Hamburg. Als Junge landet Othniel Kenou plötzlich auf der Straße, verbringt die Nächte im VW Polo. Seine bemerkenswerte Geschichte.

Es ist der feste Glaube an sich selbst, ein wenig Stolz und Optimismus, der einen im Leben voranbringen kann. Davon ist Othniel Kenou überzeugt. „Wenn ich etwas will, dann muss ich Biss haben und hartnäckig sein“, sagt er.

Der 24-Jährige hat es genau mit diesen Eigenschaften und ein bisschen Glück aus der Obdachlosigkeit zum eigenen Unternehmen geschafft. Neun Monate lang lebte der gebürtige Togoer, der mit 14 Jahren nach Hamburg kam, in einem weißen VW Polo. Seine Mittlere Reife hatte er da schon, und er war gerade dabei, an der Berufsschule einen kaufmännischen Abschluss zu machen.

Kenou mit 18 Jahren obdachlos in Hamburg

Weil es aber Streit mit seiner Mutter gab, landete Kenou mit 18 Jahren auf der Straße. Sein Alltag damals? „Nach der Schule jobben bei Hollister in der Innenstadt, danach zum Fußballtraining und abends wieder jobben in einer Kiezbar, das Auto vor die Berufsschule fahren, schlafen und morgens zur Schule. Und an den Wochenenden nach der Arbeit auf dem Kiez noch auf den Fischmarkt“, sagt er. Geduscht hat er damals im Fitnessstudio. „Ich habe in der Zeit mehrere Jobs gehabt. Mein großer Traum war es, Fußballprofi zu werden“, sagt er und lacht heute darüber.

Die Zeit der Obdachlosigkeit war alles andere als lustig. „Das war ein absoluter Tiefpunkt in meinem Leben“, sagt er. Aber: „Dieser Tiefpunkt hat viel bewirkt. Deshalb bin ich jetzt hier.“ Das klingt ein wenig nach klugen Sätzen und Botschaften aus dem Personal Coaching. Deswegen sind solche Äußerungen aber nicht weniger wahr.

„Ich habe immer an mich geglaubt"

Sein damaliger Fußballberater und Mentor, er möchte aus Dankbarkeit gern den Namen nennen: Heinz Jungclaussen, und sein Lehrer an der Berufsschule – sie haben ihm geholfen, aus dem Tief herauszukommen. Sie waren für ihn da, teils auch finanziell, und sie haben ihm Kraft gegeben. Er hätte bei seinem Trainer wohnen können, Jungclaussen hatte das angeboten, doch das wollte er nicht. Dazu war und ist er viel zu stolz.

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 „Ich habe immer an mich geglaubt und war trotz schlechter Momente grundsätzlich positiv“, sagt Kenou, der heute in einer stilvoll eingerichteten 60-Quadratmeter-Altbauwohnung in Winterhude lebt. Er mag schöne Möbel, achtet auf die richtige Farbgebung in den Räumen, im Hintergrund läuft angenehm chillige Musik. Und er liebt gute und stilvolle Kleidung, legt großen Wert auf sein Äußeres.

Othniel Kenou sammelte Visitenkarten

Das hat ihm schließlich auch auf dem Weg nach oben geholfen. Als er für eine Cateringfirma jobbte, nutzte er die Veranstaltungen, um Kontakte zu knüpfen. „Ich trug immer Krawatte und war gut angezogen, das fiel schon vielen auf. Ich fragte immer direkt nach den Chefs und sammelte Visitenkarten.“ Er möchte nicht arrogant wirken, das sei er keinesfalls.

Aber er merkte, dass die Menschen ihn wahrnahmen, und das nutzte er. Rund 200 Karten mit Adressen und Telefonnummern hat er in der Zeit gesammelt, er hat sie immer noch und holt den dicken Stapel aus einer Schublade. So kam er an rund 20 Praktika – vom Klempnereibetrieb bis zu Rechtsanwaltskanzleien und Immobilienmaklern. Selbstverständlich war das alles nicht.

„Ich war hartnäckig und rief die Chefs an"

„Ich war hartnäckig und rief die Chefs an, schrieb E-Mails, ohne aufdringlich zu sein“, sagt er. Er sei durch Fleiß und Glück aus der scheinbar hoffnungslosen Obdachlosigkeit herausgekommen. „Kontakte bringen dich weiter und erhöhen deine Selbstachtung. Wichtig ist: Die Leute müssen dich wahrnehmen, egal, wer du bist und woher du kommst. Ich hatte nichts, aber ich habe mich gut verkauft.“

Aber war das nicht auch unangenehm, so forsch aufzutreten und die Leute zu nerven? „Ich hatte doch nichts zu verlieren. Dieser Ansatz fehlt vielen Menschen“, sagt er und haut mit der Faust auf den Tisch. Er ist emotional, wenn es darum geht, aus seinem Leben etwas zu machen. Und egal, wie die Lage ist: „Ich hatte immer Jobs und habe Geld verdient.“

Ausbildung zum Immobilienkaufmann

Schule dagegen war nie sein Ding. „Man lernt dort einfach nicht fürs echte Leben.“ Er fand schließlich eine Wohnung in Norderstedt, die bezahlbar war und deren Vermieterin ihm wohlwollend entgegenkam, wenn die Miete einmal nicht pünktlich bezahlt wurde.

Kenou begann eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann, die er im Herbst beendete. „Ich kenne das, wenn man keine Bleibe hat, deshalb wollte ich Makler werden.“ Weil er sich für Mode interessiert, jobbt er außerdem sonnabends bei JF Flebbe, einem Herrenausstatter in Eppendorf. „Das Geschäft ist wie eine Familie für mich.“

Kenou gründete Reinigungsunternehmen in Hamburg

Und nebenbei gründete er sein Reinigungsunternehmen „Kenou fresh and clean“, eher durch Zufall, als er in der Gastronomie jobbte und eine dreckige Küche sah und den Restaurantchef davon überzeugte, seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Da war er noch ein Einzelkämpfer. Als die Aufträge größer wurden, musste er fast über Nacht Mitarbeiter rekrutieren. Derzeit sind es fünf. Eine davon ist seine Mutter. Denn die beiden haben sich inzwischen wieder versöhnt.

Angekommen ist Kenou immer noch nicht. „Da ist noch Luft nach oben“, sagt er und lacht wieder. Den weißen VW  Polo hat er übrigens nicht mehr.