kind zum Opfer wird
Auch der Erziehungsstil spielt eine Rolle dafür, wie leicht ein Kind zum Mobbingopfer wird, wie Forscher herausgefunden haben. Ein besonders strenges Elternhaus schaffe demnach keine guten Voraussetzungen, dass das Kind gut im Miteinander unter Gleichaltrigen besteht – im Gegenteil.
Ebenso versäumten übermäßig behütende Eltern, ihren Kindern das Rüstzeug mitzugeben, um sich durchzusetzen. Am wenigsten würden die Kinder gemobbt, deren Eltern zu Hause zwar auf klare Verhaltensregeln achten, aber emotionale Wärme vermitteln und die Kinder – beispielsweise Geschwister – ihre Konflikte bis zu einem gewissen Grad selbst austragen lassen. „Wichtig ist für Kinder zu erleben, dass sie selbst wirksam werden können“, sagt Duddek.