Hamburg. 10,5 Prozent weniger CO2-Ausstoß im produzierenden Gewerbe – der Verkehr bleibt das Problemkind: Hier steigt die Belastung weiter.
Das sind ausnahmsweise einmal positive Nachrichten von der Klimafront: Hamburg hat seinen Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) zuletzt deutlich reduzieren können. Das geht aus den vom Statistikamt veröffentlichten Energie- und CO2-Bilanzen für 2019 hervor. Nach dieser stets mit zwei Jahren Verzug veröffentlichten Statistik ist der Ausstoß des Klimagases binnen eines Jahres gegenüber 2018 um 7,55 Prozent oder 1,233 Millionen auf jetzt 15,088 Millionen Tonnen zurückgegangen. Das ist ein relativ großer Sprung, denn 2018 war der Rückgang mit 0,45 Prozent oder 77.000 Tonnen recht mickrig ausgefallen. Da die jüngsten Zahlen aus dem Jahr 2019 stammen, ist hier noch keine Verzerrung durch die Corona-Pandemie enthalten.
Betrachtet man die einzelnen Bereiche, so fällt auf, dass die Industrie einen überdurchschnittlichen Beitrag zur positiven Entwicklung geleistet hat. Sie sparte binnen eines Jahres 10,5 Prozent ein und senkte ihren CO2-Ausstoß von 4,408 Millionen auf 3,945 Millionen Tonnen. Einen großen Beitrag leisteten auch Haushalte, Handel, Dienstleistungssektor und Kleingewerbe, deren Klimagas-Emissionen sogar um 10,7 Prozent zurückgingen – von 7,206 Millionen auf 6,435 Millionen Tonnen.
CO2-Bilanz: Hamburger Industrie produziert weniger Kohlendioxid
Großes Problemkind beim Klimaschutz bleibt nach der neuesten Bilanz der Verkehrssektor. Statt deutlich zu sinken, stieg der CO2-Ausstoß sogar minimal an – von 4,706 auf 4,708 Millionen Tonnen. Schon 2018 hatte der Ausstoß hier zugenommen. Damit zeigt sich, dass viele Bemühungen für eine klimafreundliche Verkehrswende in Hamburg zumindest bis 2019 erfolglos waren.
Als größte Klimasünder innerhalb des Verkehrsbereichs stehen auch diesmal der Luft- und der Straßenverkehr da. Beim Straßenverkehr stieg die Belastung von 3,298 Millionen auf 3,313 Millionen Tonnen CO2. Das passt zu den seit Jahren steigenden Kfz-Zahlen in Hamburg.
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Auch der Flugverkehr hat 2019 noch mehr von dem Klimagas in die Atmosphäre gepustet als 2018. Der Ausstoß stieg von 1,019 Millionen auf 1,074 Millionen Tonnen. Bei der Schifffahrt gab es einen minimalen Rückgang von 133.000 auf 132.000 Tonnen, der Schienenverkehr verzeichnete eine sehr deutliche Reduktion des CO2-Ausstoßes von 256.000 auf 190.000 Tonnen – was fast 26 Prozent Einsparung entspricht.
Hamburger Industrieunternehmen sind „Klimaschutz-Macher“
In der Hamburger Industrie zeigte man sich zufrieden mit der jüngsten Entwicklung. „Wir sind stolz auf den signifikanten Beitrag der Hamburger Industrie zur Erreichung der Klimaschutzziele“, sagte Matthias Boxberger, der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbands Hamburg (IVH), dem Abendblatt. „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Während andere noch demonstrieren und fordern, macht die Industrie ihren Teil der Hausaufgaben in Sachen Klimaschutz: engagiert, konzentriert, professionell.“
Die Hamburger Industrieunternehmen seien „bereits seit einiger Zeit Klimaschutz-Macher, die aus unternehmerischem Antrieb durch technische Innovationen und durch Steigerung der Energieeffizienz ihre CO2-Emissionen kontinuierlich und messbar reduzieren“, so Boxberger. „Maßgeblich dazu beigetragen haben auch unsere freiwilligen Leistungen in den IVH-Energieeffizienz-Netzwerken, der Umweltpartnerschaft und das Energiewende-Großprojekt NEW 4.0.“
„Enormes Innovationspotential“ bei grünem Wasserstoff
Der Industrie reiche das aber nicht aus, sagte der IVH-Chef. „Wir werden unsere Klimaambitionen entschieden weiterverfolgen. Unter anderem mit dem norddeutschen Reallabor, der Nutzung von Wasserstoff aus regenerativen Energien im Norden sowie durch weitere Schritte bei der Energieeffizienz.“
Gerade die Erzeugung und Verwendung von grünem Wasserstoff, biete ein „enormes Innovationspotential“, so Boxberger. „Grüner Wasserstoff made in Norddeutschland wird ein zentraler Baustein der industriellen Dekarbonisierungsstrategie.“ Das 2019 mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) geschlossene „Bündnis für die Industrie der Zukunft“ habe sich für den Klimaschutz bezahlt gemacht. „Damit Hamburg die größte Industriestadt Deutschlands und einer der größten Industriestandorte Europas bleibt, sollte dieser Kurs fortgesetzt und ausgebaut werden.“ Derzeit allerdings betrachte die Industrie „die Energiepreis-Explosion mit großer Sorge“ und erwarte „diesbezüglich schnelle, wirksame Entlastungsmaßnahmen einer neuen Bundesregierung“.
