Hamburg. Der Fahrrad-Club veröffentlicht ein knallhartes Ranking – darunter viele Hauptverkehrsstraßen. So reagiert die Verkehrsbehörde.
Während der Ausbau der Veloroute 1 in Ottensen in dieser Woche voranschreitet, legt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Hamburg den Finger jedoch in die Wunde: Es gebe "immer noch zu viele wichtige Verbindungsstraßen, auf denen Radfahren offenbar überhaupt nicht erwünscht ist", sagt Tom Jakobi vom ADFC. Daher hat der Club die "zehn schlimmsten Beispiele" aufgelistet.
Der Fokus in diesem Negativranking liege auf Straßen, "die breit genug sind, um ohne aufwändige Umbauten Lösungen für sichere Bedingungen fürs Rad herzustellen – etwa durch sogenannte Pop-up-Radwege“, sagt Jakobi. Laut ADFC sei jedoch für keine dieser Straßen ein Radweg geplant.
ADFC nennt fahrradunfreundliche Straßen in Hamburg
Den ersten und somit schlechtesten Rang im Ranking belegt die wohl bekannteste Straße Hamburgs – die Reeperbahn. Sie stelle eine zentrale Ost-West-Verbindung für die südliche Innenstadt dar und werde durch den Umbau der Königsstraße weiter an Bedeutung für den Radverkehr gewinnen, heißt es dazu in der Erklärung des ADFC. "Trotz vier Fahrspuren, zusätzlichen Parkbuchten und Parkstreifen gibt es auf der Reeperbahn bislang keinen Radweg."
Den zweiten Platz erlangen die Sierichstraße und ihre Verlängerung, die Herbert-Weichmann-Straße. Durch den Wechselverkehr ermögliche die Stadt dem Autoverkehr ein "schnelles und direktes Vorwärtskommen auf zwei Fahrspuren", der Radverkehr werde jedoch "in größeren Schleifen umständlich entlang des Alsterufers umgeleitet – einer Fahrradstadt unwürdig".
Elberadweg streckenweise ohne Radweg
Als "innerstädtische Kfz-Rennstrecke" wird der dritte Rang vom ADFC betitelt: die Simon-von-Utrecht-Straße auf St. Pauli. Die Straße sei darüber hinaus "stark belastet" und es mangele an Radinfrastruktur. Geographisch nicht weit entfernt liegt der vierte Platz des Rankings, die Straße St. Pauli Fischmarkt. "Hier verläuft der internationale Elberadweg, nur existiert streckenweise überhaupt gar kein Radweg", heißt es in der Erklärung. Radfahrer müssten an entsprechenden Stellen auf den Gehweg wechseln – während Autos teils sogar mehrere Fahrspuren zur Verfügung stünden.
Weiter geht es im Süden von Hamburg: Der ADFC kritisiert auch die Buxtehuder Straße, besser bekannt als B73. Sie sei die "wichtigste Harburger Ost-West-Verbindung" und verbinde viele Geschäfte und Wohnhäuser. "Dass man in Harburg auch in Westrichtung sicher Rad fahren möchte, ist in Harburg planerisch offenbar nicht berücksichtigt worden", so der Fahrrad-Club.
"Drei Kfz-Fahrspuren, kein Platz fürs Rad"
Platz sechs im Ranking belegt die Lesserstraße in Wandsbek. "Ein breiter Straßenquerschnitt wird südlich des Bundeswehr-Krankenhauses mit Kfz-Parkmöglichkeiten auf beiden Seiten kombiniert. Auf die Idee, auch dem Radverkehr Teile des vorhandenen Platzes einzuräumen, kam die Stadt bisher offenbar nicht", kritisiert der ADFC.
"Drei Kfz-Fahrspuren, kein Platz fürs Rad", heißt es in der Beschreibung des siebten Rangs. Radfahrer müssen auf der Straße Nedderfeld in Eppendorf laut ADFC "schon sehr mutig sein." Offiziell auf den Gehweg geleitet werden die Radfahrer hingegen auf dem Ring 2 zwischen Barmbek und Wandsbek. Hier seien "falsche Prioritäten" gesetzt worden: "Das Zusatzzeichen 'Radfahrer frei' auf Gehwegen ist unsicher, bremst den Radverkehr aus und bedrängt den Fußverkehr", heißt es vonseiten des Fahrrad-Clubs.
Die Großmannstraße – eine Straße fürs Museum
Dass es selbst mitten in der Hamburger City breite Straßen ohne eine Lösung für den Radverkehr gebe, zeige der neunte Platz im Ranking. Auf diesem landete die Straße Bei St. Annen in der HafenCity. Sie sei ein "trauriges Beispiel", so der ADFC – aber "wenigstens ist die Straße eher kurz".
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Gerade noch in die Auflistung der Hamburger Straßen ohne Radinfrastruktur schaffte es auf dem zehnten Rang die Großmannstraße in Rothenburgsort. Sie "ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für Kfz-gerechte Straßenplanung und gehört als solches eigentlich ins Museum – nicht aber in eine Stadt, die Fahrradstadt werden möchte."
Verkehrsbehörde reagiert auf scharfe Kritik des ADFC
„Auf diesen schlimmsten zehn Hamburger Straßen ohne irgendeine Radinfrastruktur muss sich dringend was ändern“, so Jakobi vom ADFC. Die konkrete Forderung: Der Senat soll innerhalb von sechs Monaten Pläne in Form von Pop-Up-Lösungen für diese zehn Straßen vorlegen. Anschließend sollen diese verstetigt werden.
Auf Abendblatt-Nachfrage reagierte die Verkehrsbehörde auf die scharfe Kritik des Hamburger Fahrrad-Clubs. "Die Forderungen des ADFC nach einer sicheren und komfortablen Radinfrastruktur auf allen wichtigen Verbindungsstraßen können wir sehr gut nachvollziehen", sagt Behördensprecher Dennis Heinert. "Auch wir sehen dies als wichtige Grundlage für den Erfolg der Mobilitätswende und haben deshalb im Jahr 2020 so viele Radwegekilometer neu gebaut oder saniert wie nie zuvor in Hamburg."
Gleichzeitig wisse die Behörde auch, dass die Situation "bei weitem noch nicht überall befriedigend ist", so Heinert. Die genannten Straßen werde man sich ansehen und die Radinfrastruktur überall dort verbessern, wo es möglich sei.