Hamburg. Willi S. soll in den 1990er-Jahren zwei Frauen ermordet haben. Er sitzt wegen einer anderen Tat bereits in Sicherungsverwahrung.
Es waren zwei Kapitalverbrechen, die die Polizei lange Zeit vor ein Rätsel stellte: Wer könnte für den Mord an einer 28-Jährigen im Jahr 1993 verantwortlich sein? Und wer für den gewaltsamen Tod einer 79 Jahre alten Frau sechs Jahre später? Als Spezialisten der Kriminalpolizei sich in die Akten zu diesen Verbrechen vertieften, tauchte ein Name immer wieder auf: der von Willi S., heute 69 Jahre alt. Ist der mehrfach verurteilte Straftäter auch ein Mörder?
Es war gleichsam das Ergebnis eines kleinteiligen Puzzles, das letztlich Willi „Feino“ S. in den Verdacht und schließlich auf die Anklagebank im Prozess vor dem Schwurgericht gebracht hat. Wie der in Neumünster geborene Mann, der laut Staatsanwaltschaft vor mehr als zwanzig Jahren das eine Opfer sexuell missbraucht und mit einem Handtuch erwürgt sowie die andere Frau mit einer Plastiktüte erstickt haben soll, immer stärker in den Fokus der Ermittlungen geriet, schildert am Dienstag der hauptverantwortliche Kriminalbeamte als Zeuge.
Cold Cases: Zigarettenkippe führte zu Willi S.
Ein zentraler Baustein war dabei eine in der Wohnung der 79-Jährigen gefundene Zigarettenkippe. Zudem schien Willi S. Informationen zu den Mordfällen zu haben, die von den Ermittlern als „Täterwissen“ eingeordnet wurden. Und: Er verstrickte sich immer wieder in Widersprüche.
In die Ermittlungen seien auch Erkenntnisse aus der Rechtsmedizin, aus der Operativen Fallanalyse sowie der Kriminalpsychologie eingeflossen, erläutert der Kriminalbeamte Maximilian W. Schon damals, 1999, wurde eine DNA-Analyse eines Zigarettenstummels aus der Wohnung der 79-Jährigen vorgenommen, die auf Willi S. hindeuten könnte.
Willi S.: Wohnung der Rentnerin nie betreten?
Eine im Zuge der fortgeschrittenen Wissenschaft deutlich präzisere, neuerliche Analyse zeigte demnach, dass es tatsächlich nahezu sicher der 69-Jährige war, der die Kippe in der ansonsten penibel aufgeräumten Wohnung des Opfers hinterließ.
Seinerzeit habe Willi S. bei Befragungen beteuert, nie in der Wohnung der Rentnerin gewesen zu sein; später habe er gesagt, er sei durchaus gelegentlich dort zu Besuch gewesen. Auch in Bezug auf andere Details habe der Mann mehrfach seine Aussage abgewandelt. „Die Abwendung von der ursprünglichen Aussage machte ihn in unseren Augen verdächtig“, erklärt der Zeuge.
Hat Willi S. mehrfach Frauen sexuell missbraucht?
Zudem habe Willi S. früher im Zusammenhang mit beiden Mordfällen angegeben, er habe jeweils etwa zur Tatzeit verdächtige Männer aus den Wohnungen der Opfer kommen sehen, die Damenhandtaschen bei sich getragen hätten. Darauf hätten die Ermittler in alten Pressemitteilungen recherchiert, ob jemals erwähnt wurde, dass im Zuge der Kapitalverbrechen auch Handtaschen der Frauen gestohlen wurden.
Das sei nicht der Fall. Insofern habe es von Willi S. „eine gewisse Preisgabe“ in beiden Fällen von Täterwissen gegeben. Schließlich wurde unter anderem die Operative Fallanalyse hinzugezogen, die ausgewertet habe, dass das Verhalten des jeweiligen Täters sehr gut zu dem Verdächtigen passe.
Mutmaßlicher Täter sitzt bereits in Sicherungsverwahrung
An beiden Opfern sind im Rahmen der Tötungen sexuelle Handlungen vorgenommen worden. Und unter den Verurteilungen von Willi S. waren dem Zeugen zufolge drei, bei denen ebenfalls sexuelle Motivationen festgestellt wurden. So erhielt er 2006 eine Haftstrafe, weil er eine Frau sexuell missbraucht und beraubt hatte.
1969 soll er eine Dame im Alter um die 80 sexuell angegangen haben. Und schließlich wurde er 2011 wegen eines Übergriffs sowie versuchten Mordes an seiner Nichte zu neun Jahren Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.
Eine weitere Kriminalbeamtin schildert als Zeugin, wie sie Willi S. in der Haft aufgesucht habe und ihm eröffnete, dass er jetzt zweier Mordtaten verdächtig sei. „Er sagte, er habe aber niemanden umgebracht.“ Der Prozess wird fortgesetzt.