Hamburg. Handelskammer sieht erfreuliche Entwicklung. Haspa finanziert im Corona-Jahr knapp 300 Jungunternehmer. Doch es gibt auch Probleme.
Den Mietvertrag für die 450 Quadratmeter am Alten Wall hat Moritz Stolberg, einer der drei Gründer des Restaurants Wallter’s – Wine Beef Kontor, im Februar 2020 unterschrieben – unmittelbar vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Eine Finanzierung im hohen sechsstelligen Bereich hatten Stolberg und seine Geschäftspartner Christian und Philipp Preussen auch schon abgeschlossen. Damit war ein Zurück kaum noch möglich.
„Das war dann am 9. Dezember eine sehr unspannende Eröffnung“, sagt Stolberg. „Der zweite Lockdown hatte uns kalt erwischt. Bis dahin dachten wir, das Restaurant zumindest mit Beschränkungen betreiben zu können, zumal wir in modernste Lüftungsanlagen, Hygienekonzepte und Digitalisierung investiert hatten.
Außer-Haus-Verkauf bringt höchstens zehn bis 15 Prozent des Umsatzes
Mit diesem Szenario hatten wir kalkuliert.“ Nun aber erreicht das Wallter’s durch Außer-Haus-Verkauf höchstens zehn bis 15 Prozent des Umsatzes, den es bei normalem Betrieb hätte. „Für uns ist das keine schöne Situation, aber wir glauben weiter an unser Konzept“, sagt Stolberg. Eine kleine Auswahl an nachhaltigen Gerichten, angeboten in „gemütlicher Atmosphäre“.
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Ganz so weit wie Stolberg ist Julia Pentzin noch nicht. Zwar hat sie – gemeinsam mit ihrem Ehemann Philipp – ihre Firma Nordathleten schon im vorigen Jahr gegründet. Aber das Sportstudio an der Poststraße soll erst im Juli eröffnen. Noch ist es eine Baustelle. „Wir möchten uns zwischen dem klassischen Fitnessstudio und dem Personal Trainer positionieren“, sagt Julia Pentzin.
Gründlicher Check
„Nach einem gründlichen Check erhält ein Kunde einen kompletten Jahresplan, der sehr stark auf die individuellen Verhältnisse zugeschnitten ist – so wie das auch im Leistungssport gemacht wird.“ Außerdem wird man an den gleichen Geräten trainieren können, die Profisportler verwenden. Die Geräte „erkennen“ den Benutzer an seinem Funkchip-Armband, sie stellen sich auf seinen Trainingsplan ein, und der Trainer bekommt eine Rückmeldung über Fortschritte.
Julia Pentzin und Moritz Stolberg sind nur zwei der vielen Gründer in Hamburg, die ihr Geschäft inmitten der Corona-Krise starten. Zwar ist 2020 die Zahl der Gewerbeanmeldungen in der Hansestadt um zehn Prozent auf gut 19.900 gesunken, was vor allem aus einem deutlichen Einbruch im Zeitraum von April bis Juni 2020 resultiert. „Aber in diesem Jahr entspannt sich die Lage etwas, was eine sehr erfreuliche Entwicklung ist“, sagt Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer.
Rückgang der Neugründungen im Dienstleistungs- und Tourismusbereich
Den größten Rückgang der Neugründungen habe es im Dienstleistungs- und Tourismusbereich, die stärkste Steigerung im Einzelhandelssektor gegeben, so Heyne. „Das mag überraschend erscheinen, aber darin ist auch der Onlinehandel enthalten – und seine Umsätze sind gerade in Zeiten der Pandemie deutlich gestiegen.“
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Berücksichtigt man nur Gründungen, deren Rechtsform oder Beschäftigtenzahl laut Statistikamt Nord auf eine „größere wirtschaftliche Bedeutung“ schließen lässt, fällt das Minus in Hamburg mit 5,7 Prozent auf knapp 4500 Betriebe noch moderater aus.
Viele Gründer lassen sich nicht durch die Pandemie entmutigen
Und nach Angaben der Wirtschaftsbehörde hat sich im vorigen Jahr die Zahl der neu gegründeten Start-ups – das sind wachstumsorientierte Firmen mit innovativen Geschäftsmodellen – gegenüber 2019 sogar um zehn auf 218 Firmen erhöht. „Gründerinnen und Gründer sind Menschen, die etwas Neues beginnen“, sagt Heyne. „Sie können sich auf neue Situationen wie die Pandemie sehr gut einstellen.“ Außerdem seien Innovationen die richtige Antwort auf die Krise.
