Hamburg. Berufsausbildung und Bachelorstudium in nur vier Jahren durch eine engere Verzahnung der Lehrpläne. Start mit fünf Bildungsgängen.
Was tun nach dem Schulabschluss? Es gibt mehr als 300 Ausbildungsberufe und mehr als 10.000 grundständige Studiengänge hierzulande – diese Fülle an Optionen kann junge Frauen und Männer durchaus überfordern. In Hamburg haben die Qual der Wahl vergleichsweise viele Schulabgänger: Mehr als die Hälfte von ihnen erwerben mit dem Abitur oder der Fachhochschulreife eine Hochschulzugangsberechtigung, so viele wie in keinem anderen Bundesland.
Nun steht in der Hansestadt eine Lehreinrichtung vor dem Start, die jungen Leuten ein verlockendes Angebot machen will: Berufsausbildung und Bachelorstudium in einem – und das in nur vier Jahren. Es fallen keine Studiengebühren für die Lernenden und für teilnehmende Betriebe an. Vielmehr erhalten die „Azubi-Studis“ eine Ausbildungsvergütung.
Einzigartiges Konzept
Berufliche Hochschule Hamburg (BHH) heißt die neue staatliche Fachhochschule, die im September ihren Betrieb aufnehmen wird. Zunächst mit voraussichtlich acht Professuren und 100 Studierenden noch „klein, aber fein“, wie es der kommissarische Gründungspräsident Dieter Euler ausdrückt. Von 2025 an sollen dann 1000 Studierende an der Hochschule lernen.
Euler ist emeritierter Professor für Bildungsmanagement an der renommierten Wirtschaftsuniversität St. Gallen. Dass er sich nun beim Aufbau der BHH engagiert, begründet er mit dem besonderen Reiz, eine „bildungspolitische Innovation“ umzusetzen. Das Konzept für die Hochschule sei einzigartig in Deutschland, sagt der Forscher – und erläutert, welche Lücke die BHH füllen soll.
Phasenweise kommt Langeweile auf
Studien zufolge sei ein Viertel der Schulabgänger mit einer Hochschulzugangsberechtigung unschlüssig, ob sie eine Berufsausbildung absolvieren oder lieber studieren sollen. Einige machten dann beides. Mit bis zu drei Jahren in einer Ausbildung und mindestens drei weiteren Jahren bis zu einem Bachelorabschluss könnten so sechs Lernjahre zusammenkommen, sagt Euler.
Schneller zu zwei Abschlüssen führen kann ein ausbildungsintegrierendes duales Studium. Doch ein Problem könne auf beiden Wegen auftreten, sagt Euler. „Oft geht es im Studium um Lernstoffe, die auch schon in der Ausbildung auf dem Plan stehen.“ So komme es vor, dass junge Leute bis zu sechs Jahre damit verbringen, zwei Abschlüsse zu erwerben und sich dabei „phasenweise ziemlich langweilen“.
Engere Verzahnung der Lehrpläne
Dem wolle die Berufliche Hochschule Hamburg entgegenwirken, sagt Dieter Euler: „Durch eine engere Verzahnung der Lehrpläne vermeiden wir Doppelungen.“ Bildungssenator Ties Rabe (SPD) betont ebenfalls die Vorzüge: „Junge Menschen sparen dadurch viel Zeit und erschließen sich neue Berufs- und Bildungschancen.“
In den ersten zwölf bis 18 Monaten beginnen die eingeschriebenen Studierenden nicht nur ihre Berufsausbildung, sondern sie belegen auch schon Module an der BHH. „Diese Zeit dient ihnen zur Orientierung“, sagt Euler. „Unterstützt durch ein Coaching entscheiden sich die Studierenden nicht anhand abstrakter Informationen etwa von Berufsberatern oder Lehrern, sondern auf der Basis erworbener Erfahrungen, wie sie weitermachen wollen.“ Wer auf den Abschluss des Bachelorstudiums verzichte, werde nicht stigmatisiert. „In der Form, wie wir es anbieten, ist es kein Studienabbruch, sondern eine Entscheidung dafür, vorerst nur die Ausbildung abzuschließen“, sagt Euler.
Sinnvolle Erweiterung zum Modell des klassischen dualen Studiums
Aus seiner Sicht ist das Angebot der neuen BHH eine sinnvolle Erweiterung zum Modell des klassischen dualen Studiums. Letzteres könne nach wie vor eine gute Wahl für Schulabgänger sein, die genau wissen, was sie lernen möchten und welche Abschlüsse sie erwerben wollen.
Starten wird Hamburgs jüngste staatliche Hochschule mit fünf Bildungsgängen. Zur Wahl stehen Ausbildungen für Bankkaufleute, für Kaufleute für Marketingkommunikation und für Industriekaufleute jeweils in Kombination mit einem Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL), eine Ausbildung zum Fachinformatiker mit einem Informatikstudium sowie handwerkliche oder gewerblich-technische Ausbildungen in Kombination mit BWL – speziell für die Bedarfe in kleinen und mittleren Unternehmen.
Etwa 40 Prozent der Studienplätze sind schon vergeben
Etwa 40 Prozent der Studienplätze zum Start sind schon vergeben. Mehr Informationen zur Bewerbung gibt es auf den Internetseiten der BHH: https://bhh.hamburg.de/
Finanziert wird die neue Hochschule von der Schulbehörde. Als Partner engagieren sich die Handels- und die Handwerkskammer, der Wirtschaftsverband UV Nord sowie die Hamburger Sektion des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Die Räumlichkeiten der Hochschule befinden sich im Berufsschulzentrum an der Anckelmannstraße nahe Berliner Tor. Ein neuer Campus soll bis 2025 auf dem Gelände Brekelbaums Park entstehen.