Hamburg. Ein 27-Jähriger soll nach dem Streit um das Tragen einer Maske komplett die Kontrolle verloren haben. Nun steht er vor Gericht.
Bis heute rätselt Tayfun T., was der Mann, der da so aggressiv auf ihn losging, überhaupt von ihm wollte. Und bis heute grübelt der 52-Jährige, warum der Angreifer auch dann nicht von ihm abließ, als seine Töchter auftauchten?
Tayfun T. wurde schwer durch Messerstiche verletzt, und noch immer belasten den Mann die Erlebnisse vom 8. Mai dieses Jahres besonders psychisch stark. Es ist der Gedanke an die Gefahr, der er und seine Kinder ausgesetzt war. Und: Offenbar wurde er einzig deshalb zum Opfer, weil er einen anderen dazu aufgefordert hatte, in Zeiten von Corona einen Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen.
Maskenstreit: 27-Jähriger sticht auf Kraftfahrer ein
Versuchter Totschlag ist der Vorwurf, der jetzt einen Hamburger wegen des Übergriffs auf Tayfun T. vor das Schwurgericht gebracht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Kevin H. vor, in der Nacht des 8. Mai an einer U-Bahnstation in Hamburg-Horn den Kraftfahrer mit einem Messer schwer verletzt zu haben, wobei es „nur aufgrund glücklicher“ und vom Angeklagten nicht beeinflussbarer Umstände nicht zu lebensgefährlichen Verletzungen gekommen sei, so die Ermittlungen.
Zunächst sei der 27-Jährige an den Transporter des späteren Opfers herangetreten, heißt es. Als der Kraftfahrer den jungen Mann forderte, eine Corona-Maske zu benutzten, habe Kevin H. zunächst die Fahrertür zweimal so heftig zugeschlagen, dass der Fuß des 52-Jährigen eingeklemmt wurde. Wie der Streit weiter eskalierte, beschreibt die Anklage so: T. brachte den Angreifer zu Boden. Daraufhin zog dieser plötzlich ein Klappmesser hervor. Als Tayfun T. dann zu seiner Wohnung flüchtete, wurde er von Kevin H. verfolgt, der dann mindestens zweimal mit dem Messer auf den Rücken des Opfers einstach.
Maskenstreit: Angeklagter hatte einen "Filmriss"
„Ich kann zu dem Abend nichts sagen, weil ich einen kompletten Filmriss hatte“, beginnt der Angeklagte, ein blasser Mann mit moderner Zopffrisur, seine Schilderung. Er erinnere sich nur, dass er in jener Nacht mit einem Bekannten auf seine mögliche Beförderung im Logistikbereich eines Lieferdienstes angestoßen habe. „Wir haben zusammen eine Flasche Wodka getrunken.“ Eigentlich konsumiere er wenig Alkohol, sondern kiffe eher abends. Nach dem Konsum des Wodkas ende seine Erinnerung. „Sie kehrt erst wieder zurück, als ich auf der Polizeiwache war.“ Als ihm erklärt wurde, er habe jemanden mit einem Messer verletzt, habe er das kaum glauben können.
Mit offenem, etwas schüchternen Blick fixiert der Angeklagte den Zeugen, als dieser für seine Aussage den Saal betritt. Es wirkt, als wolle Kevin H. etwas zu dem Mann sagen, der Opfer massiver Gewalt wurde. Was das ist, formuliert später der Verteidiger im Namen seines Mandanten. Dieser wolle zum Ausdruck bringen, „dass er den Vorfall sehr bedauert“, sagt der Anwalt für Kevin H. an die Adresse von Tayfun T. „Er stellt nicht in Abrede, was Ihnen passiert ist.“
Kraftfahrer drei Monate nach Angriff krankgeschrieben
Drei Monate war der Kraftfahrer nach dem Übergriff krankgeschrieben, erzählt der 52-Jährige als Zeuge. Und noch immer leide er psychisch unter den Folgen. „Wenn ich nachts zur Arbeit gehe, schaue ich immer nach hinten, ob jemand hinter mir ist.“ Als er in jener Nacht von einem Fremden angesprochen wurde, habe er nicht gewusst, „was er wollte“. Er habe den Mann darauf angesprochen, dass dieser keinen Mund-Nasen-Schutz trägt, und habe die Autotür schließen wollen. Da sei sein Bein eingeklemmt worden. Sie hätten gerangelt, „dann sah ich etwas Glänzendes in seiner Hand“.
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Weil sich der Angriff beinahe direkt vor seiner Haustür abspielte, hätten seine Töchter das mitansehen müssen. „Ich merkte, dass er mich nicht loslässt. Ich hatte auch Angst um meine Kinder.“ Schließlich habe er drei Messerstiche in seinen Rücken gespürt. Im Krankenhaus sei er direkt in den Operationssaal gebracht worden. „Alles war voller Blut.“ Zwei Fragen würden ihn seitdem beschäftigen, sagt Tayfun T. „Ich würde gern mal hören, warum er nicht aufgehört hat, als er die Kinder gesehen hat. Und warum hatte er ein Messer dabei?“ Der Prozess wird fortgesetzt.