Hamburg. Mehrere Tage lang knallte es alle paar Minuten laut. Anwohner beschwerten sich. Sogar Hamburgs Umweltsenator schaltete sich ein.

Eine Vogelabwehranlage hat in der HafenCity und auf der Veddel für jede Menge Krach gesorgt, sogar Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) schaltete sich ein. Der Streit soll nun mit einem besonderen Experten enden.

Aber der Reihe nach: Alle paar Minuten knallte es vergangene Woche seit Dienstag äußerst laut rund um das alte Überseezentrum auf dem Kleinen Grasbrook, Anwohner auf der Veddel schreckten hoch und waren genervt von den Schussgeräuschen.

HafenCity: Schussgeräusche – scharfe Kritik an Kerstan

Der Grund: Ein sogenanntes mobiles elektronisches Gasknallschreckgerät, wie die Polizei Hamburg auf Anfrage mitteilte. Durch die Schussgeräusche sollten Vögel davon abgehalten werden, am Überseezentrum zu nisten, da dieses im April abgerissen werden soll.

Doch empörte Anwohner beschwerten sich bei der Polizei über den Krach: Der Stadtteilkümmerer Klaus Lübke (SPD), der seit mehr als 20 Jahren auf der Veddel aktiv ist, machte seinem Ärger zudem auf Facebook Luft. Er griff die Polizei, die HafenCity GmbH und Hamburgs Umweltsenator verbal scharf an: "Umweltsenator Kerstan und die Hafencity GmbH verderben der Veddel die Osterfeiertage, und die Polizei schaut tatenlos zu", schrieb Lübke am Karsonnabend.

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Die Anlage knalle in regelmäßigen Abständen sehr laut – und das Tag und Nacht. "Die Menschen werden genervt aus der Nachtruhe geweckt und die Haustiere haben Angst", so Lübke. Schuld gab er der Umweltbehörde, die die Anlage genehmigt habe.

Umweltsenator sorgt für Abschaltung der Vogelabwehranlage

Daraufhin schaltete sich Jens Kerstan ein und wehrte sich bei Facebook gegen die Vorwürfe. "Der Betrieb einer solchen Anlage erfordert nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz keine Genehmigung der Behörde für Umwelt, Klimaschutz, Energie und Agrarwirtschaft", so Kerstan.

Der Betreiber habe wahrscheinlich in seinem Amt nachgefragt, ob das nach dem Naturschutzgesetz – also artenschutzrechtlich – zulässig sei. Dennoch teilte Kerstan am 3. April mit, er habe mit der HafenCity besprochen, dass die Anlage während der Feiertage abgeschaltet werde.

"Aufgrund von Beschwerden aus der Nachbarschaft veranlasste die HafenCity Hamburg GmbH am 3. April um 16 Uhr umgehend, die Anlage außer Betrieb zu nehmen", bestätigte auch Susanne Bühler, Sprecherin der HafenCity GmbH, am Mittwoch. Zuvor seien die „Vergrämungsgeräte“ für Brutvögel von 6 bis 20 Uhr in Betrieb gewesen.

Anwohner wurden über Knallgeräusche nicht informiert

Über die Anlage samt der Knallgeräusche, die ab dem 30. März zum Einsatz kam, wurden die Anwohner im Vorwege übrigens nicht informiert. Die Begründung der HafenCity GmbH: So eine weitreichende Schallwirkung konnte anhand der Herstellerangaben des Geräts nicht erwartet werden. "Darüber hinaus scheinen die zu Ostern vorherrschenden sehr ungünstigen Windbedingungen die Schallwirkung auf die Nachbarschaft noch verstärkt zu haben", sagte Bühler.

Eingeschaltet wurden die Schallanlagen nach Ostern nicht wieder – und auch künftig soll es keine Schussgeräusche auf dem Grasbrook geben. Es seien alternative Methoden geprüft worden, um das Brüten der Vögel zu verhindern, so Bühler. "Zur Vermeidung der Schallwirkung wurde entschieden, die Bereiche unter dem großen Dach kontinuierlich durch einen Ornitologen überprüfen und absuchen zu lassen."

Termin für Abriss des Überseezentrums steht noch nicht fest

Sobald erste Nestbauaktivitäten entdeckt werden, sollen diese sofort abgesammelt werden, um die Vögel dadurch dazu zu bewegen, an anderer Stelle zu brüten. Bühler: "Da die betroffenen Bereiche unter dem Dach einsturzgefährdet sind, muss diese Maßnahme unter fachlicher Beteiligung eines Statikers stattfinden."

Die HafenCity GmbH weist zudem darauf hin, dass die schallemittierenden Anlagen für die Halle nicht wieder in Betrieb genommen werden. "Die Anlagen für die Bodenbrüter bleiben in Betrieb", sagte Bühler. Wann genau der Abriss des Überseezentrums beginnt, stehe noch nicht fest.

Vögel – Naturschutzgesetz verlangt "Vergrämungsmaßnahmen“

Die Entwicklung des neuen Stadtteils Grasbrook geht laut HafenCity GmbH voran. "Ab April 2021 erfolgen nun auch erste vorbereitende Maßnahmen im Gebiet. Dazu gehören der Abbruch der Hallen und Flächenfreimachungen im Bereich des ehemaligen Überseezentrums", sagte Bühler.

Um zu vermeiden, dass während der Abbrucharbeiten Jungvögel oder Gelege geschädigt werden könnten, verlangt das Naturschutzgesetz vorlaufende sogenannte „Vermeidungs- und Vergrämungsmaßnahmen“. So soll schon im Vorfeld sichergestellt werden, dass sich keine Brutvögel in den Gebäuden oder den Freiflächen zum Brüten niederlassen.

Die Visualisierung zeigt den künftigen Stadtteil Grasbrook am Südufer der Norderelbe. Mittelpunkt werden ein lang gestreckter Park (links), an dessen Spitze das Museumsschiff „Peking“ seinen Liegeplatz bekommen soll, und der überdachte Platz vor dem jetzigen Überseezentrum (oben Mitte). Rund um das Becken am Moldauhafen sollen drei Hochhäuser stehen. Foto: Herzog, & de Meuron und Vogt Landschaftsarchitekten
Die Visualisierung zeigt den künftigen Stadtteil Grasbrook am Südufer der Norderelbe. Mittelpunkt werden ein lang gestreckter Park (links), an dessen Spitze das Museumsschiff „Peking“ seinen Liegeplatz bekommen soll, und der überdachte Platz vor dem jetzigen Überseezentrum (oben Mitte). Rund um das Becken am Moldauhafen sollen drei Hochhäuser stehen. Foto: Herzog, & de Meuron und Vogt Landschaftsarchitekten. © Herzog, & de Meuron und Vogt Landschaftsarchitekten | Unbekannt

Abgerissen wird das alte Überseezentrum für den Bau des neuen Hamburger Stadtteils Grasbrook, in dem künftig 6000 Menschen wohnen können und 16.000 Arbeitsplätze geschaffen werden sollen.