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Auch nach Einschätzung von Stefanie Huppmann, die bei der Haspa das Geschäft mit Start-up-Finanzierungen leitet, lassen sich Gründer nicht durch die Pandemie entmutigen: „Als Unternehmer muss man zuversichtlich sein.“ Natürlich habe sich das Haspa-Team 2020 „überlegt, ob man in einer solchen Krise überhaupt noch Gründerkredite vergeben kann“, so Huppmann. Diese Frage habe man aber schnell mit „Ja“ beantwortet, denn: „Das Leben geht weiter – Hamburg braucht unter anderem dringend Handwerker und Kitas.“
Weniger Anfragen aus Gastronomie und Hotellerie
Beides hatte einen bedeutenden Anteil an den knapp 300 Gründungsvorhaben, die die Haspa 2020 finanzierte. Diese Zahl lag nur unwesentlich unter der des Vorjahres, auch wenn die Kreditsumme von rund 50 Millionen Euro auf 42 Millionen Euro abnahm. Es gebe angesichts der Corona-Bedingungen weniger Anfragen aus den üblicherweise investitionsintensiven Bereichen Gastronomie und Hotellerie, sagt Huppmann dazu.
„Geschäftsmodelle, die ganz klar nur auf die Pandemie abzielten, wie den Import von Masken, haben wir nicht finanziert, weil diese Vorhaben nicht auf das Gründen eines Unternehmens ausgelegt sind“, sagt die Haspa-Managerin. „Anders ist das bei privaten Krankentransporten. Sie bringen jetzt ältere Menschen zum Impfzentrum, aber benötigt werden sie auch danach.“
„Verstärkte Nachfrage“ nach Gründungsfinanzierungen bei der Haspa
Seit Monaten spürt man bei der Haspa eine „verstärkte Nachfrage“ nach Gründungsfinanzierungen: „Wir haben reichlich zu tun“, sagt Huppmann. Offenbar zögen manche Hamburger für sich die Konsequenz aus der Krise: „Nachdem die Pandemie so lange andauert, fragen sich manche Menschen, ob es ihren Arbeitsplatz auch künftig noch geben wird.“
Im Jahr 2010, im Nachgang der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, habe man einen kräftigen Anstieg von „Notgründungen“ gesehen, sagt dazu Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Heyne: „Sollte es gegen Jahresende 2021 zu einer Insolvenzwelle kommen, dann könnte sich dieser Effekt wiederholen.“
Dabei müsse eine Firmengründung aus einem solchen Anlass keineswegs nur eine Verlegenheitslösung sein, meint Huppmann: „Ich kenne viele Beispiele von ehemaligen Arbeitslosen, die sehr erfolgreiche Unternehmer geworden sind.“ Die Haspa-Managerin erwartet sogar einen „Gründerboom“.
Julia Pentzin behält ihre Zuversicht
Julia Pentzin behält ihre Zuversicht jedenfalls trotz der aktuell schwierigen Bedingungen. Geplant seien zehn Angestellte. Selbst wenn die Corona-Beschränkungen eine Eröffnung des Studios schwierig machen sollten, könne das Geschäft starten: „Es ist ohnehin Teil unseres Konzepts, die Kunden auch mobil zu Hause erreichen und für das Training beraten zu können.“
Auch Moritz Stolberg will nun endlich richtig loslegen: „Derzeit beschäftigen wir nur einen Koch, aber für die nächsten Wochen planen wir mit zwei bis drei weiteren Mitarbeitern und hoffen, zumindest unsere Außenfläche am Fleet eröffnen zu können.“
Gründer leiden unter einer Förderlücke
Ihn stört jedoch, dass Gründer wie er unter einer Förderlücke leiden – entgegen dem von der Bundesregierung vermittelten Eindruck, bei den Corona-Hilfen sei für jeden Unternehmer etwas dabei: „Da wir trotz langer Planung erst seit Dezember 2020 Umsätze vorweisen können, bekommen wir keine Zuschüsse. Nur verschulden dürften wir uns mit Corona-Hilfsdarlehen noch weiter – zu relativ hohen Zinsen.“ Stolbergs Vermutung, warum das so ist: „Es gibt eben nicht so viele Gründer, und es fehlt der Stellenwert, darum hat die Politik unser Anliegen vom Tisch gewischt.“
Auch Handelskammer-Vizepräses Niels Pirck beklagt diese Situation: „Leider fallen noch immer Gründerinnen und Gründer durch die umfangreichen Corona-Zuschussprogramme, wenn sie nach dem 30. April 2020 ihre wirtschaftliche Tätigkeit begonnen haben.“ Hier bestehe dringender Handlungsbedarf: „Der von der Bundesregierung angekündigte Härtefallfonds sollte umgehend diese Lücke im Schutzschirm schließen.“