Hamburg. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss will den Bundeskanzler erneut zum Skandal um die Warburg-Bank befragen.
Er war vor mehr als einem Jahr einer der ersten Zeugen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft zu den Cum-ex-Geschäften der Warburg-Bank, nun soll er auch der letzte Zeuge werden: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird nach den Sommerferien den Hamburger Abgeordneten noch einmal Rede und Antwort stehen müssen. In Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt wurde dafür der 19. August ausgewählt, erfuhr das Abendblatt aus PUA-Kreisen.
Cum-Ex-Skandal: Olaf Scholz war einer der ersten Zeugen – nun soll er erneut aussagen
Offen ist aber noch, ob Scholz nach Hamburg kommt oder ob der Ausschuss zu ihm nach Berlin reisen muss, um ihn dort zu vernehmen – als Bundeskanzler könnte er theoretisch darauf pochen.
Als einer der ersten Zeugen hatte sich der Sozialdemokrat Ende April 2021, damals noch als Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat, im Hamburger Rathaus stundenlang zu den Vorgängen in den Jahren 2016 und 2017 geäußert, sich dabei aber immer wieder auf Erinnerungslücken berufen.
Warburg-Bank hatte sich millionenfach Steuern erstatten lassen – zu Unrecht
Wie berichtet, geht der Untersuchungsausschuss der Frage nach, warum das Finanzamt für Großunternehmen in Abstimmung mit der Finanzbehörde – deren Chef war damals der heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) – Ende 2016 davon abgesehen hatte, rund 47 Millionen Euro an Steuern von der Warburg-Bank zurückzufordern. Und warum man 2017 weitere 43 Millionen Euro nicht zurückfordern wollte – was erst auf Intervention des Bundesfinanzministeriums verhindert wurde.
Mittlerweile ist höchstrichterlich geklärt, dass Cum-ex-Geschäfte illegal waren und dass sich die Bank diese Kapitalertragsteuern zu Unrecht hat erstatten lassen. Warburg hat die gesamte Summe samt Zinsen an die Staatskasse zurückgezahlt. Bundesweit haben Finanzjongleure den Fiskus mit solchen Geschäften um Milliarden betrogen.
Scholz hatte die Inhaber der Warburg-Bank mehrfach im Rathaus empfangen
In Bedrängnis bringt Scholz vor allem, dass er als damaliger Bürgermeister die Warburg-Inhaber in den betreffenden Jahren dreimal im Rathaus empfangen hatte. An den Inhalt der Gespräche konnte er sich bei seiner ersten Vernehmung aber nicht mehr erinnern. Ebenso wie Tschentscher, der Anfang Mai im PUA ausgesagt hatte, weist er jedoch jegliche Einflussnahme auf die Entscheidungen zurück.
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Auch alle Beteiligten aus Finanzamt und -behörde, die im November 2016 gemeinsam entschieden hatten, die Steuern vorerst nicht zurückzufordern, hatten im Ausschuss ausgesagt, dass niemand aus der Politik sie dazu gedrängt habe.
Cum-ex-Skandal: Stadt wollte Risiko vermeiden
Man sei sich nicht hundertprozentig sicher gewesen, ob es sich wirklich um Cum-ex-Geschäfte handele und habe das Risiko gescheut, die Bank in eine finanziell bedrohliche Lage zu bringen, was enorme Amtshaftungsansprüche gegen die Stadt zur Folge hätte haben können, war der nahezu einhellige Tenor.
Stattdessen habe man darauf gesetzt, das Geld im Zuge eines strafrechtlichen Prozesses zurückzuerlangen – so war es auch gekommen. Tschentscher hatte daher im PUA betont, die „Strategie“ der Behörden sei aufgegangen, es sei überhaupt kein Schaden entstanden.
