Hechthausen. In unserer Sommerserie stellen die Regionalausgaben dem Hamburger Abendblatts Tagesausflüge rund um Hamburg vor. Heute geht es an die Unterelbe.

Die Welt an der Oste ist grün. Grün der Deich, auf dem Schafe blöken. Grün die Wiesen mit staksenden Störchen und lauernden Fischreihern. Grün auch Gräben und Tümpel, wo Frösche in Entengrütze schnarren. Grün ist das Schilf, das an den Osteufern wogt. Nur die Oste selbst, die ist braun. Braun von feinen Schwebstoffen, die sie auf ihrem knapp 150 Kilometer langen Weg von der Quelle bei Tostedt bis zur Mündung in die Elbe bei Balje transportiert. Der Osteradweg begleitet den gesamten Lauf.

Für unseren Tagesausflug haben wir einen Abschnitt im mittleren Bereich ausgesucht. Denn hier verkehren noch zwei historische Fähren, ganz genau wie vor hundert Jahren. Solch nostalgische Art der Flussquerung vermittelt das Gefühl, aus der Zeit gefallen zu sein. Echte Urlaubsstimmung also. Wir starten am Bahnhof von Hechthausen. Schon das winzige Gebäude und die einspurige Eisenbahnstrecke verraten: Hier herrscht ländliche Idylle. Das Örtchen, das sich aufgrund seiner Lage an der Grenze der Landkreise Cuxhaven und Stade großartig „Tor zum Cuxland“ nennt, ist im Norden, Süden und Osten von der Oste umschlungen.

Die Oste ist schiffbar – am Ufer dümpeln Sportboote

Am Ufer dümpeln ein paar Sportboote, denn der Fluss ist schiffbar. Natürlich stromab bis zur Elbe, aber auch aufwärts bis nach Bremervörde. Kaum zu glauben, dass in früheren Zeiten viel Verkehr auf dem Gewässer herrschte: Torfkähne segelten vorbei, um Hamburg Brennstoff zu liefern. Mit im vor Ort produzierten Kalksandsteinen beladene Schiffe legten Richtung Hansestadt ab.

Von der industriellen Vergangenheit ist absolut nichts mehr zu erahnen. Als wir die Gleise passiert haben und in Richtung Süden radeln, treffen wir in Klint auf hübsche Häuser und viele Pferdeweiden. Das große Kalksandsteinwerk mit hohem Schornstein, das hier einst stand, wurde längst gesprengt. Aber die Kiesgrube, die den Sand lieferte, die gibt es noch. Zum Glück. Das Wasser ist glasklar, der Sand fein. Allerdings ist das Badevergnügen nicht kostenlos. 2,50 Euro kostet die Tageskarte, die auf dem benachbarten Freizeit- und Campingpark Geesthof zu haben ist.

Ferienpark auf dem Gelände eines ehemaligen Schlosses

Karl Steffens, Hochseekapitän a.D., gehört zu den ehrenamtlichen Fährmännern in Brobergen.
Karl Steffens, Hochseekapitän a.D., gehört zu den ehrenamtlichen Fährmännern in Brobergen. © HA | martina berliner

Der Ferienpark liegt auf dem Gelände eines ehemaligen Schlosses. Vom Park ist alter Baumbestand erhalten, von den Gebäuden blieb nur der Pferdstall, der zum heutigen Restaurant „Raubritter“ umgebaut wurde. (tägl. außer montags 12-21 Uhr).

Wir lassen den Geesthof links liegen und gelangen gleich dahinter zum ersten Schiffsanleger. Hier verkehrt in der Sommersaison der „Püttenhüpper“. Pütten werden durch Deichrückbau entstandene Teiche und Überflutungsflächen genannt. In den Feuchtgebieten leben seltene Tiere wie Fischadler und Eisvogel. Der „Püttenhüpper“ befördert maximal 12 Personen und auch Fahrräder. Er dient als Ausflugsschiff und zuweilen auch als Fähre zum gegenüber liegenden Kranenburg. Infos dazu gib es beim Geesthof Tel. 04774/9178, www.geesthof.de Die ein- bis zweistündigen Exkursionen auf der Oste sind sehr beliebt. Rechtzeitige Anmeldung ist wichtig.

Von der früheren Werft gibt es heute keine Spur mehr – Ziel ist der „Fährkrug“

Wir fahren weiter dem ausgeschilderten Weg folgend am hier durch Bäume beschatteten Osteufer Richtung Laumühlen. Auch dieses stille Dorf war vor langer Zeit sehr geschäftig. Es gab einen Schiffsanleger – verladen wurden hauptsächlich Torf und Ziegel – und eine Werft. Keine Spur ist davon geblieben.

Über den Deichverteidigungsweg geht es zum nächsten Ziel: Dem „Fährkrug“ Brobergen. Wer am Wochenende unterwegs ist, findet die Gaststätte geöffnet vor (samstags und sonntags 11-18 Uhr) und kann sich mit Currywurst/Pommes oder Kuchen stärken. Spezialität des Hauses ist die Schlicktorte, die den Namen wegen ihrer Oste-braunen Farbe trägt. Eine Komposition von Biskuit, Stachelbeeren und Schokocreme. „Ich habe zwei Hobbies: Backen und Schnacken“, sagt Martina Hoops, die das alte Fährhaus seit 2017 gepachtet hat.

