Hamburg. Angebote im Test: Von den Radverleihern schneidet nur einer gut ab, Kritik am Ticketverkauf des HVV. Umland schlecht angebunden.




Im städtischen Verkehr werden die sogenannten Sharing-Angebote immer wichtiger. Auch in Hamburg nutzen die Menschen Leihangebote von Jahr zu Jahr intensiver: Allein Automarktführer Car2Go hat mittlerweile mehr als 200.000 Kunden in der Hansestadt, die nach Berlin und Madrid der drittgrößte Standort des Unternehmens in Europa ist.

Doch wie gut und effektiv sind die neuen Angebote eigentlich? Zwischen Mitte September und Anfang Oktober ließ die Unternehmensberatung P3 Group genau das untersuchen und testete entsprechende Dienstleistungen von HVV, Rad-, Roller- und Autoverleihern. Dabei wurde auch die Einfachheit von Apps zur Buchung und Bezahlung der Angebote und zur Navigation durch die Stadt bewertet.

Ergebnisse fallen durchwachsen aus

Die Tester wählten vier unterschiedliche Sichtweisen (und Budgets). Einmal untersuchten sie die Angebote aus der Sicht eines (eiligen, aber finanziell gut ausgestatteten) Geschäftsmannes, außerdem aus dem Blickwinkel eines Studenten, einer Familie und eines Pendlers vom Stadtrand oder aus dem Hamburger Umland.

Die Ergebnisse des Tests fallen durchwachsen aus. „Insgesamt ist Hamburg bei den Sharing-Angeboten nach den Erfahrungen unserer Tester auf einem ganz guten Weg“, sagt Projektleiter und P3-Group-Partner Tobias Breithaupt. „Es gibt aber durchaus auch noch Schwachstellen und Luft nach oben. So muss man bisher die unterschiedlichen Angebote mit unterschiedlichen Apps suchen und buchen. Es wäre viel praktischer und würde auch die Nutzung fördern, wenn man alles über eine einzige App erledigen könnte.“ Dabei biete die HVV-App „bereits eine tolle Basis“, so Breithaupt. „Diese sukzessive um weitere Dienste zu erweitern wäre eine echte Chance.“

StadtRad: die Nummer eins in Hamburg.
StadtRad: die Nummer eins in Hamburg. © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

HVV-Tickets umständlich zu kaufen

Der HVV selbst kam (anders als seine App) bei den Testern allerdings nicht durchweg gut weg. „Der HVV macht zwar ein gutes Nahverkehrsangebot, allerdings ist das Kaufen von Tickets nach wie vor zu umständlich. Bei unseren Testern war etwa Kartenzahlung nicht möglich, ohne die Karte vorher umständlich aufzuladen“, so Tobias Breithaupt. „Für Stadtfremde ist auch nicht unmittelbar ersichtlich, wie Tickets entwertet werden – beziehungsweise, dass das in Hamburg gar nicht nötig ist.“ Ein Kritikpunkt, der seit Jahre­ immer wieder von Touristen geäußert­ wird.

Negativ aufgefallen ist den Testern auch die Hamburger Baustellenplanung. „Anders als in anderen Städten wird bei der Planung von Baustellen und Umleitungsangeboten in Hamburg nach unseren Erfahrungen nicht genügend an Radfahrer gedacht“, moniert der Projektleiter. „Gerade angesichts der großen Zahl von Baustellen in Hamburg muss das besser werden.“

Umland schlecht angebunden

Am schlechtesten sieht die Situation laut P3 Group für die Pendler aus dem Umland oder von den Stadträndern aus. „Leider sind Randgebiete nur unzureichend an die Innenstadt angebunden, und Sharing-Dienste sind dort nicht vorhanden“, heißt es im Resümee der Tester. „Der Besitz eines Autos wird hierdurch notwendig und forciert Staus am Feierabend.“

Auch gebe es aus den Randgebieten nicht genügend ausgebaute Radwege. Insgesamt müssten die „Mobilitätsstrategien hinsichtlich der multimodalen Integration ambitionierter werden“. So wäre es aus Sicht der Tester gut, Carsharing oder StadtRad zusammen mit HVV-Angeboten direkt buchen und bezahlen zu können.

U-Bahn: Touristen wissen nicht, dass man Tickets nicht entwerten muss.
U-Bahn: Touristen wissen nicht, dass man Tickets nicht entwerten muss. © HA | Marcelo Hernandez

Daumen hoch für Carsharing-Anbieter

Die fünf getesteten Carsharing-Angebote (Car2Go, DriveNow, Ubeeqo, Flinkster und Cambio) wurden durchweg als gut bewertet (grüner Daumen nach oben). Von den drei Fahrradverleih-Anbietern bekam das StadtRad eine gute Bewertung. Hier bemängelten die Tester lediglich, dass es an manchen Stadtionen kaum Räder gab und dass Angebote in vielen Außengebieten noch nicht vorhanden seien.

Die Konkurrenten Donkey Republic und Deezer kamen dagegen schlecht beziehungsweise sehr schlecht weg, weil die Systeme nicht funktionierten oder die Räder in schlechtem Zustand waren.

Getestet wurden auch vier Mobilitätsapps, die bei der Navigation durch die Stadt helfen. Am besten bewertete P3 Group Google Maps, gefolgt von Citymapper und Free2Move. Moovel kam dagegen nicht sonderlich positiv weg.

Verkehr nimmt eher zu

Nach wie vor ist bei alledem nicht abschließend geklärt, wie sich Sharing-Angebote auf das Verkehrsaufkommen in den Städten auswirken. „Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass der Autoverkehr eher zunimmt, weil Menschen, die sonst Busse und Bahnen nutzen würden, nun plötzlich auch mal Carsharing nutzen“, sagt Projektleiter Breithaupt.

„Andere Studien kommen zu gegenteiligen Ergebnissen. Sicher ist jedoch, dass Sharing dazu führt, dass man weniger Parkplätze in den innerstädtischen Bereichen benötigt.“

Zudem könnten „elektrifizierte Flotten einen positiven Beitrag für die Luftqualität leisten“, so Breithaupt. „In jedem Fall glauben wir, dass verbesserte Sharing-Angebote und eine gesteigerte Intermodalität, also die Planung und Bezahlung von Strecken über mehrere unterschiedliche Verkehrsmittel, dazu führen, dass der Verkehr in Metropolen besser fließt.“

Zwar spielten Städte wie San Francisco oder Helsinki bei diesem Thema noch in einer ganz anderen Liga, so Breithaupt. „Hamburg hätte hier aber gute Chancen, zu einer führenden Stadt in Deutschland zu werden.“