Mehr Wind- und Solarenergie, weniger CO2-Ausstoß
Laut Umweltbehörde geht der deutliche Rückgang des CO2-Ausstoßes auf eine „Verbesserung des bundesdeutschen Strommixes“ zurück. Bei der Stromerzeugung seien Kohle und Gas immer stärker durch erneuerbaren Energien ersetzt worden. Mit anderen Worten: Weil immer mehr Strom etwa aus Wind- oder Solarenergie erzeugt wird, fällt selbst bei gleichbleibendem Stromverbrauch weniger CO2 an. Laut Umweltbehörde sank „der Emissionsfaktor für den Strommix gemäß Statistikamt Nord“ zwischen 2018 und 2019 von 474 auf 390 Gramm pro Kilowattstunde.
Davon profitieren natürlich besonders die Bereiche, in denen viel Strom verbraucht wird – etwa die Industrie. „Hamburg hat einen großen Anteil an Energie-intensiver Grundstoff-Industrie“, so die Umweltbehörde. „Daher macht sich die Verbesserung des Bundesstromfaktors bei der Industrie stark bemerkbar. Außerdem verbessern die Betriebe konstant die Energieeffizienz, etwa bei Produktionsprozessen.“
Senator Kerstan: Erneuerbare Energien zeigen Wirkung
Ein weiterer Faktor: Auch Privathaushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen verbrauchten weniger Gas – durch bessere Gebäudedämmung oder den Ersatz von Gas durch Fernwärme. Zudem habe die „die zwischen 2017 und 2019 erreichte CO2-Reduktion insbesondere 2017–2018 und 2018–2019 auch methodische Ursachen“, so die Behörde. 2018 sei die Statistik umgestellt worden.
„Wir haben uns im Senat auf mindestens 65 Prozent CO2-Einsparung bis 2030 geeinigt und setzen alles daran, dies zu erreichen beziehungsweise zu übertreffen“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) dem Abendblatt. „Die neuesten Zahlen des Statistikamtes machen deutlich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien Wirkung zeigt und den bundesdeutschen Strommix verbessert. Zudem setzt die Industrie immer mehr auf umweltfreundliche Technologien und investiert so auch in die Standortsicherheit. Es zeigt sich, dass viele Maßnahmen ineinandergreifen müssen, um unsere Ziele zu erreichen.“
BUND fordert Reduzierung des Verkehrsaufkommens
Kein Verständnius für diese positive Bewertung hat der BUND. „Dieser Rückgang beruht zum allergrößten Teil auf dem wachsenden Anteil von Solarenergie und Windstrom im deutschen Strommix. Dafür hat die Hamburger Industrie aber keinen nennenswerten Beitrag geleistet“, kritisiert Martin Mosel, stellvertretender Vorsitzender des BUND Hamburg. "IHV-Chef Matthias Boxberger polemisiert gegen die Menschen, die für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen, anstatt seine Hausaufgaben zu machen. Bisher hat er bestenfalls von den Leistungen des Sitznachbarn profitiert“, so Mosel.
Insbesondere aber kritisiert der BUND die nach wie vor ansteigenden Emissionen im Straßenverkehr und am Hamburger Anteil des Flugverkehrs. Hier reiche es nicht, auf E-Mobilität und strombasierte, synthetische Kraftstoffe zu setzen oder Bäume in fernen Wäldern zu pflanzen. Es brauche schlicht eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens und eine sozial-ökologische Mobilitätswende hin zu klimaverträglichen Verkehrsträgern, um die Klimaziele zu erreichen.