CDU-Obmann: "Olaf Scholz hat zweimal gelogen"
Die Opposition will sich damit dennoch nicht zufrieden geben. „Für mich steht eines heute fest: Olaf Scholz hat die Parlamente zweimal belogen“, sagte der CDU-Obmann im PUA, Richard Seelmaecker, dem Abendblatt. „Er hat die Abgeordneten im Bundestag belogen, indem er ein Treffen zwischen ihm und den Bankern verschwieg und er hat uns in Hamburg belogen als er behauptete, sich an nichts mehr zu erinnern. Wer bewusst die Unwahrheit sagt, ist ein Lügner. So einfach ist das. Wir haben daher weitere Fragen zu dem politischen Versagen von Herrn Scholz und Herrn Tschentscher bei den Cum-Ex-Steuerbetrügereien in Hamburg.“
Laut SPD-Obmann Milan Pein ist die erneute Einladung des Kanzlers hingegen keine Reaktion auf frühere Aussagen: „Der Zeitplan hat von Anfang an vorgesehen, Olaf Scholz zum Beginn und zum Ende der Beweisaufnahme zu hören. Das setzen wir nun um.“
Wechsel im Arbeitsstab des Cum-ex-PUA
Im Anschluss an die letzte Zeugen-Vernehmung wird der Abschlussbericht des PUA erstellt. Das kann sich einige Monate hinziehen. Zusätzlich erschwert wird die Aufgabe, da der bisherige Leiter des PUA-Arbeitsstabs, der Richter Claudio Kirch-Heim, seinen Posten Ende Juli aufgibt, da er in Elternzeit geht. Ihn soll Steffen Jänicke, Justiziar in der Wissenschaftsbehörde, ersetzen. Während jeder Untersuchungsausschuss mit Abgeordneten der Bürgerschaft besetzt ist – die Politik nur in Teilzeit betreiben –, wird der Arbeitsstab, der dem Gremium zuarbeitet und etwa die Zeugenvernehmungen vorbereitet, mit hauptamtlichen Mitarbeitern ausgestattet. Den Vorsitz muss ein Jurist führen.
„Herr Dr. Kirch-Heim hat sehr gute Arbeit geleistet“, sagte SPD-Obmann Pein. „Mit Herrn Dr. Jänicke schlagen wir einen hochqualifizierten Verwaltungsjuristen als neuen Leiter des Arbeitsstabes vor, der als Arbeitsstabsleiter der Enquete-Kommission ,Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken’ und im Arbeitsstab des PUA Elbphilharmonie einschlägige Erfahrung in der Betreuung von besonderen Parlamentsgremien gesammelt hat.“
Cum-ex-PUA: Am Freitag sagte eine frühere Warburg-Mitarbeiterin aus
Am Freitag sagte im Untersuchungsausschuss unter anderem eine frühere Mitarbeiterin der Warburg-Gruppe aus. Interessant daran: Die Betriebsprüferin, die direkt dem Mitgesellschafter Christian Olearius unterstellt war, erklärte, dass sie damals die Einschätzung hatte, dass auch eine hohe Steuer-Rückforderung nicht den Zusammenbruch der Bank bedeutet hätte und diese die Auflagen der Bankenaufsicht BaFin trotzdem hätte erfüllen können: „Ich habe nie daran gezweifelt, dass die Bank in der Lage gewesen wäre, das darzustellen.“
Gegenüber der Stadt soll die Bank dagegen mehrfach dieses bedrohliche Szenario geschildert haben – was die Finanzbehörden auch in ihre Entscheidung einbezogen hatten, allerdings, ohne diese Angaben zu überprüfen.
Widersprüchliche Aussagen eines Steuerfahnders und einer Staatsanwältin
Mit Interesse nahmen die Abgeordneten auch die Ausführungen eines Hamburger Steuerfahnders zur Kenntnis: Nach seiner Aussage hatte die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker, die bundesweit federführend die Cum-ex-Ermittlungen leitet, bei ihm angefragt, ob er beim Warburg-Fall in steuerlichen Fragen helfen könne. Das sei jedoch gar nicht sein Kerngebiet, er sei Strafrechtler, so der Fahnder. Daher habe er in Abstimmung mit der Finanzbehörde das Ansinnen abgelehnt, aber angeboten, dass Hamburg die strafrechtlichen Ermittlungen ganz übernehme – was jedoch in Köln auf wenig Gegenliebe stieß.
Im Gegensatz dazu hatte Brorhilker im PUA erklärt, dass sie sehr überrascht gewesen sei, dass die Hamburger Steuerfahndung die Ermittlungen nicht übernehmen wollte. Das hatte die These der Opposition unterstützt, dass es in der Hansestadt wenig Interesse gab, den Fall zu verfolgen und eine „schützende Hand“ über Warburg gehalten wurde. Die Aussage des Steuerfahnders stellte das nun ganz anders dar.