Die Fähre befördert vor allem Ausflügler mit Fahrrädern

„Fährmann, hol över“, rufen wir und schon legt die „Helmut Hudaff“ in unsere Richtung ab. „Moin, moin“, begrüßt uns Karl Steffens. Das Schiff, Baujahr 1907, wird ehrenamtlich von Mitgliedern des Fähr- und Geschichtsvereins Brobergen betrieben. Steffens, 80, ist einer von ihnen. Er war als Kapitän vier Jahrzehnte auf allen Meeren unterwegs. Um die Oste-Fähre führen zu dürfen, musste er trotzdem eine Prüfung ablegen. Dabei ist nicht viel zu tun. Der Oldtimer, seit fast 100 Jahren mit Motor ausgerüstet, läuft am Seil. Bis zu zehn Tonnen kann die Fähre transportieren. Auch Trecker, Laster und Reisemobile werden befördert. Den Großteil der Passagiere bilden Radausflügler wie wir. Wir zahlen den Preis von einem Euro pro Person.

Dem Deich folgend fahren wir stromauf, bis der Weg links ins Landesinnere abbiegt. Weiter geht es nach rechts auf einer stillen Eichenallee bis Gräpel. Direkt am Ortseingang biegen wir – entgegen der Beschilderung – nach rechts in die Sackgasse und erreichen das Osteufer. Nach hundert Metern liegen Reste einer Slipanlage im Gras. Auf einem selbst gebastelten Schild informieren die Bewohner des alten Hauses darüber, dass auch hier einst eine Werft Ewer herstellte. In Sichtweite liegt die Fährstelle. „Gräpel war einst der zweitgrößte Stackbuschhafen Europas“, erzählt uns Karin Plate, Chefin und Köchin des Gasthauses „Plates Osteblick“ (täglich außer mittwochs 11.30-20.30 Uhr, Reservierung empfohlen).

Gasthaus wird wie die Fähre seit vier Generationen von Familie Plate betrieben

Stackbusch ist die Bezeichnung für Astwerk, das für Deichbau und Uferbefestigung verwendet und meterhoch gestapelt auf Kähnen verschifft wurde. „Auch andere Waren wie Lebensmittel wurden hier auf dem Lösch- und Ladeplatz direkt vor unserer Tür umgeschlagen“, erzählt die Gastronomin. Bevor wir uns zum Essen niederlassen, machen wir noch eine kleine Rundtour durchs Dorf.

Wie das Gasthaus wird auch die benachbarte Fähre seit vier Generationen von den Plates betrieben. Da liegt es nahe, dass auch die Fähre mittwochs zumeist am Ufer fest liegt und der Schiffer Pause macht. Die Gräpler Fähre, Baujahr 1920, hat keinen Motor. Sie wird mit Muskelkraft gezogen. Mit schweren Fahrzeugen darauf muss sich Aron, Plate junior, mit ganzem Gewicht in die Kette hängen. Auch hier zahlen Radfahrer nur einen Euro pro Person.

Die gesamte Tour ist rund 30 Kilometer lang, Verlängerung ist möglich

Die Windmühle in Hechthausen steht am Osteufer.
Die Windmühle in Hechthausen steht am Osteufer. © HA | martina berliner

Wir radeln nunmehr flussab. Dabei werden wir kurzzeitig von der Oste weg geführt. Als wir den Fährkrug wieder erreichen, setzen wir abermals über, um nicht die gleiche Strecke zweimal zu fahren. Weiter geht es durch Brobergen nach Kranenburg, beides Orte mit hohen Eichen, schönen Gehöften und Scheunen. Am Deich von Kranenburg gibt es einen Aussichtspunkt über die Pütten. Leider führt der Weg hier nicht weiter am Wasser entlang. So geht es auf schmalen Landstraßen durch Wiesenlandschaft nach Blumenthal und zur B 73 bei Burweg.

Zum Glück gibt es an der Bundesstraße einen Radweg und es ist nicht weit bis zur Ostebrücke. Von hier hat man einen schönen Blick auf Hechthausens Windmühle, die jedoch etwas herunter gekommen wirkt und nicht zu besichtigen ist. Etwa einen Kilometer nach dem Ortseingang biegen wir links in die Bahnhofstraße und erreichen bald darauf das Gasthaus Golsch (mittwochs bis sonnabends ab 17, sonntags ab 11 Uhr, Reservierung empfohlen), unseren Endpunkt der Tour. Auch dieser Betrieb – eine Kombination aus Bauernhof und Restaurant – ist in vierter Generation in Familienhand. Weit über Hechthausen hinaus ist das Lokal bekannt für sein hochwertiges Fleisch von Angus-Rindern aus eigener Züchtung. Thorsten Golsch, Landwirt und Koch aus Leidenschaft, bereitet es selbst zu.