Hamburg. Er radikalisierte sich in Hamburg und sammelte Zutaten für eine Bombe. Dann bekamen Behörden einen Tipp – aus der Islamistenszene.
Der Einsatz war verhältnismäßig unspektakulär. Blitzschnell, und ohne auf Widerstand zu stoßen, überwältigten SEK-Beamte am 26. August um 12 Uhr mittags auf dem Parkplatz von McDonalds an der Kieler Straße einen jungen Mann. Er hatte versucht, eine Pistole vom Typ „Makarow“ und Handgranaten im Darknet zu kaufen. Erst als die Identität des Festgenommenen klar war, klingelten bei den Sicherheitsbehörden alle Alarmglocken.
Es handelte sich um Abdurrahman C. (20), Sohn eines der Verantwortlichen der berüchtigten al-Quds-Moschee, der dem Netzwerk der Terrorpiloten vom 11. September um Mohammad Atta zugerechnet wird. Mittlerweile sind sich die Sicherheitsbehörden sicher, dass der 20-Jährige, der rund zwei Wochen vor dem 20. Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon festgenommen wurde, einen Terroranschlag plante, bei dem er möglichst viele Menschen töten wollte.
Polizei Hamburg vereitelt Anschlag: Zutaten für Bombe entdeckt
Und auch das wurde bekannt: Abdurrahman C. hatte Kontakte zum Umfeld der Terroristen vom 11. September, wie Mamoun Darkazanli, ein in Spanien wegen Terrorismus gesuchter Deutschsyrer, der Kontakte zur Hamburger Zelle der Terrorpiloten vom 11. September um Atta und Muhammad hatte. Auch mit Haidar Zammar, der dem Terrornetzwerk al-Qaida zugerechnet wird und ebenfalls zum Umfeld von Atta gehörte, sowie zu dessen beiden Söhnen stand er in Verbindung. Alle leben aktuell in Hamburg.
Das Ausmaß seines Plans wurde erst klar, als Ermittler am 19. November auf eine Wohnung in Jenfeld stießen, die einem Cousin des 20-Jährigen gehört. Dort entdeckten die Beamten alle Zutaten für eine Bombe, die mit mehreren Hundert Schrauben und Muttern gespickt werden sollte.
Bis heute ist unbekannt, was Abdurrahman C. genau vorhatte. Er sitzt in Untersuchungshaft und schweigt eisern. Vermutlich wird bereits in der kommenden Woche der Generalbundesanwalt den Fall übernehmen.
Polizei findet Anleitungen zum Waffenbau in Wohnung
Abdurrahman C. wurde im März 2001 in Hamburg geboren und wuchs in Billstedt auf. Sein Vater wurde von den Behörden als islamistischer Gefährder geführt, der beste Kontakte in die militante Islamistenszene hatte. 2016 zog der damals 15-Jährige mit seiner Familie nach Marokko. Die Wohnung in einem dreigeschossigen Wohnblock an der Liebezeitstraße behielt die Familie.
Im November 2020 kehrte Abdurrahman C. nach Hamburg zurück. Vorgeblich wollte er an der Hochschule Wismar studieren. Doch er scheiterte bereits an einem speziellen Vorbereitungskurs für Migranten. Dafür trieb sich Abdurrahman C. in der Taqwa-Moschee im Stadtteil Wilstorf herum, die seit Jahren als Zentrum der islamistischen Szene gilt. Er wohnte in der Wohnung seiner Eltern, in der gewaltverherrlichendes Propagandamaterial und Anleitungen zum Waffenbau gefunden wurden, und nutzte für die offensichtlichen Vorbereitungen des Anschlags die Wohnung seines Cousins.
Polizei Hamburg vollstreckt 17 Durchsuchungsbeschlüsse
Staatsschutz, Staatsanwaltschaft und auch Verfassungsschutz hatten seit Ende August intensiv ermittelt, um festzustellen, ob es ein Netzwerk gibt, das den 20-Jährigen unterstützte. Anfang November kam aus der Islamistenszene ein Tipp, der die Ermittler zu der Jenfelder Wohnung führte. Am 8. Dezember vollstreckte die Polizei 17 Durchsuchungsbeschlüsse. Es handelte sich jeweils um Kontaktpersonen, darunter Darkazanli sowie Zammar und dessen Söhne, aber auch um einen Pizzaboten, zu dem es Kontakt gab.
Bei den Durchsuchungen wurde zunächst nichts gefunden, was auf eine Komplizenschaft seiner Kontaktpersonen hinweist. Allerdings steht die Auswertung sichergestellter Datenträger, Handys und Unterlagen noch aus. „Es handelt sich ohne Zweifel um einen herausragenden Sachverhalt“, sagt LKA-Chef Mirko Streiber zu dem Fall, bei dem man „sehr viele Steine umgedreht hat und umdrehen wird“. Bislang geht man davon aus, dass der 20-Jährige als Einzeltäter agierte. Der Ermittlungen werden aber andauern.
Würde Abdurrahman C. nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt, so Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich, drohten ihm bis zu zehn Jahre Haft. Das wird voraussichtlich nicht passieren. Als 20-Jähriger fällt man in der Regel unter das Jugendstrafrecht.